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Morgenlage in Sachsen: Pulverfabrik, Stellenplus im Staatsdienst, Kohle-Protest

Pulverfabrik: Kretschmer schlägt Bürgerentscheid vor + Tausende neue Stellen im Staatsdienst + Protest gegen weitere Kohle-Abbaggerung geplant

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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer will die Bürger über eine mögliche Ansiedlung einer Rüstungsfabrik in Großenhain abstimmen lassen. Ist das der richtige Weg?
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer will die Bürger über eine mögliche Ansiedlung einer Rüstungsfabrik in Großenhain abstimmen lassen. Ist das der richtige Weg? © dpa

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Guten Morgen,

ein Großinvestor ist wie ein scheues Reh. Wird zu früh über seine Pläne gesprochen, droht er sich in den geschützten Wald zurückzuziehen, bis die Aufregung sich ein wenig gelegt hat und die Verhandlungen diskret und geschützt weitergeführt werden können. Oder er zieht sich gleich ganz von seinen Plänen zurück.

Im Fall der Pulver-Fabrik des größten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall, der auf dem alten Militärgelände des Flughafens Großenhains eine Pulver-Fabrik mit 500 bis 600 Arbeitsplätzen bauen könnte, ist es deutlich anders gelaufen: Seit Wochen ist das Projekt in der Öffentlichkeit und es gibt in Sachsen durchaus Widerstand dagegen.

Dabei ist gerade bei dieser Investition ein offener Angang besser, als Gespräche ausschließlich in Hinterzimmern zu führen. Denn es geht um viel: Nicht nur um ein paar Hundert Arbeitsplätze, die – ja, so ist das in diesen unruhigen Zeiten leider – als durchaus "krisensicher" gelten.

Vielleicht geht Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auch darum in volles Risiko, wenn er jetzt einen Bürgerentscheid über das Projekt in Aussicht stellt. Sollen die Menschen in der Region doch selber entscheiden.

Das kann gut gehen – im Sinne der Großinvestition. Muss es aber nicht. Wenn die Deutschen zu einem bestimmten Zeitpunkt nach der Tausendwende hätten entscheiden dürfen, ob sie den Euro wirklich behalten wollen – wie wäre das wohl ausgegangen? Oder erinnern wir uns nur an die durchaus langwierige, zähe Ansiedlungsgeschichte der Gläsernen VW-Manufaktur in Dresden. Und was würde wohl dabei herauskommen, wenn man an so manchem, derzeit regional besonders umkämpften Orten die Bürgerinnen und Bürger abstimmen ließe, ob ein dort geplanter Container-Standort für Flüchtlinge wirklich dort hinkommen soll oder doch nicht?

Bliebe noch die Frage: Und was sagt der neue Beauftragte des Freistaats für Großansiedlungen zum basisdemokratischen Vorstoß seines Chefs? Nun, letzeres werden wir wohl kaum jemals erfahren, dafür aber, ob Sachsen in nächster Zeit verstärkt in die Rüstungsproduktion einsteigen wird. Ein Thema mit Sprengkraft bleibt es in jedem Fall.

Ich wünsche Ihnen ein ruhiges, erholsames und sonniges Wochenende,

herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion Sächsische.de

Pulverfabrik: Kretschmer für Bürgerentscheid

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat sich für einen Bürgerentscheid im Falle der möglichen Ansiedlung einer Pulverfabrik des Rüstungskonzerns Rheinmetall ausgesprochen. Der Großenhainer Stadtrat hatte die Pläne zuletzt kritisiert. "Wenn die Bürger nein sagen, wird das nicht dort stattfinden", sagte der Regierungschef bei einem Bürgerdialog in Limbach-Oberfrohna. Ein Einwohner hatte Kretschmer gefragt, ob er sich für eine Ansiedlung in der Region aussprechen würde. "Im Zweifel müssen wir erst einen Bürgerentscheid machen", sagte Kretschmer. Er warb jedoch um Verständnis für eine mögliche Pulverfabrik in Sachsen. Der Chef der Linksfraktion im Landtag, Rico Gebhardt, reagiert auf Twitter.

Zahl der Landesbediensteten wächst auf Rekordstand

Die Zahl der Beschäftigten im sächsischen Landesdienst wird bis 2024 auf einen neuen Rekordstand steigen. Das geht aus dem aktuellen Stellenentwicklungsbericht von Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) hervor. Demnach schafft der Freistaat dieses und nächstes Jahr insgesamt 2.352 zusätzliche Stellen, deren Gesamtzahl damit künftig auf 96.491 ansteigen wird – so viel wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Neben neuen Stellen in Schwerpunktbereichen wie Bildung und innere Sicherheit gibt es zusätzlich einen Aufwuchs im Verwaltungsapparat. So wird die Landesdirektion Sachsen 100 weitere Stellen erhalten, die Stellenzahl im Geschäftsbereich der Staatskanzlei wächst von bisher 972 auf zukünftig 1.123. Beim Justizministerium beträgt das geplante Stellenplus 324 und beim Umwelt- und Agrarministerium insgesamt 146 Stellen. Es handelt sich nicht um die erste Stellenaufstockung der sächsischen Regierungskoalition.

Protest gegen Kohleabbau

Umweltschützer wollen am Sonntag in der Lausitz unter dem Motto "Stoppt die Kohle im Osten" demonstrieren und eine Kundgebung abhalten. Eingeladen haben Fridays for Future und der BUND. Erwartet werden 300 bis 400 Leute. Zuletzt war ein Klimacamp in dem Ort Mühlrose, der für den Kohleabbau verschwinden soll, wieder abgesagt worden. Um gegen die Klimaproteste zu protestieren, hatten sich rund 250 Bürger versammelt und eine Menschenkette durch das alte Mühlrose gebildet. "Diese Chaoten, die da noch im Dorf campieren wollten, haben nicht verstanden, dass wir uns freiwillig zur Umsiedlung entschieden haben", sagt einer der Einwohner von Neu-Mühlrose. Einige wenige Mühlroser treten jedoch offen gegen ihre Umsiedlung ein. Unser Report über ein Dorf, was nicht gerettet werden will.

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