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Riesa: Als Ärzte zu Verbrechern wurden

Kurz vor dem Holocaust-Gedenktag soll ein Theaterstück in Riesa an die Verbrechen des Nationalsozialismus erinnern. Anschließend ist eine Diskussion geplant.

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Auf der Suche nach Antworten: Beate Reker und Johan Schüling im Stück "Treppe ins Ungewisse".
Auf der Suche nach Antworten: Beate Reker und Johan Schüling im Stück "Treppe ins Ungewisse". © Stadtmuseum Riesa

Riesa. Mit einem Stadtrundgang und einer Lesung aus historischen Dokumenten war in den vergangenen beiden Jahren schon an die Opfer des Nationalsozialismus in Riesa erinnert worden. Diesmal laden die Stadt Riesa, die Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain sowie das Stadtmuseum und der Museumsverein Riesa gemeinsam zu einem Theaterstück ein. Es soll einen Tag vor dem Gedenktag aufgeführt werden, am Freitag, 26. Januar, um 18 Uhr.

Zu sehen gibt es in der Aula des Werner-Heisenberg-Gymnasiums das Stück "Treppe ins Ungewisse". Darin begeben sich die Schauspieler des Münsteraner „theater odos“ ebenso wie ihr Publikum auf die Suche nach Antworten auf schwierige und vor allem sehr unbequeme Fragen. Eine Staatsanwältin versucht gemeinsam mit ihrem Assistenten, ein oft vergessenes Verbrechen aufzurollen: die Zwangssterilisation und Ermordung Hunderttausender Menschen in Psychiatrien während der nationalsozialistischen Diktatur.

Alle Protagonisten ringen im Stück um die richtige Wahrnehmung eines entsetzlichen Handelns und dessen Ursachen: Wie soll man mit den Ärzten umgehen, die Tausende Menschen quasi zum Tode verurteilten oder mit einer Spritze oder Nahrungsentzug sogar bewusst töteten? Wie umgehen mit den Einlassungen der Ärzte, "nur in einer unheilbaren Situation getötet zu haben" oder weil "die medizinische Versorgung nicht für alle gereicht hätte"?

Stück basiert auf historischen Dokumenten

"Vom Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 bis zu seinem Ende 1945 wurden circa 200.000 Menschen aus psychiatrischen Einrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen des Deutschen Reiches durch Medikamente, unzureichende Ernährung oder Vergasung getötet", heißt es in einer Mitteilung des Stadtmuseums zum Stück. Die Aufarbeitung dieser Verbrechen sei in beiden deutschen Nachkriegsstaaten nur sehr unzureichend erfolgt. Ermittlungsverfahren wurden eingestellt, nachweislich beteiligte Mediziner freigesprochen oder lediglich zu geringen Strafen verurteilt.

Das Theaterstück "Treppe ins Ungewisse" ist auf der Grundlage von Zeitzeugenberichten, Gerichtsurteilen und historischen Studien entstanden. Geschrieben wurde es von Heiko Ostendorf, studierter Literaturwissenschaftler und Theologe sowie Gründer und künstlerischer Leiter des "theater odos". Seit 2009 bringt das Theater Jugendlichen und Erwachsenen politische und gesellschaftliche Themen nahe, die in der Öffentlichkeit meist unbeachtet bleiben. "Das Thema Euthanasie und Zwangssterilisation wird leider viel zu selten behandelt, kommt in Politik, Kunst und der Öffentlichkeit kaum vor", erklärt Ostendorf die Beweggründe, sich dieses Teils der deutschen Geschichte anzunehmen.

"Die Geschichten der betroffenen Menschen gehen einem als Schauspielerin regelrecht unter die Haut", sagt Beate Reker, die die Staatsanwältin spielt. Vor allem die Rechtfertigungen der Ärzte für ihre Verbrechen und die wissenschaftlichen Theorien zur Aussortierung, Verstümmelung und Tötung von Menschen, die als nicht lebenswert angesehen wurden, machten wütend und traurig zugleich.

Im Anschluss an die Aufführung findet ein Publikumsgespräch mit Regisseur Heiko Ostendorf und Christoph Hanzig, Mitarbeiter der Gedenkstätte Großschweidnitz auf dem Areal des psychiatrischen Krankenhauses Großschweidnitz, statt. Der Eintritt ist kostenfrei. Die Veranstaltung wird gefördert mit Mitteln der Sparkasse Meißen. (SZ)