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Morgenlage in Sachsen: Pirna-Wahl; Wagenknecht; Kretschmer; Strukturwandel

AfD gewinnt OB-Wahl + Ehemaliger Landesvize verlässt Linkspartei + Kretschmer verteidigt Einschnitte im Sozialstaat + Strukturwandel: Astrophysik-Zentrum legt Zeitplan vor

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Jan Zwerg, Generalsekretär der AfD in Sachsen, und Sachsens AfD-Parteichef Jörg Urban gehörten zu den ersten Gratulanten von Pirnas neuem Oberbürgermeister Tim Lochner.
Jan Zwerg, Generalsekretär der AfD in Sachsen, und Sachsens AfD-Parteichef Jörg Urban gehörten zu den ersten Gratulanten von Pirnas neuem Oberbürgermeister Tim Lochner. © dpa

Guten Morgen,

wer bislang geglaubt hat, der AfD-Sieg bei der Landratswahl im Kreis Sonneberg sei ein Ausnahmefall gewesen und die Partei wegen ihrer Radikalität grundsätzlich nicht fähig, politische Partner und somit Spitzenämter zu gewinnen, sah sich gestern Abend eines Besseren belehrt. In Pirna hat die AfD deutschlandweit zum ersten Mal eine Oberbürgermeister-Wahl gewonnen - und das nicht einmal knapp, sondern deutlich. Lesen Sie dazu auch den Kommentar meines Kollegen Domokos Szabo: "Hetze darf nie normal werden". Hier sind außerdem die Reaktionen zusammengefasst.

Warum dies AfD-Kandidat Tim Lochner gelang, lässt sich kühl analysieren. Er konnte erstens auf eine breite - und mittlerweile Sachsen-typische - Unterstützerbasis von etwa 33 Prozent der Wähler bauen. Dieses Ergebnis erreichte er im ersten Wahlgang Ende November und auch schon bei der vergangenen Oberbürgermeisterwahl 2017. Zum zweiten Wahlgang konnte er zweitens - bei nur leicht erhöhter Wahlbeteiligung von 54 Prozent - noch einmal um fast sechs Prozentpunkte zulegen. Das bescherte ihm den entscheidenden Vorsprung. Vielleicht hat ihm hier die allgemeine Unzufriedenheit mit der Berliner Ampel-Regierung geholfen.

Anders als zum Beispiel bei den Oberbürgermeisterwahlen in Nordhausen und Bitterfeld-Wolfen, wo die AfD nach dem ersten Wahlgang ebenso aussichtsreich im Rennen lag, ist es der Konkurrenz drittens nicht gelungen, sich für den zweiten Wahlgang auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin zu einigen. Somit ist der AfD-Wahlsieg auch eine Niederlage für die CDU, die mit ihrer Kandidatin Kathrin Dollinger-Knuth viel riskierte und letztlich verlor. Ralf Thiele von den Freien Wählern wiederum machte die Suche nach einem gemeinsamen Kompromisskandidaten unmöglich, weil er sich nach dem ersten Wahlgang ohne Absprachen mit den anderen Parteien zum Kandidaten auch für den zweiten Wahlgang erklärte. Zudem gingen er und seine Unterstützer die CDU-Mitbewerberin im Wahlkampf so hart an, dass eine Zusammenarbeit sowieso ausgeschlossen schien.

Die Quittung dieser Machtspiele bekommen nun die 60 Prozent der Pirnaer Wähler, die ihr Kreuz gestern nicht bei der AfD gemacht haben.

Ihr Tobias Winzer, Politikredakteur Sächsische.de

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Das Wichtigste am Morgen:

Ehemaliger Landesvize verlässt Linkspartei

Sachsens Linkspartei verliert ein prominentes Mitglied. Der bisherige Zwickauer Kreistagsfraktionschef und frühere Landesvize Alexander Weiß hat am Freitag seinen Abschied verkündet, wie die Freie Presse berichtet. "Es ist nicht mehr meine Partei", heißt es in seinem Rücktrittsschreiben. Einen Wechsel zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) schließt er aber aus. Anders ist bei dem bisherigen Linke-Fraktions- und Ortschef in Hohenstein-Ernstthal, Sebastian Bernhardt, der ebenfalls bei den Linken ausgetreten ist. In Ueckermünde in Mecklenburg-Vorpommern hat derweil die Linksfraktion im Stadtrat geschlossen ihren Parteiaustritt erklärt, um zu dem neuen Bündnis zu wechseln. Sachsens Linke vermeldet jedoch immer noch doppelt so viele Eintritte wie Austritte seit Wagenknechts Austrittsankündigung. Lokal hat die Partei aber mit Personalproblemen zu kämpfen. Im Freitaler Stadtrat ist beispielsweise nur noch einer von drei gewählten Stadträten regelmäßig anwesend.

Unterdessen scheint Wagenknecht nun doch bereit, die Parteispitze ihrer neuen Bewegung zu übernehmen. "Einer allein kann nicht alles machen. Dennoch überdenken wir die Frage des Vorsitzes noch einmal, da mich sehr viele dazu aufgefordert haben", sagt sie im Interview mit der FAZ. Wahrscheinlich werde es eine Doppelspitze mit ihr als einen Teil geben.

Kretschmer verteidigt Einschnitte im Sozialstaat

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der auch Bundes-Vize der CDU ist, verteidigt die von den Christdemokraten geplanten Einschnitte im Sozialstaat. Zuletzt hatte sich Kretschmer selbst für Kürzungen des Bürgergelds ausgesprochen. "Das neue Programm macht ganz klar, wofür die CDU steht", sagt er im Interview mit der Bild-Zeitung. In dem Programm stünden auch Zumutungen drin. "Wir geben eben ehrliche Antworten auf die Probleme des Landes. Und dazu gehört auch, dass unsere sozialen Sicherungssysteme nicht so sicher sind, wie sie sein müssten."
Kretschmer sieht eine starke Wirtschaft als Grundlage für den Sozialstaat. "Aber hohe Energiepreise, Migration und Sanktionen schwächen die Wirtschaft in Deutschland."

In dem Zusammenhang erneuert Kretschmer seine Forderungen nach diplomatischen Lösungen im Ukraine-Krieg. "Diplomatie heißt nicht, sich nur mit Leuten zu treffen, mit denen man einer Meinung ist. Sondern mit Menschen zu reden, die das Gegenteil von dem wollen, das man selbst will. Aber dazu braucht es Klugheit, Kraft und Akzeptanz in der Welt." Diese habe die Bundesregierung mit ihrem Rumgepoltere verspielt.

Nach Frust-Brief: Kretschmer trifft sich mit Bürgermeistern

Im November hatten etwa 30 Bürgermeister aus dem Landkreis Görlitz in einem Brief an Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) ihrem Unmut über die finanzielle Ausstattung der Kommunen Luft gemacht. Am Freitag ist es nun im Görlitzer Rathaus zu einem direkten Treffen gekommen. Zwei Stunden lang hörte sich der Ministerpräsident die Argumente aus den Kommunen an. Dabei machte erwartungsgemäß aber keine finanziellen Zusagen. Kretschmer hatte auch Regina Kraushaar (CDU), die Präsidentin der Landesdirektion Sachsen, mitgebracht. Zudem nahm der Görlitzer Landrat Stephan Meyer (CDU) an der Beratung teil. Zu einer der nächsten Sitzungen des Städte- und Gemeindetages im Landkreis Görlitz will Kretschmer wiederkommen. Die Bürgermeister wollen eine höhere finanzielle Grundausstattung der Kommunen anstelle des bisher praktizierten Systems über Fördermittel.

Strukturwandel: Astrophysik-Zentrum legt Zeitplan vor

Das Deutsche Zentrum für Astrophysik (DZA) in der Lausitz - eines der wichtigsten Strukturwandelprojekte in Sachsen - nimmt konkretere Gestalt an. Nun wurden vom Bund die ersten eigenen Millionen überwiesen. 40 Millionen werden es für die ersten 30 Monate sein. "Wir haben einen langen Zeitplan, der reicht bis 2038", sagt Gründungsdirektor Günther Hasinger gegenüber Sächsische.de. "Anfang des Jahres ziehen wir in Görlitz in das Postgebäude ein." Insgesamt werden hier 100 Arbeitsplätze entstehen. Der Freistaat verhandelt derzeit über den endgültigen Standort. Hasinger und sein Team favorisieren nach wie vor das Kahlbaum-Areal, eine parkähnliche Fläche in Görlitz ganz nah bei der Hochschule. Die Gründung des Zentrums als gemeinnützige GmbH ist für 2025 vorgesehen.

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