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Prozess in Dresden: Angeklagte Moritzburger Ärztin äußert sich nicht

Waffen, Ausweise, gestohlene Kennzeichen – die Polizei hat bei der Medizinerin aus Moritzburg, die falsche Corona-Atteste ausgestellt haben soll, viele Beweise sichergestellt.

Von Alexander Schneider
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Bianca W., eine Ärztin aus Moritzburg, ist angeklagt, Tausende unberechtigte Corona-Atteste ausgestellt zu haben.
Bianca W., eine Ärztin aus Moritzburg, ist angeklagt, Tausende unberechtigte Corona-Atteste ausgestellt zu haben. © SZ

Sie stehen auf, sie winken, sie werfen ihr Herzchen und Siegesgesten zu. Auch am zweiten Prozesstag gegen Bianca W. sind 30 Sympathisanten der ehemaligen Moritzburger Ärztin in den Hochsicherheitsgerichtssaal gekommen. Die 66-Jährige, die seit Februar in Untersuchungshaft sitzt, muss sich vor dem Landgericht Dresden wegen der Ausstellung von über 1.000 falschen Corona-Attesten verantworten – etwa Befreiungen vom Tragen einer Maske und Impfverbote. Die Patienten seien laut Anklage nicht untersucht worden. W. soll meist bei sogenannten Sammelterminen knapp 50.000 Euro kassiert haben.

An diesem Verhandlungstag kündigt Carsten Brunzel, einer ihrer beiden Verteidiger an, W. werde sich weder zum Sachverhalt noch zu ihrer Person äußern. Brunzel zitiert den Hippokratischen Eid, mit dem seine Mandantin 1985 geschworen habe, als Ärztin danach zu handeln, was für ihre Patienten am besten sei. Daher sei es Aufgabe des Gerichts, gerade auch die subjektive Seite, die „innere Überzeugung ihres Handelns“ zu berücksichtigen. Weiter gehöre seine Mandantin nicht der Reichsbürger- oder Selbstverwalterszene an, schon gar nicht lehne sie die Bundesrepublik Deutschland ab.

"Indigenes Volk der Germaniten"?

Viele Schriftstücke, die das Gericht nun mit Beginn der Beweisaufnahme verliest, erwecken jedoch einen anderen Eindruck. So habe Bianca W. 2022 die Löschung aller ihrer Daten beantragt, weil sie dem „indigenen Volk der Germaniten“ angehöre. 2018 habe sie sich geweigert, eine Geldstrafe zu zahlen, weil sie die Rechtmäßigkeit der Behörden anzweifelte. Die Strafe – 900 Euro – hatte sie wegen Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz erhalten, weil auf ihrem Grundstück zahlreiche Schusswaffen samt Munition sichergestellt worden waren. Der Besitz der Flinten, Büchsen, Pistolen und Revolver, augenscheinlich alles Jagdwaffen, war ihr bereits 2010 untersagt worden.

2013 wurde der Ärztin die Approbation entzogen, weil sie sich nicht gesundheitlich begutachten ließ. Auch diese Maßnahme der Aufsichtsbehörde war Folge des auffälligen Verhaltens der Moritzburgerin, die gegenüber Behörden behauptet habe, sie werde "im Einwohnermeldeamt als zwangsinternierte Person geführt".

2019 stellte ein Gerichtsvollzieher fest, dass Bianca W. über keinerlei Einkünfte verfügt haben soll. In dem Jahr hatte sie auch vier Bücher im Wert von 48 Euro bestellt hatte, ohne sie zu bezahlen. 2021 erhielt sie dafür per Strafbefehl eine weitere Geldstrafe über 900 Euro.

Über mehrere Stunden verliest das Gericht Korrespondenz von, mit und über die Angeklagte. Keine Zulassung, kein Einkommen, Ärger mit Behörden und Ämtern, Geldstrafen - die 66-jährige Ärztin muss sich auf einer sich immer schneller drehenden Abwärts-Spirale befunden haben. Das wird noch deutlicher, als am Nachmittag Dutzende Polizeifotos ihrer Wohnung gezeigt werden.

Fotos einer Messie-Behausung

Schlagartig deutlich leiser sind nun auch W.s Unterstützer angesichts dieser Durchsuchungs-Impressionen: Das Wohnhaus mit der ehemaligen Praxis im Erdgeschoss ist auf drei Etagen komplett vermüllt, eine verwahrloste Messie-Behausung. Die Räume, Flure und Treppen sind vom Keller bis zum Dach vollgestopft mit Taschen, Kisten und Behältnissen. Alle Räume, bis auf das Wohnzimmer im Obergeschoss.

Das gleiche Bild zeigt sich im zweistöckigen Nebengebäude des Grundstücks, dem sogenannten Gartenhaus. Wer es dort aushalten kann, muss Struktur und Kontrolle über sein Leben verloren haben.

Bei der Durchsuchung wurden knapp 20.000 Euro sichergestellt, Schusswaffen, Patronen, ein Elektroschocker, ein Teleskopschlagstock, Blanko-Atteste, mehrere Handys, mehrere Laptops, mehrere Festplatten, fremde Ausweise, mehrere entwendete Kfz-Kennzeichen-Tafeln mit Nummern aus Dresden, Erfurt und Polen.

Zunächst sicherten die Beamten auch Spuren und Beweise in zwei Autos auf dem Grundstück, einem VW Golf und einem Toyota. Dann fällt ihnen auch ein Ford auf, hinter einem Wall aus Rindenmulch, der auf die Ermittler wie eine Grundstücksgrenze gewirkt hatte. Auch in dem Ford fanden sich Gegenstände, der Ärztin, darunter der Elektroschocker und der Schlagstock.

Der Prozess wird fortgesetzt.