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Riesa: Historische Bahnbrücke massiv beschädigt

Die Überführung bei Nickritz hat es teils um bis zu einen halben Meter verschoben. Der Streckenbetreiber geht jetzt auf Nummer sicher.

Von Eric Weser
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Eckart Sauter ist einer der Geschäftsführer der Nossen-Riesaer Eisenbahn-Compagnie, dem Betreiber der Bahnstrecke, zu der die Brücke in Nickritz gehört. Er war am Dienstag vor Ort, um die Schäden zu inspizieren.
Eckart Sauter ist einer der Geschäftsführer der Nossen-Riesaer Eisenbahn-Compagnie, dem Betreiber der Bahnstrecke, zu der die Brücke in Nickritz gehört. Er war am Dienstag vor Ort, um die Schäden zu inspizieren. © Eric Weser

Riesa. Für gewöhnlich arbeitet Eckart Sauter am Schreibtisch. Doch eigentlich fühle er sich draußen wohler, sagt der Geschäftsführer der Nossen-Riesaer Eisenbahn-Compagnie (NRE). Und so macht es dem 52-Jährigen nichts aus, im strömenden Regen auf dem Bahndamm am Nickritzer Ortsausgang unterwegs zu sein. Auch wenn der Anlass dafür kein freudiger ist: Am Montagmorgen war ein 26-Jähriger mit einem Lkw-Ladekran bei der Durchfahrt unter der Bahnbrücke hängen geblieben und hatte die Querung beschädigt. Und zwar massiv.

Bereits am Montag hatte die Stadt Riesa deshalb die Gostewitzer Straße unterhalb der Brücke für Autos, Radfahrer und auch Fußgänger voll sperren lassen. Wer nach Neunickritz will, muss jetzt einen Umweg über Böhlen und Gostewitz nehmen.

Derzeit ist die NRE als Eigentümer und Betreiber der Bahnstrecke noch dabei, sich einen genauen Überblick zu verschaffen. Grundsätzlich seien Kollisionen von Lkw mit Brücken für das Unternehmen nichts Neues. "Wir haben sowas regelmäßig", sagt Eckart Sauter. Allein dieses Jahr sei es für die NRE schon der fünfte Vorfall dieser Art gewesen. Doch unter allen ragt der in Nickritz heraus. Auch Gutachter, die bereits am Montag da waren, hätten ihm erzählt, dass sie einen solch immensen Schaden bei einem solchen Vorfall noch nicht gesehen hätten, sagt Eckart Sauter.

Wie groß der Aufprall des Lkw gewesen sein muss, der aus Richtung Neunickritz gegen die Bahnüberführung knallte, darauf deutet die Verschiebung der Brücke hin. "Eigentlich war das hier vollkommen gerade", sagt Eckart Sauter und zeigt dahin, wo das Gleis jetzt eine langgezogene Biegung macht.

Eigentlich sei das Gleis einmal gerade verlaufen, so NRE-Chef Eckart Sauter. Durch den Aufprall eines Lkw am Montag (von links, aus Richtung Neunickritz) gab es eine Verschiebung von Brücke und Gleis um teils bis zu einen halben Meter.
Eigentlich sei das Gleis einmal gerade verlaufen, so NRE-Chef Eckart Sauter. Durch den Aufprall eines Lkw am Montag (von links, aus Richtung Neunickritz) gab es eine Verschiebung von Brücke und Gleis um teils bis zu einen halben Meter. © Eric Weser

Durch die Kollision sei der Brückenüberbau aus Stahl aus seiner Verankerung herausgerissen und um mindestens einen halben Meter verschoben worden. Die Gleisanlage auf der gut 100 Jahre alten Brücke sei völlig zerstört, so Eckart Sauter. Er schätze den Schaden auf etwa 300.000 Euro. Sauter geht zudem davon aus, dass der Lkw, der zu einer regional ansässigen Firma gehöre, mit hoher Geschwindigkeit gegen das Bauwerk gekracht war.

Was den Chef der Eisenbahn-Compagnie zudem bewegt: Wäre die Strecke schon wieder in Betrieb gewesen und hätte ein Zug nicht mehr rechtzeitig gestoppt werden können, wäre dieser entgleist. "Es hätte eine Katastrophe geben können."

Eine Wiederinbetriebnahme der seit Jahren ungenutzten, ursprünglich in den 1870ern angelegten Strecke strebt die NRE laut Eckart Sauter "auf jeden Fall" an. Wann wieder Züge ab Nossen und bis Riesa fahren können, da will er sich zwar nicht festlegen. Vieles hänge von einer fehlenden Brücke über die B 169 nahe dem Riesaer Bahnhof ab. Eisenbahnrechtlich sei die gesamte Strecke aber gewidmet – und auch die Betreibergenehmigung von Sachsens Wirtschaftsministerium decke den Abschnitt nach Riesa mit ab, betont der NRE-Chef.

Derzeit arbeitet das 20 Mitarbeiter zählende Unternehmen, das vor allem Infrastrukturbetreiber ist und sein Geld im Wesentlichen mit Trassenvermietung verdient, zunächst noch an der Reaktivierung eines benachbarten Streckenabschnitts – dem zwischen dem Nossener Ortsteil Ziegenhain und dem Hirschsteiner Ortsteil Prausitz. Eigentlich sollte dieser im Herbst 2021 fertig werden. Doch es dauert etwas länger, sagt Eckart Sauter. Nächstes Jahr werde man bei dem Projekt aber "allemal einen Fuß auf den Boden kriegen".

Ein Stück vorwärts kommen wollte die NRE eigentlich auch auf dem Abschnitt nach Riesa – in puncto Vegetationskontrolle: Das wuchernde Grün auf und neben dem Bahndamm in Zaum zu halten, war ab 2019 aus verschiedenen Gründen ins Stocken geraten. 2020 zum Beispiel, weil Corona der NRE wirtschaftlich zugesetzt hatte. Jetzt wird wohl wegen der beschädigten Brücke erst einmal nicht viel passieren können.

Die voll gesperrte Querung, wenn man sich aus Richtung Neunickritz nähert. Aus dieser Richtung kam auch der Lkw, der die Brücke am Montag beschädigte.
Die voll gesperrte Querung, wenn man sich aus Richtung Neunickritz nähert. Aus dieser Richtung kam auch der Lkw, der die Brücke am Montag beschädigte. © Eric Weser
In einem Brückenträger hinterließ der Lkw ein V und verformte ihn. Ob die genietete Stahlkonstruktion noch zu retten ist, muss sich nun zeigen.
In einem Brückenträger hinterließ der Lkw ein V und verformte ihn. Ob die genietete Stahlkonstruktion noch zu retten ist, muss sich nun zeigen. © Eric Weser

Warten müssen derweil auch die Anwohner von Neunickritz und Gostewitz. Die Stadt Riesa wünsche sich zwar, dass diese zumindest zu Fuß oder mit dem Rad die beschädigte Bahnbrücke passieren dürfen, sagt Eckart Sauter. Doch den Gefallen könne er den Anliegern vorerst nicht tun. Die Gefahr sei einfach zu groß, dass bereits jetzt lose Teile des beschädigten Bauwerks noch herabfallen und jemanden verletzen. "So leid mir das tut, aber wir lassen jetzt hier niemanden durch, bis nicht mindestens die Fahrbahn demontiert ist."

Wann das passieren kann, ist offen. Wegen des großen Schadens geht Eckart Sauter zudem davon aus, dass die Versicherung des Unfallverursachers zunächst einen eigenen Gutachter schickt. Reparaturarbeiten können dem NRE-Geschäftsführer zufolge erst beginnen, wenn die Versicherung oder der Verursacher verbindlich die Kostenübernahme zusage. Geprüft werden müsse auch, ob das Bauwerk unter Denkmalschutz steht.

Da die Klärung solcher Fragen dauernd kann, könnte die derzeitige Vollsperrung deshalb ein längerer Zustand werden.