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Grünes Gewölbe Dresden: Es gibt bislang wenig Belastendes

Im Beihilfe-Prozess gegen einen jungen Spross des Remmo-Clans kommen zwar interessante Details ans Licht, klare Beweise gegen den Angeklagten bislang jedoch nicht.

Von Alexander Schneider
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Der Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens zählt zu den im Grünen Gewölbe Dresden gestohlenen Beutestücken, die im Dezember 2022 zurückgegeben wurden. Im Beihilfe-Prozess am Landgericht Dresden spielte die Rückgabe der restlichen Beute bislang kein
Der Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens zählt zu den im Grünen Gewölbe Dresden gestohlenen Beutestücken, die im Dezember 2022 zurückgegeben wurden. Im Beihilfe-Prozess am Landgericht Dresden spielte die Rückgabe der restlichen Beute bislang kein © Foto: SKD Dresden

Was haben die Beamten der "Sonderkommission Epaulette" nicht alles aufgefahren, um die familiären Strukturen der Berliner Großfamilie namens Remmo zu erhellen - Observationen, Telefonüberwachungen, wiederholte Durchsuchungen, Haftbefehle. Es gab genug Beweise, um fünf Angeklagte für den Einbruchdiebstahl ins Grüne Gewölbe zu Geständnissen zu bewegen und zu verurteilen. Nummer 6 wurde in Ermangelung eines Nachweises, dass er überhaupt dabei gewesen sein könnte, freigesprochen. Und Nummer 7 kämpft seit Anfang des Jahres in einem zweiten Prozess vor einer anderen Jugendkammer des Landgerichts Dresden um einen Freispruch vom Beihilfe-Vorwurf.

Er soll drei der Haupttäter in der Nacht des Einbruchs am 25. November 2019 durch Berlin kutschiert haben, um sie in Tempelhof zu ihren Tatautos zu bringen. Dazu war es wegen einer überraschenden Verkehrskontrolle gegen 23 Uhr mitten in Berlin jedoch nicht mehr gekommen. Der 24-jährige Fahrer des VW Golf – Bruder von Bashir Remmo (27), einem der verurteilten Haupttäter – habe in der Folge seine Insassen eher als geplant abgesetzt und sei alleine durch Berlin gefahren, möglicherweise um die ihn verfolgenden Zivilstreifen der Polizei abzulenken.

OLG bestätigt dringenden Tatverdacht

So stellt die Staatsanwaltschaft Dresden in ihrer Anklage den Beihilfe-Vorwurf dar. Der dringende Tatverdacht wurde 2022 auch vom Oberlandesgericht geteilt, als sich die dortigen Richter mit der dreiwöchigen Untersuchungshaft des 24-Jährigen befassen mussten. Ergebnis: Für die Haft gab es keinen Anlass, aber bei der mutmaßlichen Beihilfe handelt es sich um eine ernste Sache.

Hat der Angeklagte also "nur" seine Brüder und Verwandten durch die Stadt gefahren? Oder wusste er genau, was sie vorhaben? Darum geht es im Kern in der langen Beweisaufnahme, die Jugendkammer hat insgesamt 37 Verhandlungstage bis Juni dieses Jahres vorgeplant.

Bislang kamen wenig Indizien zur Sprache, die den jungen Mann schwer belastet hätten. Am Mittwoch berichtete etwa ein Soko-Ermittler, der Kontos und Finanzen der verdächtigen Remmos ausgewertet hatte, dass auch die Geldströme des 24-Jährigen „nichts Ungewöhnliches“ zutage gefördert hätten. Wieder ein Punkt für den Remmo-Spross.

Ein anderer Ermittler berichtete von der zweiten Durchsuchung beim Angeklagten im Mai 2022. Auch da wurde kein Beweis gefunden. Allerdings habe der Vater des Angeklagten ein Tablett-Computer gehabt, der angeblich "nur zum Spielen" sei, wie der Mann ausgesagt habe. Die Polizei fand auf dem iPad jedoch Teile der Verfahrensakte gefunden. Wie die dahin gelangt war - man weiß es nicht. Der 24-Jährige wusste zu diesem Zeitpunkt jedoch schon lange, dass gegen ihn ermittelt wird.

Schon vor einer Woche hatte ein Ermittler ausgesagt, dass der Angeklagte der einzige der Beschuldigten gewesen sei, "der einer geregelten Arbeit nachging". Das macht er bis heute. Nach Informationen von Sächsische.de ist er auch nicht vorbestraft, was ihn ebenfalls deutlich von allen anderen bisher bekannten Mitbeschuldigten unterscheidet.

Gesicherte Chats, abgehörte Ex-Verlobte

Viele Indizien sind auch nach Zeugenvernehmungen eine Interpretationssache. So hatte der Angeklagte am frühen Morgen des 25. November 2019 etwa in einer Shisha-Bar gesessen, weil er sich nicht nach Hause getraut habe. Er chattete mit Freunden, er habe Angst, die Polizei könnte noch in der Nacht die Wohnung durchsuchen, in der er mit seinen Eltern, den zwei Brüdern und vier Schwestern lebte. Ein Freund beruhigte ihn, die Polizei käme doch nicht nachts.

Der Angeklagte schrieb in jener Nacht in der Shisha-Bar aber auch Sätze über die Polizei wie "Die lassen uns ja nicht in Ruhe" oder über seine Insassen "Ich bin alleine weggefahren, damit die ihre Ruhe haben". Wusste er also von dem geplanten Einbruch in Dresden? Oder ahnte er zumindest, dass seine Leute etwas vorhatten? Oder hat er einfach etwas daher geraunt, weil die Remmos möglicherweise immer mit der Polizei auf Kriegsfuß stehen? Immerhin hatte die Polizei im Kofferraum des Golfs Einbruchswerkzeug gefunden. Es ist vieles denkbar.

Ähnlich verhält es sich mit Aussagen abgehörter Telefonate von Bashirs Ex-Verlobter (27) mit ihrer Tante (38) am Tag der Verhaftung von drei der später geständigen Täter. Die Polizei hatte am Morgen des 17. November 2020, ein knappes Jahr nach dem Einbruch, in Berlin-Kreuzberg und -Neukölln 18 Wohnungen, Garagen und Fahrzeuge durchsucht, fünf Verdächtige verhaften wollen, aber nur drei bekommen. Die Frauen machten sich an diesem Tag darüber Gedanken, dass Bashir seinen beiden Brüder möglicherweise auch als Dieb ein Vorbild sei und sie ihm nacheiferten. Bashir ist jedoch zumindest der Justiz nicht als Dieb bekannt, wohl aber wegen Handels mit Kokain vorbestraft.

"Weißt Du, was das bedeutet?"

Die beiden Telefonate wurden nach 15 Uhr geführt. Zu dieser Zeit flimmerten schon seit Stunden Livebilder über den bis dahin größten Polizeieinsatz Berlins mit mehr als 1.600 beteiligten Beamten über die Fernseher und durch soziale Medien. Aus den Äußerungen der Ex-Verlobten wie "Stell dir mal vor: 1.600 Polizisten! Weißt Du, was das bedeutet?" lässt sich schließen, dass die Frauen die Zahlen aus Medienberichte kannten.

Problematischer könnten sich für den Angeklagten jedoch seine eigenen Internetspuren erweisen. Suchabfragen etwa, gezielt nach Einbrüchen, werthaltiger Beute oder dem „Lahmlegen“ von Infrastruktur. "Objekte mit Bargeld", "mit was Panzerglas durchbrechen", "Hydraulikpresse", "wann werden Ermittlungsverfahren eingestellt" und, ganz nah am Einbruch ins Dresdner Residenzschloss: "Strom lahmlegen" lauteten etwa sichergestellte Formulierungen. Die Täter hatten das Grüne Gewölbe von der Energieversorgung abschneiden wollen, indem sie einen Brand im nahen Pegelhaus der Augustusbrücke legten.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt, nun auch mit Zeugen aus dem Grünen Gewölbe und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD).