Leben und Stil
Merken

Dresden, Erzgebirge oder Vogtland – welcher Stollen ist der beste?

Drei Stollenverbände gibt es in Sachsen, aber die meisten kennen nur den Dresdner. Der schneidet aber bei unserer Verkostung gar nicht mal so gut ab.

Von Susanne Plecher
 8 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Drei Stollenverbände in Sachsen, drei Stollenexemplare. Luisa Zenker verkostet sie alle.
Drei Stollenverbände in Sachsen, drei Stollenexemplare. Luisa Zenker verkostet sie alle. © Foto: SZ/Veit Hengst

Stollenverkostung im Haus der Presse in Dresden. Es geht dieses Mal nicht darum, welcher Dresdner Christstollen der beste ist. Denn Sachsens Stollenlandschaft hat viel mehr zu bieten. 850 backende Betriebe gibt es im Freistaat, vom Großbäcker mit mehreren Hundert Mitarbeitern bis zum kleinen Dorfbäcker um die Ecke. „Und jeder hat sein eigenes Stollenrezept“, sagt Manuela Lohse, Chefin der Bäckerinnung. „Der Stollen gehört bei uns zum Kulturgut.“ Drei Verbände überwachen mit Argusaugen die Qualität der Striezel.

Da wir nicht 850 Stollen verkosten lassen können, liegt nun stellvertretend ein Exemplar aus jedem Verbandsgebiet in kleinen Häppchen auf einem Teller. Ein Stollen stammt von der Bäckerei Eisold aus Radeberg, Mitglied des Schutzverbandes Dresdner Stollen. Der zweite Stollen kommt von der Bäckerei Nönnig aus Ehrenfriedersdorf, Mitglied des Verbandes Erzgebirgischer Weihnachtsstollen. Auf dem dritten Teller liegen Häppchen des Vogtlandstollens von Jörg Schürer aus Morgenröthe-Rautenkranz. Welcher schmeckt den Kollegen und Gästen wohl am besten?

Rosinenanteil, Butterschicht, Höhe der Puderzuckerhaube: Schon optisch unterscheiden sich die Striezel. Der linke wurde im Vogtland gebacken, der mittlere im Erzgebirge, der rechte stammt aus Dresden.
Rosinenanteil, Butterschicht, Höhe der Puderzuckerhaube: Schon optisch unterscheiden sich die Striezel. Der linke wurde im Vogtland gebacken, der mittlere im Erzgebirge, der rechte stammt aus Dresden. © Foto: SZ/Veit Hengst

„Es gibt drei Stollenverbände in Sachsen? Das wusste ich gar nicht“, sagt Wirtschaftsredakteurin Luisa Zenker und schiebt sich ein Stollenstückchen von Teller 1 in den Mund. „Schmeckt ausgewogen, aber ist mir zu süß.“ Nummer 2 macht das Rennen. „Der ist schön fruchtig“, sagt sie.

Nächste Verkosterin: Kay Haufe aus der Stadtredaktion Dresden. Sie entpuppt sich als echter Stollenfan mit fachkundiger Bewertung von Geruch, Süße, Fruchtigkeit und Konsistenz. Ihr Favorit: Die Nummer 1. „Er ist saftig, nicht so süß, die Rosinen sind, genau wie bei Nummer 2, in Rum eingelegt“. Nummer 3 fällt bei ihr wegen des vordergründigen Vanillegeschmacks und der wenigen Rosinen durch.

Rosinenmenge ist reine Geschmackssache

Was die eine nicht mag, überzeugt den anderen. „Ich finde es am besten, wenn mit Rosinen eher dezent umgegangen wird“, sagt Tobias Hoeflich, Redakteur für Sachsen. Weiterer Pluspunkt für den Striezel Nummer 3: „Er ist nicht so süß.“

Auch für Irene Mathea aus Dresden schmeckt Nummer 3 „so, wie ein Stollen schmecken soll.“ Sie hat früher selbst welchen gebacken. Als Kind war sie manchmal dabei, wenn ihre Großmutter die fertigen Laibe zum Bäcker brachte, der sie für sie buk. „Das gab es immer zusammen: Kartoffelkuchen, Mohnstollen und Rosinenstollen“, erinnert sie sich. Zusammen mit ihrer Freundin Carmen Seipel aus Königsbrück –ihr schmeckt die Nummer 2 am besten– ist sie ins Haus der Presse gekommen, um sich die Karikaturenausstellung anzusehen.

Süß, saftig, gute Konsistenz

Auch Wissensredakteur Stephan Schön schreibt eine 3 auf sein Abstimmungszettelchen. „Der Stollen ist schön zitronatig und hat genügend Butter obendrauf“, sagt er. Fotochef Veit Hengst bricht eine Lanze für Nummer 2. „Der hat für mich die höchste Qualität, ist am ausgewogensten und kann das, was einen Stollen so nett macht: Man beißt ab und trifft eine Rosine, kaut ein bisschen weiter und hat ein Stückchen Zitronat.“

Auch Maximilian Helm, Online-Chef bei saechsische.de, legt ein Zettelchen mit einer „2“ in die Votumsschale. „Sehr lecker, sehr süß, schön saftig, beißt sich gut“, sagt er. Helm ist im Harz aufgewachsen, aber seine Oma schickte immer Dresdner Striezel. Die Aufgabe ist jetzt ihm zugefallen. „Da ist ganz egal, ob ich zu Weihnachten nach Hause komme, Hauptsache, der Stollen ist da!“ Davon gibt es dann zu jedem Kaffeetrinken immer nur eine Scheibe. „Damit es etwas Besonderes bleibt.“

Fazit: Die Unbekannteren überraschen

Am bekanntesten ist der Dresdner Christstollen, aber in der Verkostung war er für die meisten nicht die Nummer 1. Überrascht waren unsere Tester davon, wie sehr sich die Stollen in Geschmack und Konsistenz unterscheiden, denn die Grundzutaten sind prinzipiell gleich. Nur ihre Menge und die geheime Gewürznote variieren. Am Ende haben 33 Personen ihr Votum abgegeben – und einen eindeutigen Sieger ermittelt: Gewonnen hat mit 21 Stimmen die Nummer 2, der Erzgebirgische Weihnachtsstollen von Tobias Nönnig aus Ehrenfriedersdorf. Sein Stollen wurde kürzlich auch beim Erzgebirgischen Stollentag goldprämiert. Der zweite Platz geht mit sieben Stimmen an den Vogtländischen Weihnachtsstollen von Jörg Schürer, mit fünf Stimmen knapp gefolgt vom Dresdner Christstollen der Bäckerei und Konditorei Eisold.

Das sind die drei Stollenregionen Sachsens

©  SZ-Grafik: Gernot Grunwald

1. Der Dresdner Christstollen

Der Dresdner Christstollen wird in exakt 100 Bäckereien in der und rings um die Landeshauptstadt gebacken. Das Gebiet ist eng definiert und erstreckt sich vom Sächsischen Elbtal mit Weinböhla, Moritzburg und Radebeul bis in die Sächsische Schweiz nach Heidenau und Pirna. Seit 1991 vertritt der Schutzverband Dresdner Stollen e. V. seine Stollenbäcker. „Um Mitglied zu werden, muss der ständige Unternehmenssitz im Schutzgebiet liegen und im Verbandsgebiet eine ganzjährig betriebene Backstube unterhalten werden“, teilt Eva Wagner vom Schutzverband mit.

100 Mitgliedsbetriebe in und um Dresden dürfen dieses goldene Stollensiegel verwenden.
100 Mitgliedsbetriebe in und um Dresden dürfen dieses goldene Stollensiegel verwenden. © Foto: SZ/Veit Hengst

Das Besondere: Das goldene Stollensiegel und das EU-Siegel kennzeichnen die Marke seit 2010 als geografische Herkunftsangabe innerhalb der Europäischen Union. Diese Marke tragen in Sachsen neben dem Dresdner Christstollen nur fünf weitere Produkte: der Oberlausitzer BioKarpfen, der Elbe-Saale-Hopfen, die Meißner Fummel, das Lausitzer Leinöl und der Altenburger Ziegenkäse. Die blau-gelbe Marke „Geschützte geografische Angabe“ garantiert, dass ein Produkt nach einem anerkannten, festgelegten Verfahren in einem bestimmten Gebiet hergestellt wurde.

Dieser Dresdner Stollen der Bäckerei Eisold wurde im Haus der Presse verkostet.
Dieser Dresdner Stollen der Bäckerei Eisold wurde im Haus der Presse verkostet. © Foto: SZ/Veit Hengst

Die Zutaten: Bezogen auf die Mehlmenge muss der Dresdner Striezel mindestens 65 Prozent Rosinen, 50 Prozent Butter oder Butterfett, 20 Prozent Orangeat und Zitronat sowie 15 Prozent süße und bittere Mandeln enthalten. Auch Kristallzucker, Butterschmalz, Zitronenschalenpaste, Speisesalz, Puderzucker und Stollengewürz sind in der in der Satzung des Schutzverbandes festgeschriebenen Rezeptur enthalten. „Die Verwendung von Margarine, künstlichen Aromen oder Konservierungsstoffen ist nicht erlaubt“, sagt Eva Wagner.

Die Preise: Beim Bäcker zahlen Kunden zwischen 18 und 25 Euro pro Kilogramm, im Lebensmitteleinzelhandel zwischen 7 und 9,99 Euro. „Der Preis ist im Vergleich zu 2022 stabil geblieben“, so Eva Wagner.

2. Der Erzgebirgische Weihnachtsstollen

Über das gesamte Erzgebirge verteilt sind die Stollenbäcker, die sich im gleichnamigen Stollenverband zusammentun. 2010 ist er gegründet worden, 19 Mitglieder sind aktuell darin organisiert. Sie haben ihre Backstuben von Aue bis Seiffen, von Oelsnitz bis Grünhainichen. Dass der Betrieb im Erzgebirge angesiedelt sein muss, ist nur ein Kriterium, sagt Stollenverbandspräsident Tobias Nönnig aus Ehrenfriedersdorf. Genauso wichtig ist, dass die Stollen handwerklich produziert werden. „Entscheidend dafür ist aber nicht die Größe des Betriebes, sondern wie der Teig angefasst und verarbeitet wird.“

Nur die 19 Mitgliedsbäckereien des Verbandes Erzgebirgischer Weihnachtsstollen dürfen dieses Siegel verwenden.
Nur die 19 Mitgliedsbäckereien des Verbandes Erzgebirgischer Weihnachtsstollen dürfen dieses Siegel verwenden. © Stollenverband Erzgebirge

Das Besondere: „Jeder Handwerksbäcker verwirklicht seine eigene Note“, sagt Nönnig. Der Verband gibt mit seiner Satzung zwar ein Grundgerüst vor, welche Zutaten in den Erzgebirgsstollen gehören, aber er lässt auch die Freiheit zur Interpretation. „Deshalb schmecken manche Stollen zitroniger, andere würziger. Wir reglementieren das nicht.“

Die Zutaten: Bezogen auf den Mehlanteil gehören mindestens jeweils 55 Prozent Sultaninen, 50 Prozent Butter, 15 Prozent Mandeln (süß und bitter gemischt) und 15 Prozent Orangeat und Zitronat in einen Erzgebirgischen Weihnachtsstollen. Welches Gewürz wie Macis, Vanille, Kardamom oder Muskat darüber hinaus hineindarf, ist genauso wenig wie der Zuckeranteil vorgegeben. „Aber der wird von Haus aus reguliert, denn Zucker bräunt schnell und verändert die Krume des Gebäcks“, sagt Nönnig. Marzipan, Persipan oder künstliche Aromen dürfen jedoch nicht verwendet werden.

Erzgebirgsstollen der Bäckerei Nönnig aus Ehrenfriedersdorf.
Erzgebirgsstollen der Bäckerei Nönnig aus Ehrenfriedersdorf. © Foto: SZ/Veit Hengst

Der Preis: Für den Erzgebirgsstollen zahlt man zwischen 19 und 23 Euro pro Kilogramm. Dass die Bäcker die Preise im Vergleich zum Vorjahr nahezu nicht verändert haben, obwohl Butter und Energie günstiger geworden sind, erklärt Nönnig mit der Mischkalkulation: „Am Ende muss man alle Bestandteile sehen: Zutaten, Arbeit, Transport.“ Die Hälfte des Umsatzes fließt in der Branche ins Personal, nur 20 Prozent in die Rohstoffe.

3. Der Vogtländische Weihnachtsstollen

Auch für Bäckermeister Jörg Schürer ist jeder Weihnachtsstollen etwas Besonderes. Er hat seine Backstube in Morgenröthe-Rautenkranz. Schürer ist der Präsident des Stollenverbandes Sächsisches Vogtland, der vor 25 Jahren gegründet wurde. Neun Bäcker, darunter aus Grünbach, Lengenfeld und Rodewisch, sind darin aktuell organisiert. Um Mitglied im Stollenverband zu werden, muss man eine Bäckerei im Vogtland betreiben und Mitglied der Bäckerinnung Vogtland sein.

Der Stollenverband Sächsisches Vogtland schmückt sein Siegel mit der berühmten Göltzschtalbrücke. Neun Mitglieder verwenden es.
Der Stollenverband Sächsisches Vogtland schmückt sein Siegel mit der berühmten Göltzschtalbrücke. Neun Mitglieder verwenden es. © Stollenverband Sächsisches Vogtland

Das Besondere: Auch im Vogtland liegt das Besondere in Feinheiten. Zum Beispiel, wie die Mandeln verarbeitet wurden oder mit welchem Rum die Rosinen getränkt werden. „Die Unterschiede sind gar nicht so gravierend“, so Schürer.

Die Zutaten: Bezogen auf den Mehlanteil gehören jeweils 50 Prozent Fett in Form von Butter oder Butterschmalz, 20 Prozent Zucker, 30 Prozent Mandeln, 60 Prozent Rosinen und 25 Prozent kandierte Früchte in den Vogtländischen Weihnachtsstollen. „Und nicht zu vergessen: ganz viel Liebe“, sagt Schürer.

Vogtlandstollen vom Schürer-Bäck aus Morgenröthe-Rautenkranz.
Vogtlandstollen vom Schürer-Bäck aus Morgenröthe-Rautenkranz. © Foto: SZ/Veit Hengst

Der Preis: Im Vogtland haben die Bäcker die Preise im Vergleich zum vergangenen Jahr um fünf bis sieben Prozent angehoben. Pro Kilogramm zahlt man nun 20 bis 21 Euro.