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Das Geheimnis von Burg Wehlen

Die Burgruine in Stadt Wehlen bekommt wieder einen Turm, bald beginnt der Bau. Doch auch der Berg darunter birgt noch einige Rätsel.

Von Dirk Schulze
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Klaus Tittel beim Graben im Kellergeschoss von Burg Wehlen. Hinter dem Erdwall vermuten Experten ein weiteres Gewölbe.
Klaus Tittel beim Graben im Kellergeschoss von Burg Wehlen. Hinter dem Erdwall vermuten Experten ein weiteres Gewölbe. © Norbert Millauer

Bevor nach oben gebaut werden kann, geht es erstmal in die Tiefe. Nicht nach unten, aber gut anderthalb Meter geradewegs in die Horizontale. Klaus Tittel schlägt seine Hacke in den Erdwall, ein kindskopfgroßer Sandsteinbrocken kullert in Richtung Schubkarre.

Der frühere Bürgermeister von Stadt Wehlen steht in Arbeitsklamotten unter einem mittelalterlichen Gewölbe. Dem Rundbogen fehlen ein paar Steine, aus einem Loch weiter hinten fällt etwas Tageslicht in die unterirdische Baustelle.

Wir befinden uns im Kellergeschoss von Burg Wehlen. Eine Etage tiefer liegen die längst freigelegten Gewölbe, eine Ebene darüber das Burgplateau. Auf dem soll in den kommenden Monaten der neue Turm für Burg Wehlen in die Höhe wachsen.

Handarbeit mit Schaufel und Schubkarre

Der Turmbau ist das große Ziel, auf das die Burgfreunde - ein Zusammenschluss von Einwohnern - und die Stadt seit vielen Jahren hingearbeitet haben. Seit anderthalb Jahren liegt das Geld bereit - 364.000 Euro aus altem SED-Vermögen - nach langen Verhandlungen mit dem Denkmalschutz ist inzwischen auch die Baugenehmigung da. Anfang März geht es los.

Burg Wehlen. Der neue Turm entsteht auf den vorhandenen Sandsteinmauern, zuvor muss darunter noch ein Gewölbe gesichert werden.
Burg Wehlen. Der neue Turm entsteht auf den vorhandenen Sandsteinmauern, zuvor muss darunter noch ein Gewölbe gesichert werden. © Norbert Millauer

Bevor die beauftragten Fachfirmen anrücken, ist einmal mehr ehrenamtliche Handarbeit gefragt. Deshalb sind einige Burgfreunde an diesem Morgen bei fünf Grad und Nieselregen im Einsatz. Per Schaufel wird die Schubkarre befüllt, mit Schwung und vereinten Kräften - einer schiebt, einer zieht von vorn mit einem Seil - geht es die steile Rampe herauf aus dem Keller. An die dreißig oder vierzig Fuhren dürften es heute werden.

Die Burgfreunde beräumen Erde und Steine, damit der Turm auf einer festen Basis stehen kann. Genau dort, wo später die Treppe in den neuen Turm führen soll, fehlt es darunter noch an Stabilität. Hier soll eine zusätzliche Mauer eingezogen werden, die das Gewölbe künftig stützt. Dafür braucht es Platz.

Ofenkacheln und Fischbüchsen aus der DDR

Mit vor Ort ist Christof Schubert vom Landesamt für Archäologie. Sobald auf dem mittelalterlichen Burggelände gebuddelt wird, hat die Behörde ein Auge darauf. Hin und wieder fischt der Experte eine Scherbe aus der Erde. Mit spektakulären Entdeckungen rechnet er nicht an dieser Stelle, und die ersten Funde bestätigen dies.

Christof Schubert vom Landesamt für Archäologie mit einer Ofenkachel aus dem 19. oder 20. Jahrhundert. Lange haben Wehlener auf der Burg ihren Schutt abgeladen.
Christof Schubert vom Landesamt für Archäologie mit einer Ofenkachel aus dem 19. oder 20. Jahrhundert. Lange haben Wehlener auf der Burg ihren Schutt abgeladen. © Dirk Schulze

Eine Ofenkachel ist darunter und ein paar Keramikscherben, vermutlich alles aus dem 19. oder 20. Jahrhundert. Ein Stück Dachziegel könnte theoretisch von der alten Burg stammen, doch um das herauszufinden, müsste es mit aufwendigen Verfahren untersucht werden - das lohnt in diesem Falle nicht. In den kommenden Tagen wird ein Burgfreund den ganzen Haufen heraus gekarrter Erde noch einmal durchsieben.

Schon ab 1543 war Burg Wehlen verlassen und dem Verfall preisgegeben. In den 1880er-Jahren nahm sich der Gebirgsverein für die Sächsisch-Böhmische Schweiz der Ruine an und errichtete hier einen Aussichtsturm. Der wurde in 1960er-Jahren abgerissen, die vom Gebirgsverein freigelegten Gewölbe wieder mutwillig zugeschüttet.

Dazwischen und danach schafften Wehlener offenbar ihren Schutt auf den Burgberg, was die Keramikscherben aus dem 19. und 20. Jahrhundert erklärt. Sogar bestens erhaltene Fischbüchsen aus DDR-Zeiten haben die Burgfreunde bei früheren Einsätzen schon geborgen, man konnte darauf noch das Herstellungsdatum lesen.

Archäologische Grabung steht noch bevor

Es existieren allerdings auch Funde aus der Zeit, als Burg Wehlen noch bewohnt war: Keramikscherben aus dem 13. Jahrhundert etwa oder mittelalterliche Armbrustpfeilspitzen. Spannend wird es demnächst, wenn vor dem Baustart des Turms noch eine wirkliche archäologische Grabung auf dem Burgplateau stattfindet.

Anders als bei dem verschütteten Gewölbe handelt es sich dann um ungestörte Bodenschichten, wie es in der Archäologie heißt. "Das ist dann tatsächlich ein Bereich, wo wir noch nie drin waren", sagt Grabungstechniker Christof Schubert. "Man weiß nie, was einen erwartet."

Verschüttete Gewölbe im Burgberg

Ein größeres Geheimnis behält der Wehlener Burgberg aber vorerst für sich. Dort, wo Burgliebhaber Klaus Tittel gerade gräbt und wo bald die zusätzliche Mauer eingezogen wird, geht es noch weiter in den Berg hinein. Vielleicht dreißig Meter sind es von hier bis zu einer Schießscharte, die von außen in der Burgmauer zu sehen ist. Es muss eine unterirdische Verbindung dahin geben.

Christof Schubert vom Landesamt für Archäologie vermutet ein quer liegendes Tonnengewölbe hinter dem Erdwall. Von dort könnte ein Gang zu der Schießscharte führen oder es gibt noch weitere zugeschüttete Räume - das weiß niemand. So tief war auch der Gebirgsverein in den 1880er-Jahren nicht vorgedrungen.

Die neue Mauer wird den möglichen Zugang vorerst verschließen. Es wird allerdings eine Tür gelassen, sodass irgendwann dahinter weiter gegraben werden kann. "Das ist dann ein Projekt für die nächste Generation", sagt Klaus Tittel.