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Das Vogtland erwartet eine ganze Serie kleiner Erdbeben

Die Geologen messen die Beben, seit 2006 hat es im Vogtland nicht mehr so gebebt. Vor allem der Boden unter Klingenthal kommt nicht zur Ruhe. Und es werden weitere spürbare Erdstöße erwartet.

Von Stephan Schön
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Etwa 800 Erdbeben wurden in den vergangenen fünf Wochen im Vogtland registriert. Viele waren  zu spüren, einige sogar zu hören.
Etwa 800 Erdbeben wurden in den vergangenen fünf Wochen im Vogtland registriert. Viele waren zu spüren, einige sogar zu hören. © Symbolbild: dpa/Oliver Berg

Dresden/Klingenthal. Der Boden unter Klingenthal kommt nicht zur Ruhe. Auch fünf Wochen nach Beginn der heftigen Schwarmbeben halten diese nach wie vor an. Die Messgeräte haben seitdem etwa 800 Erschütterungen registriert. 22 mal hatten die Beben eine Stärke von 1,5 oder mehr auf der Richterskala. „Sie waren damit zu spüren“, sagte Lutz Sonnabend vom sächsischen Landeserdbebendienst am Montagnachmittag der SZ. Drei heftige Erdstöße gab es darunter. Der letzte war vergangenen Donnerstag und hatte wiederum die Stärke 2,7. So viel wie Anfang April schon mal, und davor aber fast 20 Jahre nicht. Es sei gut möglich, dass dies noch Wochen so anhalte, sagt Lutz Sonnabend. „So etwas kann vier Tage, oder aber auch Monate dauern.“ Vorhersagen dazu gibt es nicht.

Eine Magmablase in 28 bis 30 Kilometern Tiefe soll dafür der Auslöser sein. Sie erhitzt Flüssigkeiten und Gase, die es dann durch Spalten im Gestein nach oben treibt. Hinzu kommen auch Spannungen in der Erdkruste, die sich an dieser Stelle entladen, erklärt der Geowissenschaftler. All das findet in einer Tiefe von nur acht bis zehn Kilometern statt, für Erdbeben ist das extrem flach unter der Erdoberfläche. Was in dieser Region dazu führt, dass bereits Erdbeben der Stärke 1,5 wahrgenommen werden. So als ob ein vorbeifahrender Laster Schwingungen auslösen würde. Bei der Stärke 2,7 sei zudem ein Knall zu hören an einem ruhigen Ort oder im Keller des Hauses,

Historisch gab es in der Region Klingenthal schon mal Beben der Stärke 5,5. „Dies ist auch künftig wieder möglich.“ Das Vogtland liegt in der Erdbeben-Risikozone 1, Gera bereits in der Zone 2.

Erst Mitte März war im Raum Klingenthal ein neues Messnetz vom GFZ und dem Landesumweltamt (LfULG) in Betrieb gegangen. gerade noch rechtzeitig, um diese ungewöhnliche Bebenaktivität nun zu beobachten. "Das war ein echt glücklicher Umstand" den Lutz Sonnabend zu schätzen weiß

Dieser Erdbebenschwarms hatte bereits am 18. März begonnen hatte, teilte das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie mit.

Die Tiefe des Erdbebenherdes von Klingenthal ist mit elf Kilometern global gesehen sehr flach, aber für die Region typisch. Deshalb werden die Erdbeben hier schon bei so geringen Stärken deutlich spürbar. Das Beben von Mittwoch war in einem Umkreis von 40 bis 70 Kilometern wahrzunehmen, zum Beispiel durch klirrende Gläser im Schrank oder leichte Erschütterungen des Bodens. Seit dem vergangenen Wochenende hat sich die Erdbebentätigkeit nochmals verstärkt, teilen die Geologen des Landesamtes mit. Sie besitzen ein weit verzweigtes Messnetz mit an die 40 Stationen in ganz Sachsen.

Der aktuelle Erdebenschwarm hat erheblich mehr Energie freigesetzt als alle anderen seit 2006. Die Region Klingenthal war im vergangenen Jahrhundert zwar immer wieder aktiv. Seit 2000 galt sie jedoch als „unauffällig“, wie das Landesamt für Geologie mitteilte. Die Bebenaktivität fand in den vergangenen Jahrzehnten vor allem im angrenzenden tschechischen Gebiet bei Novy Kostel statt. Die Geologen des Landesamtes gehen nun aber davon aus, dass weitere Beben bei Klingenthal folgen werden. „Es handelt sich offenbar um eine langperiodische, seismische Aktivität mit Wiederkehrraten von mehreren Jahrzehnten“, heißt es in einer Mitteilung dazu.

Inbetriebnahme der Messstation an der Bohrung S2 Tisova/Klingenthal: Die Wissenschaftler vom Geoforschungszentrum und der Uni Potsdam testen die Datenerfassung.
Inbetriebnahme der Messstation an der Bohrung S2 Tisova/Klingenthal: Die Wissenschaftler vom Geoforschungszentrum und der Uni Potsdam testen die Datenerfassung. © Torsten Dahm/GFZ

Bohrungen und Spezialgeräte des GFZ brachten nach mehreren Jahren Forschung dann 2021 etwas Klarheit darüber, was dort im Erdinneren unter dem deutsch-tschechischen Grenzgebiet vor sich geht. Drei Magmakammern werden unter dem Gebiet vermutet. Mindestens eine davon ist aktiv. Das heißt, Magma brodelt dort und heizt die Umgebung auf. Auslöser für die Beben sind dann heiße Flüssigkeiten und Gase, die durch Gesteinsspalten in der Erdkruste aufsteigen.

Von einer vulkanischen Gefahr gehen die Geologen derzeit nicht aus. Aber Beben der Stärke 5 halten sie für möglich. Das stärkste gemessene Beben im Vogtland war Mitte der 80er Jahre mit der Stärke 4,6. Historisch nachgewiesen wurde das von 1872 mit der Stärke 5,5.