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Riesa: Schlammflut soll sich nicht wiederholen

In Nickritz hatte Starkregen Ackerboden in ein Wohngebiet gespült. Ein ungewöhnliches Projekt setzt dagegen.

Von Christoph Scharf
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Ramona Kempf zeigt das Feld, das sich oberhalb von Nickritz mit deutlichem Gefälle zum Wohngebiet erstreckt.
Ramona Kempf zeigt das Feld, das sich oberhalb von Nickritz mit deutlichem Gefälle zum Wohngebiet erstreckt. © Sebastian Schultz

Nickritz. Ein lokales Unwetter reicht aus - und schon ergießt sich von einem abschüssigen Feld eine Schlammlawine in ein benachbartes Wohngebiet. Solche Fälle gab es zuletzt immer wieder. So mussten Riesaer Feuerwehrleute am 17. Juli in Nickritz anrücken. Es war bei weitem nicht der einzige Einsatz dieser Art - aber in Nickritz vielleicht der letzte. Das hofft zumindest Ramona Kempf. "Wenn wir unsere Pläne auf dem Acker umgesetzt haben, sollte sich so eine Schlammlawine nicht wiederholen."

Die gelernte Gemüsegärtnerin gehört zur Lebenstraumgemeinschaft Jahnishausen. Die, genauer die Gut Jahnishausen Genossenschaft, hat den Acker oberhalb von Nickritz vor neun Jahren gekauft. Zuletzt wurden dort Erbsen angebaut. Die waren gerade abgeerntet und das Feld umgeackert - als einen Tag später das Unwetter kam. Auf der nackten, abschüssigen Fläche konnte sich das Wasser sammeln und Richtung Wohnhäuser laufen.

Dort soll eigentlich ein aufgeschütteter Wall verhindern, dass der Schlamm ins Wohngebiet läuft, das in den 90ern errichtet worden war. Doch so ein Wall ist keine Hochwassermauer: Irgendwann dringt das Wasser durch. "Mit der Erfahrung aus den vergangenen Jahren würde man heute ein Wohngebiet wohl nicht mehr so dicht unterhalb eines Feldes bauen", sagt Riesas Oberbürgermeister Marco Müller (CDU).

Im Juli hatte die Feuerwehr in Nickritz Wasser ableiten müssen, das vom Feld ins Wohngebiet gelaufen war.
Im Juli hatte die Feuerwehr in Nickritz Wasser ableiten müssen, das vom Feld ins Wohngebiet gelaufen war. © Feuerwehr Riesa

Man wolle nun die Betroffenen an einen Tisch bringen und das Gespräch moderieren, heißt es von der Stadt. Die betroffenen Anwohner selbst haben sich bereits an die Lebenstraumgemeinschaft gewandt. Man sei miteinander im Gespräch, sagt Ramona Kempf. Ältere Einwohner würden bestätigen, dass es sich um kein neues Problem handle.

Kempf hofft, dass es mit der geplanten Neugestaltung des zwei Hektar großen Areals der Vergangenheit angehört. Denn die Lebenstraumgemeinschaft will dort ein Projekt verwirklichen, dass es in Riesa noch nicht gibt: "Wir planen eine solidarische Gärtnerei", sagt die gelernte Gemüsegärtnerin. Das ist ein Gärtnerei mit einem festen Kundenstamm, der für einen gleichbleibenden Monatsbetrag regelmäßig Gemüsekisten bezieht.

Zunächst aber soll eine mehrjährige Blumenmischung auf die Fläche gesät werden, es sollen Blühstreifen wachsen und ein Teil Kräuterwiese. Und dann soll ein Teil des Ackers eingezäunt werden: Wegen der Rehe, die sich in den Wäldchen nebenan offenbar wohlfühlen. "Ein Stück lassen wir für die Rehe frei - aber wir wollen Gemüse anpflanzen, das braucht Schutz durch einen Zaun."

Vor allem aber sollen künftig Baumreihen verhindern, dass bei Starkregen Schlamm nach unten gespült wird. Quer zum Hang sind mehrere Reihen mit Maronen und Obstbäume geplant. "Apfel, Birne, Pflaume, Kirsche - lauter verschiedene Sorten", sagt Ramona Kempf. Hoch- und Niedrigstämme sollen im November gemischt gepflanzt werden. Und geerntet werden sollen die Früchte später natürlich auch. "Maronen sind ein guter Grundnahrungsersatz - anstelle von Weizen oder Mais."

Wachsen soll alles naturnah - aber geplant wird die Anlage nach dem sogenannten Keyline-Design mit Hochtechnologie: GPS- und Drohnentechnik. Exakte Planung der Baumreihen sei nötig, um den Wasserhaushalt am Hang so zu regulieren, dass es bei Starkregen keine Erosion gibt und er bei Trockenheit nicht austrocknet.

So sieht das geplante Areal für die Gärtnerei von oben aus. Rechts liegt das Wohngebiet Nickritz, oben links ist Gostewitz zu erkennen.
So sieht das geplante Areal für die Gärtnerei von oben aus. Rechts liegt das Wohngebiet Nickritz, oben links ist Gostewitz zu erkennen. © privat

Und ohne Folientunnel etwa für Tomaten werde es auch nicht abgehen. "Wir wollen die Pflanzen selber anziehen, nicht zukaufen", sagt Ramona Kempf. Geplant ist anfangs, dass die Erträge für etwa 30 Haushalte ausreichen. Nach und nach soll das Projekt so wachsen, dass bis zu 100 Haushalte versorgt werden können. Auch auf kleinen Flächen würden sich mit dem Konzept des "Market Gardening" hohe Erträge erwirtschaften lassen, sagt sie. Dabei wird das Gemüse dicht an dicht gepflanzt, Kompost untergegraben und der Boden vor allem in Handarbeit bearbeitet. "Dafür ist zwei Hektar schon eine ziemlich große Fläche", sagt die Gärtnerin, die bereits seit einem Jahr an dem Projekt plant.

Auch in Jahnishausen selbst gärtnert die Lebenstraumgemeinschaft. Doch der Garten dort ist für den Eigenbedarf der Bewohner gedacht, während die Fläche bei Nickritz ein richtiges Gewerbe werden soll. Mit den Nachbarn werde man dazu noch das Gespräch suchen.

  • Kontakt und mehr Informationen: www.ltgj.de/acker