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19 Prozent Gastro-Steuer in Pirna: "Der größte Fehler, den die Politiker machen konnten"

Gastronomen in der Region Pirna kritisieren die Entscheidung, die für die Corona-Zeit gesenkte Mehrwertsteuer wieder anzuheben.

Von Mareike Huisinga
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Marcus Galle, Inhaber vom Restaurant  Canaletto in Pirna,  kritisiert die Entscheidung der Politiker, die Mehrwertsteuer in der Gastrobranche wieder anzuheben.
Marcus Galle, Inhaber vom Restaurant Canaletto in Pirna, kritisiert die Entscheidung der Politiker, die Mehrwertsteuer in der Gastrobranche wieder anzuheben. © Daniel Schäfer

Steak au four, Schweinebraten in Soße, Schnitzel oder doch lieber Forelle? Egal, wie die Wahl des Gastes im Restaurant ausfällt: Essen gehen wird im kommenden Jahr voraussichtlich noch mal deutlich teurer. Die Ampel-Koalition hat sich nach Angaben der Chefhaushälter von SPD, Grünen und FDP darauf verständigt, die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie ab dem 1. Januar wieder auf 19 Prozent anzuheben. Aktuell werden Speisen in der Gastronomie mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt.

Auch Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt und bei der Lieferung werden grundsätzlich mit sieben Prozent besteuert. Um die Gastronomie während der Corona-Pandemie zu entlasten, war der Steuerersatz auch für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Danach wurde die Regelung wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende dieses Jahres.

Der Aufschrei in der Gastrobranche lässt nicht auf sich warten, wie Sächsische.de feststellte.

"Gastronomie steht unter Druck"

Marcus Galle aus Pirna findet jedenfalls sofort klare Worte: "Das ist der größte Fehler, den die Politiker machen konnten", sagt der Inhaber vom Restaurant "Canaletto", der "Schloßschänke" und des "Schloßcafés". Die Gastroszene stünde ohnehin schon unter enormen Druck. Seine Stichworte sind: gestiegene Personalkosten, Fachkräftemangel, Energiekrise und Inflation. Er hat nachgerechnet: Um die Rendite eines Restaurants auf gleichem Niveau zu halten, müssten die Preise von Speisen um 21 Prozent erhöht werden, die Preise für Getränke müssten um 8,8 Prozent angehoben werden. Es sei nicht auszuschließen, dass Gäste wegbleiben. Sein Fazit: "Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent ist eine Katastrophe."

Ebenso kritisiert Franz Philip Seidel vom Restaurant "Lazy Laurich" die vorgesehene Anpassung der Mehrwertsteuer. "Das ist natürlich schlecht für die Gastrobranche", sagt er und spricht in diesem Zusammenhang von einer großen Herausforderung. Welche konkreten Auswirkungen die Entscheidung für das "Lazy Laurich" habe, könne er derzeit noch nicht sagen.

Brückenschänke-Wirtin: Entscheidung nicht überlegt

Ähnlich schätzt es Barbara Motz, Inhaberin des Hotels und Restaurants "Brückenschänke" in Sebnitz, ein. Sie spricht von einer kompletten Fehlentscheidung. Vorgesehen in ihrem Hause war eigentlich, den Mitarbeitern einen Inflationszuschlag auszuzahlen. "Das ist erstmal auf Eis gelegt, weil ich jetzt neu kalkulieren muss", sagt die Chefin. Ob jetzt das große Restaurantsterben beginnt, kann sie nicht sagen. Aber sie bemerkt bereits jetzt schon, dass weniger Gäste das Restaurant nutzen. "Wir haben zwar Übernachtungsgäste, die aber immer mehr zur Selbstversorgung tendieren. Das sehen wir an dem Müll, der in dem Zimmern bleibt. Oftmals sind es To-Go-Verpackungen. Manche Gäste gehen sogar mit Bierkästen aufs Zimmer", beschreibt Motz die Situation. Auch befürchtet sie, dass das Thema Nachhaltigkeit unter einer höheren Mehrwertsteuer leidet. "Viele Restaurants beziehen ihre Lebensmittel aus der Region und setzen auf Biobranche. Man muss schauen, ob man sich als Unternehmer dann das noch leisten kann." Folglich sei die Erhöhung auch vor diesem Hintergrund nicht überlegt.

Kritik auch von Dehoga Sachsen

Axel Klein, Chef des Dehoga-Landesverbands in Sachsen, schließt sich der Kritik an. "Fatal" sei das Signal für die Bürger, denn nicht nur Essen gehen werde teurer, sondern die Essensversorgung überhaupt in Kantinen, Pflegeheimen oder anderen Einrichtungen. Laut Klein müssten zum Beispiel Eltern mit Kindern im kommenden Jahr 130 Euro mehr für Kitaessen oder Schulessen pro Kind aufbringen. "Diese Entscheidung zeigt aber auch die mangelnde Wertschätzung für das mittelständische Unternehmertum, welches das Rückgrat der Wirtschaft ist", so Klein. Es gehe nicht um Subventionen, sondern um eine Steuerungerechtigkeit, "die wir seit 30 Jahren bekämpfen".

Kreiselternrat besorgt: Schulspeisung wird teurer

Auch die Kreiselternratsvorsitzende Dana Book ist besorgt. "Wir hoffen, dass es eine Ausnahmeregel für Schulessen im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gibt." Das Schulessen sei eine grundlegende Daseinsvorsorge. "Wir haben Kinder in Schulen, für die das Schulessen die einzige Chance auf ein gesundes und ausgewogenes Essen ist. Es gibt zwar Bildung und Teilhabe, aber dies nutzen nicht alle der Berechtigten", führt sie aus und meint damit finanzielle Hilfe für Bedürftige. Hinzu kämen Familien, die nicht berechtigt sind, für die aber die Finanzierung des Schulessens durchaus eine Herausforderung darstelle. "Besonders bei mehreren Kindern an Schulen sowie für Alleinerziehende", so Book.

Für diese Familien seien Essenspreise von mehr als vier Euro gegebenenfalls eine Herausforderung. "Eine Steigerung um jetzt zwölf Prozent ergeben bei vier Euro einen Mehrpreis von 48 Cent. Im Jahr bedeutet dies eine Mehrbelastung von 120 Euro", rechnet die Kreiselternratsvorsitzende vor. Sie plädiert eindringlich dafür, die Attraktivität von Schulessen zu stärken, um den Kindern und Familien ein gutes Angebot zu machen. Das Schulessen müsse bezahlbar bleiben. "Auch, um ein Angebot gegen Fastfood, wenig ausgewogene oder ungesunde Ernährung aus dem Supermarkt zu machen. Die Chipstüte ersetzt kein warmes Mittagessen", warnt Dana Book, die aber ebenso die Sozialität bei dem Thema Essen im Auge hat. "Neben dem Preis sind andere Faktoren wichtig, wie zum Beispiel Raum und Platz, wo die Schüler gerne zusammenkommen, um gemeinsam eine Mahlzeit einzunehmen und sich unterhalten können. "