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Schrott wird knapp

Riesaer Stahl ist derzeit gefragt. Allerdings geht es auf dem Markt sehr turbulent zu.

Von Christoph Scharf
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Ein Blick über die Elbe auf das Riesaer Stahlwerk von Feralpi Stahl. Baustahl ist gefragt und teuer - die Rohstoffe dafür allerdings auch.
Ein Blick über die Elbe auf das Riesaer Stahlwerk von Feralpi Stahl. Baustahl ist gefragt und teuer - die Rohstoffe dafür allerdings auch. © Feralpi Stahl

Riesa. Die Medien verkünden es seit Wochen, Häuslebauer merken es ohnehin: Die Baustoffpreise steigen „in astronomische Höhen“, wie es dieser Tage eine Überschrift im Wirtschaftsteil ausdrückte. Das Statistische Bundesamt hatte Anfang der Woche bekannt gegeben, dass wegen eines globalen Baubooms und durch Corona gestörte Lieferketten die Preise angezogen seien. Demnach sei etwa der Betonstabstahl um 44 Prozent teurer geworden. Das ist das Hauptprodukt des Riesaer Stahlwerks von Elbe Stahl Feralpi.

Brummt bei dem Unternehmen mit rund 600 Mitarbeitern jetzt das Geschäft? Sächsische.de hat bei ESF-Werksdirektor Uwe Reinecke und Ralf Schilling, dem Geschäftsführer des Unternehmens Feralpi Stahlhandel, nachgefragt.

Herr Reinecke, Herr Schilling: Können Sie bei Feralpi die Angaben zur Preisentwicklung auf dem Baustahlmarkt nachvollziehen?

Schilling: Ja, im Großen und Ganzen können wir die Preiserhöhungen vom Jahresanfang an betrachtet bestätigen. Was die Preiserhöhungen bei Rohstoffen anbelangt, gehen wir davon aus, dass die Preise auf Grund struktureller Faktoren das ganze Jahr hoch bleiben werden.

Wie wirkt sich das tatsächlich auf Ihren Absatz und auf Ihre Einnahmen aus?

Schilling: Man darf nicht davon ausgehen, dass sich diese Erhöhungen 1:1 in unseren Kassen wiederfinden. Alle Materialien und Dienstleistungen, die wir zur Stahlproduktion und Lieferung benötigen, sind ebenfalls gestiegen - teilweise sehr deutlich. Des Weiteren sind durch extreme Preiserhöhungen für Schrotte im ersten Quartal 2021 den Baustahlwerken viele Aufträge, die im Winter gebucht wurden, kalkulatorisch in die Verlustzone gerutscht. Diesen negativen Zahlenwerten müssen wir nun versuchen, Rechnung zu tragen. Es hilft jedoch, dass der Baumarkt und die damit verbundene Nachfrage stark ist und die Green New Deal-Pläne neue Infrastrukturen für die kommenden Jahre in Europa unterstützen werden.

Aus Schrott wird im Riesaer Stahlwerk Baustahl gefertigt - allerdings gibt es auf dem Markt Versorgungsengpässe.
Aus Schrott wird im Riesaer Stahlwerk Baustahl gefertigt - allerdings gibt es auf dem Markt Versorgungsengpässe. © Alexander Schröter / Foto-Schr?

Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe für die Entwicklung?

Schilling: Die Gründe sind extrem gestiegene Gesamtkosten der Produktion von Baustahl - unter anderem durch die Preisentwicklungen beim Rohstoff Schrott oder für die Elektroenergie. Dazu kommt ein nach wie vor starker deutscher Baumarkt, aber auch aus angrenzenden EU-Staaten gibt es eine starke Nachfrage.

Wagen Sie eine Prognose, was die künftige Preisentwicklung angeht?

Schilling: Eine Prognose abzugeben, ist sehr schwierig. Für das Jahr 2021 sehen wir eine halbwegs stabile Nachfrage, die leider aufgrund von Unterbrechungen der Lieferketten nicht immer vollumfänglich und im Zeitplan erfüllt werden kann. Wegen der zurzeit extrem gestiegenen Gesamtkosten am Bau hören wir von Zurückstellungen geplanter Projekte für das Jahr 2022 und folgende. Dies könnte sich zu einem Volumenproblem entwickeln.

Glühend verlässt der Baustahl bei Feralpi das Walzwerk.
Glühend verlässt der Baustahl bei Feralpi das Walzwerk. © Gruppe Feralpi/Moreno Maggi

Wie entwickeln sich im Gegenzug Ihre Einkaufspreise – etwa für Schrott oder Zuschlagstoffe. Gehen die im selben Maß nach oben?

Reinecke: Im Vergleich zum vierten Quartal 2020 haben sich die Preise für die Zuschlagstoffe zum dritten Quartal 2021 um etwa 25 Prozent erhöht . Auch sind in der Pandemiezeit die Lieferketten unterbrochen worden, was zu deutlich längeren Lieferzeiten aktuell führt. Ganz extrem ist die Entwicklung bei dem Material Holz, bei uns Unterlegholz. Zum Versand haben wir Preissteigerungen von bis zu 300 Prozent gegenüber dem vierten Quartal 2020 zu verkraften. Hier ist sogar die Beschaffbarkeit nicht mehr sicher gegeben. Der für uns auch wichtige Verpackungsbandstahl für den Versand unserer Produkte ist im Vergleich zum Vorjahr (viertes Quartal 2020) um 100 Prozent gestiegen. Auch hier ist die Beschaffung zurzeit problematisch. Unser wesentlicher Rohstoff Schrott ist im Durchschnitt über alle von uns benötigten Sorten ebenfalls um etwa 100 Prozent zu November 2020 gestiegen. Auch hier treten immer einmal wieder Versorgungsengpässe auf, wenn Abnehmer außerhalb der EU sich vom Markt der EU bedienen. Das ist politisch brisant, weil diese Abnehmer sehr weit entfernt sind von einer grünen Stahlproduktion! Und genau dieser Punkt ist bei Feralpi von großer Bedeutung. Wir investieren in nachhaltige Produktion, Dekarbonisierung und möchten unsere Prozesse zunehmend energieeffizienter gestalten.

Inwieweit wird durch die Entwicklung auch die Stadt Riesa profitieren? Immerhin ist Feralpi doch mit Abstand der wichtigste Gewerbesteuerzahler, wenn man dem Rathaus Glauben schenken darf …

Reinecke: Ja, wir sind weiterhin ein ertragsstarkes Unternehmen und wichtiger Steuerzahler für die Stadt Riesa und den Landkreis. Wir haben aber in diesem Jahr bedingt durch einen deutlich späteren und anfangs sehr störanfälligen Anlauf unserer neuesten Investition der Drahtbindestation eine Menge Rückstände in der Produktion und im Absatz aufzuholen, um zu alter Ertragsstärke zurückzukehren. Dieser Aufholprozess wird auch bis zum Jahresende anhalten. Wichtig ist uns aber auch, weiterhin junge Menschen mit ihren Fähigkeiten und Talenten für uns zu begeistern und sie zu fördern.