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Startsignal für Sachsens Bildungsticket

Nach jahrelangen Machtkämpfen gibt es jetzt ein einheitliches 15-Euro-Ticket für alle Schüler in Sachsen. Die wichtigsten Informationen dazu im Überblick.

Von Sven Heitkamp
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Schülerinnen und Schüler fahren bald günstiger mit Bussen und Bahnen.
Schülerinnen und Schüler fahren bald günstiger mit Bussen und Bahnen. © Marijan Murat/dpa

Am Donnerstagmorgen bildet sich vorm Delitzscher Bahnhof eine Menschentraube wie selten: Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) und Kultusminister Christian Piwarz (CDU) sind da, der Landrat, einige Schüler, dazu etliche Journalisten. Reden werden gehalten, Fotos gemacht. Der Festakt am Busbahnhof ist der Startschuss für Sachsens Bildungsticket, das nach jahrelangem Ringen zum 1. August für alle sächsischen Schüler eingeführt wird. Die Monatskarte kostet maximal 15 Euro und gilt im gesamten jeweiligen Verkehrsverbund in allen Bussen und Bahnen.

Es ist zugleich ein Festtag für Martin Dulig. Seit dem Landtagswahlkampf 2014 hatte er sich beharrlich für das zentrale Projekt der SPD eingesetzt, mit vielen Debatten und Rückschlägen. „Heute bin ich einfach nur froh und glücklich, dass der Tag der Verkündung ist“, sagt er.

Das Bildungsticket gilt nicht für ganz Sachsen, sondern für einen der fünf Verkehrsverbünde. Im Leipziger Umland ist das etwa der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) - dort ist das Bildungsticket im sächsischen Bereich gültig. Kinder und Jugendliche, deren Wohnort in einem anderen Verkehrsverbund liegt als ihre Schule, können sich aussuchen, für welches Gebiet sie das Ticket haben möchten. Der MDV empfiehlt, das Ticket für den Bereich zu nehmen, in dem die Schüler in ihrer Freizeit häufiger unterwegs sind. Für den Schulweg in den anderen Verkehrsverbund wird das Ticket demnach anerkannt.

50 Millionen Euro eingeplant

Im Unterschied zu bisherigen Schülertickets im Freistaat können die Schüler ihre neuen Abotickets an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr nutzen, auch in Ferien und an Feiertagen. Selbst Fahrräder und Hunde sind inklusive. Im Verkehrsverbund Oberelbe VVO – also in Dresden, den Landkreisen Meißen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sowie in Teilen des Landkreises Bautzen – gilt das Bildungsticket auch auf Fähren sowie in der Weißeritztalbahn, der Lößnitzgrundbahn, der Kirnitzschtalbahn sowie der Schwebe- und Standseilbahn. Das bisherige Schülerfreizeitticket wird indes abgelöst.

Auch Berufsschülerinnen und -schüler können das Bildungsticket nutzen - Voraussetzung ist, dass sie keine duale Ausbildung machen. Für Auszubildende gibt es bereits das Azubi-Ticket.

Und wie erhält man das Ticket? Schülerinnen und Schüler, die bereits ein Abo beziehen, sollten schon Post mit den wichtigsten Infos bekommen haben. Das Bildungsticket gibt es im Abo für zwölf Monate. Wer es beziehen möchte, muss einen Antrag ausfüllen und diesen online oder beim örtlichen Verkehrsunternehmen einreichen. Dazu sollten Schüler einen Berechtigungsnachweis mitschicken - das kann etwa der Schülerausweis oder eine Kundenkarte der Verkehrsbetriebe sein.

© dpa-Zentralbild

50 Millionen Euro plant der Freistaat im Landeshaushalt jährlich für das neue Angebot ein, um die Finanzierungsausfälle der Landkreise und Kommunen auszugleichen. Für dieses, schon halb abgelaufene Jahr sind es 21 Millionen Euro. Kalkuliert wird, dass 50 bis 60 Prozent der 480.000 Schüler und rein-schulischen Auszubildenden das subventionierte Bildungsticket tatsächlich buchen. Werden es mehr Nutzer, steigen die Ausfälle für die Landkreise und es muss nachverhandelt werden. Außerdem soll ab 2023 über den Etatposten neu gesprochen werden, um Preissteigerungen auszugleichen.

An die ländlichen Regionen denken

Auf dem Delitzscher Bahnhofsvorplatz spricht auch Joanna Kesicka, die Vorsitzende des Landesschülerrates. „Ich bin unfassbar froh, dass dieser Meilenstein nach über zehn Jahren gesetzt wird“, sagt die 18-Jährige. Endlich seien viele Jugendliche nicht mehr auf „Elterntaxis“ allein angewiesen, sondern könnten unabhängiger ihr Freizeitprogramm gestalten und einfach mal in die Großstadt fahren. Allerdings: Das Bus- und Bahnangebot müsse dafür in manchen ländlichen Regionen ausgebaut werden. „Sonst nutzt das Bildungsticket nichts.“ Außerdem wollten die Schüler mit dem Ticket durch ganz Sachsen reisen dürfen. Auch Dulig hat dieses Ziel auf der Agenda. Zunächst will er nun aber durchsetzen, dass die Schüler einen benachbarten Verkehrsverbund für wenig Geld hinzubuchen können.

Martin Dulig (4.v.l., SPD), Wirtschaftsminister von Sachsen, und Christian Piwarz (5.v.l., CDU) Kultusminister von Sachsen.
Martin Dulig (4.v.l., SPD), Wirtschaftsminister von Sachsen, und Christian Piwarz (5.v.l., CDU) Kultusminister von Sachsen. © dpa-Zentralbild

Mit allen Bandagen hatten Dulig und seine SPD seit Jahren darum gekämpft, dass das Bildungsticket kommt. Dabei traf der Verkehrsminister auf teils massiven Widerstand vieler Landkreise und Großstädte, die um die Finanzierung und um regionale Autonomie fürchteten. 2015 begann eigens eine Strategiekommission. Angesichts anhaltender Widerstände drohte der Wirtschaftsminister 2018 sogar mit der Einführung einer neuen Landesverkehrsgesellschaft, unter deren Dach die regionalen Verkehrsverbünde summiert worden wären.

Anfang 2019 einigten sich dann der Landkreistag, der Städtetag und das Ministerium. Doch auch die CDU in der Landesregierung wehrte sich standhaft. Als Dulig Anfang dieses Jahres überraschend ankündigte: „Das Bildungsticket kommt!“, konterte Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) postwendend: Er freue sich auf Duligs Finanzierungsvorschläge. Das Geld stehe keineswegs im Haushalt. Erst Ende März verständigte sich die Koalition auf eine Lösung.

Am Donnerstag steht auch Kultusminister Piwarz auf der Einführungsfeier, der CDU-Mann hatte das Projekt nie blockiert. „Wir haben immer gesagt: Wir unterstützen die Idee“, erzählt er. „Ich bin dankbar, dass Martin Dulig beharrlich geblieben ist. Das ist ein guter Tag für Sachsens Schüler.“ Nun bauen die Genossen darauf, dass das Bildungsticket nicht in ein paar Jahren wieder eingestampft wird wie andere SPD-Vorzeigeprojekte in früheren Jahren – die Modellprojekte für Gemeinschaftsschulen oder das beitragsfreie Kita-Jahr etwa. (mit dpa)