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Heroin-Prozess in Dresden: Polizei offenbart Ermittlungspannen

Der größte Heroin-Schmuggel in Deutschland wird am Landgericht Dresden verhandelt. Ein BKA-Beamter wurde nun stundenlang als Zeuge befragt und offenbarte Erstaunliches.

Von Gunnar Klehm
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Einer der fünf Angeklagten im Heroinschmuggler-Prozess wird in den Verhandlungssaal geführt. Am Landgericht Dresden wird unter besonderen Sicherheitsauflagen verhandelt.
Einer der fünf Angeklagten im Heroinschmuggler-Prozess wird in den Verhandlungssaal geführt. Am Landgericht Dresden wird unter besonderen Sicherheitsauflagen verhandelt. © Foto: SZ/Veit Hengst

Da wurden die Strafverteidiger der fünf Angeklagten einer mutmaßlichen Heroin-Schmuggler-Bande hellhörig. Eine Richterin habe das Bundeskriminalamt angewiesen, aufgrund einer internen Panne jene Daten wieder zu löschen, die drei Wochen lang beim Abhören der Angeklagten angefallen waren. Ob das den Ausgang des Prozesses beeinflussen wird, ist unklar.

Seit Monaten wird bereits am Landgericht Dresden verhandelt. Ein Ende ist noch in weiter Ferne, bis Juli 2024 sind bereits 22 weitere Verhandlungstermine anberaumt. Die Staatsanwaltschaft wirft den fünf Angeklagten sowie weiteren, noch nicht identifizierten Tatbeteiligten vor, in drei Fällen in den Jahren 2021 und 2022 insgesamt mehr als zwei Tonnen Heroin nach Deutschland und von dort in die Niederlande geschmuggelt zu haben. Das ist die größte Menge, die in Deutschland je ermittelt wurde.

Bei der dritten Lieferung flog der Drogenhandel in einem Gewerbegebiet in Grumbach bei Dresden auf. In den ersten beiden Fällen sollen jeweils mehr als sieben Millionen Euro mit dem Weiterverkauf erzielt worden sein. Noch konnte nicht ermittelt werden, an wen die Millionen geflossen sind. Neben der Lagerhalle eines sächsischen Handelsunternehmens in Grumbach soll auch eine in Geringswalde als Umschlagplatz für die Drogen genutzt worden sein.

Fahrzeug im Ausland überwacht

Vor Gericht war nach den Einlassungen von vier der fünf Angeklagten nun als erster Zeuge ein ermittelnder Beamter des Bundeskriminalamtes (BKA) geladen. Mehr als neun Stunden lang sagte er aus und wurde befragt. Dabei musste der Kriminalhauptkommissar einräumen, dass es zu einer Ermittlungspanne gekommen war.

Zum Fahndungserfolg gegen die jetzt fünf Angeklagten trug die Zusammenarbeit von Polizeibehörden mehrerer europäischer Länder bei. Die mutmaßlichen Täter stammen aus der Türkei, Deutschland und dem Iran. Ein zentrales Element dafür, dass sie ermittelt werden konnten, war die Überwachung eines Fahrzeugs in den Niederlanden. Das habe das BKA mit den Kollegen des Nachbarlandes abgesprochen und die Technik für die Innenraumüberwachung in dem A-Klasse-Mercedes selbst verbaut.

So konnten wichtige Gespräche der Insassen sowie im Auto geführte Telefongespräche abgehört und dokumentiert werden. Allerdings sei die Genehmigung für die Überwachung abgelaufen, bevor einer Verlängerung der Maßnahme von niederländischer Seite zugestimmt wurde. Für eine Zeitspanne von drei Wochen soll es keine Genehmigung gegeben haben. Das Ablaufdatum sei schlecht übermittelt worden, hieß es.

Das führte nun dazu, dass besagte Richterin in Deutschland die Löschung der in dieser Zeit erfassten Daten angeordnet habe. Wie wertvoll die gelöschten Daten waren, kann nicht geklärt werden. Und das ist nicht das einzige Problem, mit dem die ermittelnden Beamten zu kämpfen hatten.

Drogen als Bioseife getarnt

Auf die Spur des Drogenschmuggels kamen die Ermittler, weil das BKA einen Tipp von einer Vertrauensperson erhalten hatte, der die Geheimhaltung ihrer Identität zugesichert wurde, wie der BKA-Beamte aussagte. Demnach sei von einem Heroin-Depot die Rede gewesen, das mehrere hundert Kilogramm umfassen sollte.

Alsbald kam man den ersten, der nun angeklagten Personen nach dem Schmuggel der ersten Lieferung auf die Spur. Beinahe wäre es sogar gelungen, die zweite Lieferung - jeweils mit mehr als 600 Kilogramm Heroin - auffliegen zu lassen. Dort waren Täter aber schneller als die Polizei.

Getarnt war das Heroin als Bioseife. Diese sei per Seefracht aus dem Iran gekommen. Um die Herkunft zu verschleiern, sei die Fracht über Dubai und Indien mit gefälschten Frachtpapieren in den Hafen von Hamburg in einem Container angekommen. Ein Handelsunternehmen aus Grumbach soll die Einfuhr nach Deutschland abgewickelt haben. Von dort sei das Heroin dann zu einem Abnehmer in den Niederlanden gebracht worden.

Röntgengerät versagt

Das BKA hatte zwar bei der zweiten Lieferung den Schmuggel-Container im Visier. Beim Röntgen des Containers konnten jedoch keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Als später ein Teil der Seife an einen Abnehmer in Großbritannien gehen sollte, ohne dass es dafür eine Bestellung gegeben habe, sei es dem BKA gelungen, den Transport mit einem verdeckten Ermittler abzuwickeln.

Doch ausgerechnet in jenem Transport war tatsächlich nur richtige Seife. Die Packungen mit Heroin wurden von den Tätern offenbar schon vorher entnommen, wie einige der Angeklagten bereits ausgesagt haben.

Zielort des dritten Transportes war die Lagerhalle in Grumbach. Dieses mal ließ das BKA den Container mit Gerichtsbeschluss bereits vor Auslieferung im Hafen Hamburg öffnen. Auf drei von zwölf Paletten wurde hochreines Heroin gefunden. Die jeweils 200 Gramm wiegenden Pakete seien foliert und außen mit einer bienenwachsähnlichen Substanz versehen gewesen, erklärt der BKA-Beamte vor Gericht. Mehrfach habe man bei der Durchsuchungsaktion getestet, ob das speziell eingesetzte Röntgengerät das Heroin anzeigt. Das sei nicht der Fall gewesen, erklärte der Beamte.

Zwischenfall in Grumbach

Das Heroin habe die Polizei "spurenschonend" entnommen und durch Katzenstreu ersetzt, damit das ursprüngliche Gewicht des Containers wieder erreicht wurde. Außerdem wurde Überwachungstechnik installiert. Die gesamte Aktion habe Stunden gedauert. Derweil habe es bereits den Hinweis gegeben, dass einer der Haupttäter aus der Türkei in Brüssel gelandet sei und auf dem Weg nach Hamburg sein könnte.

Beinahe wäre es bei der von der Polizei manipulierten Lieferung nach Grumbach zu einer anderen Panne gekommen. Allerdings ohne Mitwirken der Polizei. Beim Entladen der Paletten habe ein offenbar ahnungsloser Mitarbeiter eines der Pakete derart beschädigt, dass Granulat herausrieselte. Das führte aber noch nicht dazu, dass die verdeckte Polizeiaktion aufgeflogen war.

Erst als dann später der nun mitangeklagte Dresdner Kaufmann die Ware im Lager begutachtete und die Überwachungstechnik entdeckte, war die Polizeiaktion zwar aufgeflogen, aber die Beamten waren sehr gut vorbereitet. Ein Sondereinsatzkommando stürmte an jenem 8. September 2022 die Lagerhalle und nahm Torsten N. fest. Anwohner erinnerten sich an lautes Getöse. Fenster und Türen wurden beim Zugriff eingeschlagen.

Parallel dazu wurden zwei Tatverdächtige in den Niederlanden und einer in einem Hotel in Spanien festgenommen. Der fünfte Angeklagte, der in Bad Gottleuba-Berggießhübel wohnte, kam kurze Zeit später ebenfalls in Haft.

Kokain in Kaffeelieferung

Danach ist es laut Zeugenaussage zu einer weiteren Ermittlungspanne gekommen. Das Telefon des in Spanien Festgenommenen hätten Beamte dort offenbar unvermittelt der Ehefrau ausgehändigt. Seitdem sei es verschollen.

Der Polizei zufolge kommunizierten die Angeklagten teilweise verschlüsselt. Dabei soll die App Silent Phone genutzt worden sein. Drei bei der Festnahme in den Niederlanden aufgefundene iPhones konnten die Ermittler bis heute nicht öffnen. Lediglich bei dem Handy des Dresdner Kaufmanns sei man damit erfolgreich gewesen. Die darauf gefundenen Nachrichten spielen eine maßgebliche Rolle in dem Fall. Eine Überwachung des E-Mail-Verkehrs habe es ebenfalls gegeben.

Lediglich angedeutet wurde von dem BKA-Beamten im Zeugenstand, dass die Polizei in weiteren Fällen von Drogenschmuggel in großem Stil ermittelt, bei denen es Verbindungen zu den Angeklagten geben könnte. Zum einen gehe es um Kokain, das in Kaffee aus Südamerika geschmuggelt worden sein soll und Heroin in Bitumen, dass auf einer Route über Georgien transportiert worden sein könnte. Zudem vermutet die Polizei, dass auch in Transporten mit Travertinsteinen Heroin geschmuggelt worden ist.

In den abgehörten Gesprächen der jetzt Angeklagten soll eine Kaffeelieferung zur Sprache gekommen sein. Auch in Grumbach soll eine Kaffeelieferung erwartet worden sein. Laut BKA-Beamten habe diese aber nie sichergestellt werden können und gilt als im arabischen Raum verschollen.

Sich mit weiteren Taten zu beschäftigen, blockte der Richter aber sofort ab. Diese Ermittlungen der Polizei sollten im aktuellen Verfahren nicht auch noch eingeführt werden, hieß es. Der jetzt schon außergewöhnlich umfangreiche Prozess wird in der kommenden Woche in Dresden fortgesetzt.