SZ + Pirna
Merken

Daheim beim Schokoladenmädchen

Adoratio – Schokolade, die sich anbeten lässt. Die Pirnaer Manufaktur ist eine der schönsten in ganz Sachsen.

Von Jörg Stock
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
„Schokolade ist ein Lebensgefühl.“ Susanne Engler, 39, führt die Adoratio Schokoladenkunst in Pirna.
„Schokolade ist ein Lebensgefühl.“ Susanne Engler, 39, führt die Adoratio Schokoladenkunst in Pirna. © www.loesel-photographie.de

Wie kommt es, dass Pirna eine Schokoladen-Akademie besitzt? Womöglich hat Liotards „Schokoladenmädchen“ etwas damit zu tun. Im Gartenhaus von Susanne Englers Opa hing eine Kopie des berühmten Gemäldes an der Wand. In diesem Gartenhaus, unter diesem Bild, sagt Susanne Engler, hat sie ihre halbe Kindheit verbracht. Heute hängt das Bild in der Akademie. Und sie ist die Chefin. Sie ist selbst ein Schokoladenmädchen geworden.

Die Schokoladen-Akademie hat ihren Sitz im alten Pirnaer Bahnhof. Außen klassizistisch, ein bisschen römisch, drinnen avantgardistisch und, natürlich, schokoladig. In den Regalen stehen neben Büchern über Porsche, Berlin in den wilden Zwanzigern und Frida Kahlo auch alte metallene Schokoladenformen: Automobile, Stiefel, Blumen, Kaffeebohnen, große Fliegen, kleine Fische. Viele dieser Formen hat Anton Reiche, Dresden, hergestellt. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts war das die wohl bedeutendste deutsche Fabrik des Metiers.

Susanne Engler hat sich die alten Stücke auf Flohmärkten und bei Sammlern besorgt. Was Schokolade angeht, ist sie eine Besessene. Und daran ist vielleicht nicht nur das „Schokoladenmädchen“ des Opas Schuld, sondern vielmehr der Opa selbst. In den Schlafzimmerschränken bunkerte er die von seiner Enkelin so geliebten Nougat-Eier. „Wenn Oma schon schlief, hat er sie dann rausgekramt“, erzählt Susanne.

Die Begeisterung für Schokolade hat sich bei ihr bis heute gehalten. Jeden Tag isst sie welche, um eigene Kreationen zu testen, aber auch die der anderen, vor allem aber, um zu genießen, um abzuschalten. „Schokolade ist ein Lebensgefühl.“

Studiert hat Susanne Engler die Schokolade nicht, sondern die Soziologie. Doch ist sie ein Mensch, der Spaß am Ausprobieren hat, der wissen will, was geht im Leben. So wagte sie 2009 den Schritt und gründete eine Schokoladenmanufaktur. Ein bisschen blauäugig war das vielleicht, sagt sie. „Aber wenn nicht jetzt, wann dann?“ Das Unternehmen heißt Adoratio – die Anbetung. Das kommt daher, weil das Stammhaus im Örtchen Thürmsdorf steht, in dessen Schlosspark eine Bronzeplastik dieses Titels zu finden ist. Das Werk des norwegischen Bildhauers Stephan Sinding zeigt einen Jüngling, der, niedergesunken vor seiner nackten Geliebten, ihr die Knie küsst.

Einfach abschalten und genießen

Das passt zur Schokolade, findet Susanne Engler. Die Naturvölker Mittelamerikas hielten den Kakao für Gotteswerk und beteten seinen Schöpfer an. Sie selbst nennt Schokolade eine Diva. Sehr besonders, sehr anspruchsvoll, und stets umweht von einem Hauch Erotik.

Die Adoratio Schokoladenkunst wirbt mit dem Prädikat, die erste biozertifizierte Naschwarenmanufaktur Sachsens zu sein. Beim Verarbeiten des fair gehandelten peruanischen Kakaos kommen keine Konservierungsstoffe, keine Geschmacksverstärker, keine sonstigen chemischen Zusätze zum Einsatz. Kakaomasse, Kakaobutter, Zucker, Milchpulver – das genügt als Grundlage für ein gutes Produkt, sagen die Macher.

Natürliche Zutaten gibt es darüber hinaus jede Menge, oft und gern auch exotische: Rote Beete, Blütenpollen, Konjakwurzel, Kurkuma, Macha, Hanf. Die Trüffel dürfen auch mal grün sein, wenn sie Kürbiskerne enthalten. Es gibt Super-Food-Schokolade mit Algen-Extrakten und Gerstengras und Low-Carb-Schokolade „Steinzeit-Yogi-Paleo“ mit Samen, Beeren, Blüten und 100 Prozent Kakao. Die Sorte „Casanova“ bietet Fruchtmark des Johannisbrotbaums, Chia und Leinsamen. Laut Beschreibung fördert sie Kreativität und Ausdauer. Wobei, darf der Fantasie überlassen bleiben.

Mit der Kakaoschote fängt alles an. Adoratio verarbeitet Bio-Ware aus Peru. Eingekauft werden in der Regel die fermentierten Bohnen des Criollo-Kakaos. Einige Schoten lässt sich die Manufaktur aber auch im Ganzen aus Sri Lanka kommen, um sie den Teilnehmern der Schokoladenkurse vorzuführen.
Mit der Kakaoschote fängt alles an. Adoratio verarbeitet Bio-Ware aus Peru. Eingekauft werden in der Regel die fermentierten Bohnen des Criollo-Kakaos. Einige Schoten lässt sich die Manufaktur aber auch im Ganzen aus Sri Lanka kommen, um sie den Teilnehmern der Schokoladenkurse vorzuführen. © www.loesel-photographie.de
Zwischen achtzig und neunzig verschiedene Produkte stellt die Manufaktur her. Darunter sind Tafeln, handgebrochene Schokolade, Brotaufstriche, Dragees, Trüffel und schokolierte Früchte. Auch ein gutes Dutzend Sorten Trinkschokolade ist im Angebot.
Zwischen achtzig und neunzig verschiedene Produkte stellt die Manufaktur her. Darunter sind Tafeln, handgebrochene Schokolade, Brotaufstriche, Dragees, Trüffel und schokolierte Früchte. Auch ein gutes Dutzend Sorten Trinkschokolade ist im Angebot. © www.loesel-photographie.de
Wie Schokolade gemacht wird, erfährt man jetzt in Adoratios neuer Schokoladen-Akademie. Auf etwa 250 Quadratmetern des alten Pirnaer Bahnhofs ist ein Mix aus Künstleratelier und Schokoladenküche entstanden. Hier werden Seminare mit bis zu zwölf Schokoladenliebhabern abgehalten.
Wie Schokolade gemacht wird, erfährt man jetzt in Adoratios neuer Schokoladen-Akademie. Auf etwa 250 Quadratmetern des alten Pirnaer Bahnhofs ist ein Mix aus Künstleratelier und Schokoladenküche entstanden. Hier werden Seminare mit bis zu zwölf Schokoladenliebhabern abgehalten. © www.loesel-photographie.de

Damit die Schokoladenbegeisterung auf andere überspringt, hat Susanne Engler neben Laden und Café am Pirnaer Markt nun die Akademie im Bahnhof gegründet. Etwa fünf Kurse pro Woche werden abgehalten, für Normalmenschen und Fachpublikum, für Freundeskreise und Kollegenrunden.

Wer bucht, lernt den Weg „Bean-to-Bar“ kennen, von der Kakaobohne bis zur Schokoladentafel. Anschließend geht’s mit Schürze und Schneebesen in die Küche, um aus Butter, Glukose, Schlagsahne und Kuvertüre Trüffelmasse herzustellen. Am Ende nimmt jeder eine gut gefüllte Tüte Süßstoff mit nach Hause, die bedruckt ist mit dem Motto des Tages: „Satt heißt nicht, dass keine Schokolade mehr reinpasst.“

  • Die Adoratio Schokoladenkunst findet man in Pirna Grohmannstraße 10/11 sowie am Markt, Kirchgasse 1; außerdem in Struppen/Thürmsdorf, Am Schlossberg 2, Telefon 035021 99648.
  • Noch mehr lokale Produkte, kulinarische Köstlichkeiten und Manufakturwaren aus Sachsen finden Sie in den DDV-Lokalen und im Onlineshop unter www.ddv-lokal.de/manufakturen/kulinarisches-aus-sachsen