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Kreis Meißen: Die Lehren aus der Flut im Westen

THW und Feuerwehren kommen aus NRW und Rheinland-Pfalz nach Meißen, Riesa, Radebeul und Großenhain zurück. Was kann man aus den Einsätzen lernen?

Von Peter Anderson & Stefan Lehmann & Peter Redlich
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Die letzte in Radebeul noch aktivierte Sirene befindet sich auf dem Arzneimittelwerk von Arevipharma. Einmal im Monat, mittwochs 15 Uhr, ertönt sie zum Test.
Die letzte in Radebeul noch aktivierte Sirene befindet sich auf dem Arzneimittelwerk von Arevipharma. Einmal im Monat, mittwochs 15 Uhr, ertönt sie zum Test. © Norbert Millauer

Meißen. Die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands hat Lücken beim Katastrophenschutz offenbart: Viele Sirenen wurden abgebaut. Apps, Radio und Internet konnten nur warnen, solange die Netze stabil funktionierten. Doch wie sieht es im Landkreis Meißen aus?

Dreifachverglasung behindert Signal

Im Kreis sind 237 Sirenen aktiv. Diese können neben Feuer- und Probealarm auch Warnungen und Entwarnungen aussenden. Sachsen erarbeitet derzeit eine neue Förderrichtlinie. Mit dem Inkrafttreten dieser Förderrichtlinie wird der Kreis dieses Sirenennetz weiter modernisieren. Sirenen sind nur ein Bestandteil des Warnmixes im Landkreis Meißen. Nachteilig auf die Sirenenwarnung wirken sich zurzeit die Dreifachverglasungen in Fenstern aus. Dadurch ist die Wahrnehmung der Warnsignale im Innenraum sehr eingeschränkt.

Für jeden Ortsteil eine Sirene

Nach Ansicht von Radebeuls Stadtwehrleiter Roland Fährmann sollte in jedem Ortsteil der Stadt an einem erhöhten Punkt eine Sirene installiert werden. Das wolle er mit den Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren in den Brandschutzbedarfsplan aufnehmen.

Das schnellste und beste Signal für eine Gefahr sei immer noch der direkte Pieper, den jeder Kamerad bei sich hat. Der Ausgang der Nachricht von der Leitstelle in Dresden - die für große Teile des Landkreises Meißen zuständig ist - sei auch bei Stromausfall gesichert, weil die Dresdner sofort auf ein Notstromaggregat umstellen können. Allerdings sieht Fährmann die Schwachstelle bei den Übertragungspunkten zwischen Dresden und den Feuerwehren, wenn diese ohne Strom im Havariefall sind.

SMS aufs Handy wäre am einfachsten

Stolz auf sein bestehendes Warnsystem ist der Riesaer Wehrleiter Robert Gudat: "Wir haben in jedem Stadtteil eine Sirene stehen, die auch jeden ersten Mittwoch mitläuft." Dann ist ein längerer, durchgängiger Ton zu hören. Die Zahl der Sirenen sei konstant geblieben. Die Frage sei allerdings, ob die Bürger auch wissen, was bei welchem Ton zu tun sei, sagt Robert Gudat. Darüber werde zwar einmal pro Jahr auch im Amtsblatt informiert.

So kennt man sie: Die an den Helm englischer Soldaten im Krieg erinnernde Sirene wurde - wie hier in Riesa - lange totgesagt. Mittlerweile wird sie als Warnmittel wieder geschätzt.
So kennt man sie: Die an den Helm englischer Soldaten im Krieg erinnernde Sirene wurde - wie hier in Riesa - lange totgesagt. Mittlerweile wird sie als Warnmittel wieder geschätzt. © Sebastian Schultz

Aber der Ernstfall tritt eben selten ein. Selbst beim letzten Hochwasser seien in Riesa die Sirenen stumm geblieben. Und heute gebe es auch andere Mittel, die Leute zu informieren – etwa durch die Apps Biwapp und Nina. Das einfachste Mittel aus Robert Gudats Sicht wäre eine SMS aufs Handy. An diesem sogenannten Cell Broadcast wird mittlerweile im Auftrag des Bundesinnenministeriums gearbeitet.

Bürger ist in der Pflicht

Während in den Moritzburger Ortsteilen Reichenberg und Friedewald noch funktionierende Sirenen montiert sind und diese etwa bei mittelgroßen Bränden auch aufheulen, hat die Stadt Coswig gar keine mehr. Ordnungsamtsleiter Olaf Lier verweist darauf, dass die Polizei in der dort angesiedelten Wache Lautsprecherwagen habe, die bei Gefahren durch die Straße rollen könnten.

Für Sirenen sieht Lier jedoch das Problem, dass dem Bürger gesagt werden müsse, welche Gefahr besteht. Dies könne nur durch wechselnde Tonfolgen und die Kenntnis der Bürger darüber realisiert werden. Lier sieht auch die Einwohner in der Pflicht, selbst Vorsorge zu treffen. Etwa sollte bei drohendem Hochwasser jeder sich informieren und wissen, wie lange er bei welcher Lage noch Zeit hat, sich in Sicherheit zu bringen.

Warn-App wird nur gering genutzt

Die letzte Nachricht zur aktuellen Corona-Situation über die Warn-App Biwapp erreichte laut Landratsamt Meißen am 26. Juli knapp 33.400 Personen. Insgesamt zählt der Landkreis Meißen 240.000 Einwohner. Mithin lag die Quote bei knapp 14 Prozent. Eingeführt wurde das Programm vor rund vier Jahren. Einmal installiert greift es den Standort des Nutzers ab. Kündigt sich eine Flut an oder ereignet sich ein Chemieunfall in der Gegend, wo sich der Biwapp-Nutzer aufhält, wird er automatisch durch eine von der jeweiligen Behörde erstellten Nachricht darüber informiert. Dem Smartphone-Besitzer entstehen dadurch keine Kosten. Hinzu kommt, dass über das Programm auch Informationen aus der von Bund und Ländern genutzten Notfall-App Nina aufgespielt werden.

Alarmnetz des Kreises unterdessen autark

Im Alarmierungsnetz des Landkreises sind mittlerweile Brennstoffzellen installiert. Das Netz dient dem Auslösen von Sirenen und Pagern. Der Landkreis kann es im Falle eines Stromausfalls autark weiterbetreiben. Der in Meißen zum Einsatz kommende sogenannte Efoy-Pro-Cube ist weltweit als zuverlässige Netzfern- oder Back-up-Stromversorgung industrieller Anlagen im Einsatz. Die wetterfeste Brennstoffzellenlösung kann bequem transportiert und in kürzester Zeit in Betrieb genommen werden. Sie wird entweder als alleinige Stromquelle oder im Hybridbetrieb mit anderen Stromerzeugern genutzt. Der Hersteller, die SFC Energy AG, ist nach eigenem Bekunden ein führender Anbieter von Wasserstoff- und Direktmethanol-Brennstoffzellen für stationäre und mobile Hybrid-Stromversorgung.

Erfahrungen vom Nürburgring

Einer, der genau weiß, woran es noch im Ernstfall hier kranken kann, ist Fabian Scholz, Ortsbeauftragter vom Technischen Hilfswerk (THW) Radebeul. Er und seine Mannschaft sind gerade am Wochenende aus den Flutgebieten im Westen Deutschlands zurückgekommen. Drei seiner Leute sind noch dort; auch ein Mitglied des Riesaer THW ist noch vor Ort. Eingesetzt waren die Radebeuler in der Leitstelle am Nürburgring. Scholz: "Mit dem Draufblick kannst du deutlicher sehen, was in der Organisation noch verbessert werden muss. Zum Beispiel in Zeiten wie jetzt in den Urlaubswochen, wer wirklich zum schnellen Einsatz abgerufen werden kann."

In den betroffenen Gebieten sei es auch teils so gewesen, dass Kameraden, die im Katastrophenfall gerufen werden, selbst betroffen waren. Deshalb, so Scholz, müssten die Strukturen neu durchdacht werden, dass einerseits genügend Ersatzleute schnellstens aktiviert werden können und es auch Ausweichquartiere für Stäbe gibt.

Zum Thema Sirene sagt der erfahrene THW-Mann: Sie sollte wieder flächendeckend vorhanden sein, um die Bürger aufmerksam zu machen, etwa damit viele schnell ihr Radio einschalten. Aus seiner Erfahrung seien Apps auf dem Smartphone nur eine ergänzende Lösung.