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Sachsen fehlen tausende barrierefreie Wohnungen

Jeder zehnte Mensch in Sachsen ist körperlich eingeschränkt und braucht eine barrierefreie Wohnung. Doch die Branche schreckt vor den Mehrkosten zurück.

Von Andrea Schawe
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Wichtig für Menschen mit motorischen Einschränkungen ist ein barrierefreies Bad.
Wichtig für Menschen mit motorischen Einschränkungen ist ein barrierefreies Bad. © Martin Schneider

Dresden. Viele Wohnungen, in denen Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen wohnen, sind nicht barrierefrei. Etwa 88 Prozent erfüllen die Kriterien nicht oder nur teilweise. Bei etwa 74.000 Wohnungen besteht Schätzungen zufolge Anpassungsbedarf. Dieser wird bis zum Jahr 2030 auf 77.000 Wohnungen steigen.

Sachsens Landesinklusionsbeauftragter Michael Welsch geht davon aus, dass die Zahl der nötigen Wohnungen viel höher ist. "Die zunehmende Nachfrage nach barrierefreiem Wohnraum – auch aufgrund der demografischen Entwicklung im Freistaat – steht in großer Diskrepanz zur geringen Zahl entsprechender Bau- und Umbauprojekte."

Das liege zum einen an fehlendem Fachwissen. Viele Architekten hätten nur ein rudimentäres Verständnis von Barrierefreiheit, so Welsch, weil das im Studium immer noch nur ein Wahlfach ist.

Vorschriften in der Bauordnung werden umgangen

Zum anderen scheitern barrierefreie Bauprojekte an der laxen Genehmigungspraxis der unteren Baubehörden. Bei Neubauprojekten ist es nach der sächsischen Bauordnung verpflichtend, mindestens ein Geschoss barrierefrei zu bauen – außer es wird ein "unverhältnismäßiger Mehraufwand" angegeben und eine Abweichung beantragt. "Dabei sind nach den Vorschriften Mehrkosten nicht automatisch ein unverhältnismäßiger Mehraufwand."

Nach Angaben des Landesinklusionsbeauftragten sei Barrierefreiheit im Neubau "gut umsetzbar und unwesentlich teurer", etwa drei Prozent. "Die Hürden befinde sich vornehmlich in den Köpfen der Planer, nicht in den Gegebenheiten", so Welsch.

Bestandsgebäude müssen nicht umgebaut werden

Für Bestandsgebäude gibt es dagegen keine Verpflichtung zum barrierefreien Umbau, kritisiert Welsch. Sachsen bietet aber Fördermöglichkeiten für Mieter, Eigentümer und Vermieter an. So wurden seit 2017 mehr als 6.000 Wohnungen barrierefrei umgebaut. Der Freistaat gab mehr als 40 Millionen Euro aus.

Welsch forderte, in der Bauordnung mehr Verbindlichkeit beim Neubau zu regeln, etwa eine Quote für rollstuhlgerechte Wohnungen. Außerdem müsse barrierefreies Planen und Bauen ein verpflichtendes Thema in der Ausbildung von Architekten werden. Bei größeren Bauvorhaben sollte eine Prüfung der Barrierefreiheit schon in der Planungsphase verpflichtend werden. "Ich wünsche mir, dass Barrierefreiheit im Bau so einen Stellenwert hat wie der Brandschutz und die energetische Sanierung."