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Vertraut und verzockt: Rentner fühlt sich von Sparkasse betrogen

Als Manfred Feindura in einen spekulativen Fonds investierte, glaubte er an eine gute Anlage. Nun macht der Hoyerswerdaer der Sparkasse Vorwürfe. Wer ist schuld?

Von Henry Berndt
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Geschrumpfte Altersvorsorge: Zum Ärger von Manfred Feindura hat sich die erhoffte Rendite aus seinem Triebwerkfonds in Luft aufgelöst.
Geschrumpfte Altersvorsorge: Zum Ärger von Manfred Feindura hat sich die erhoffte Rendite aus seinem Triebwerkfonds in Luft aufgelöst. © HY-photo Gernot Menzel

Aus Sicht von Manfred Feindura könnte die Sache ganz einfach sein. „Die Sparkasse gibt mir mein Geld zurück, und schon sind alle Differenzen geklärt.“ Doch ganz so einfach ist es nicht. Genau genommen ist es ziemlich kompliziert. So kompliziert, dass der 81-jährige Rentner aus Hoyerswerda vielleicht besser schon vor zwölf Jahren zu der Erkenntnis gekommen wäre: Von dieser Anlage lasse ich lieber die Finger.

Seitdem hat Feindura etliche Tausend Euro verloren, statt wie geplant seine Altersvorsorge zu vermehren. Er fühlt sich von der Sparkasse hinters Licht geführt. „Ich habe in vollem Vertrauen einem seriösen Geldinstitut meine Ersparnisse für eine solide Geldanlage übergeben“, sagt er. Dieses Geld habe die Sparkasse „verzockt“.

Eine verlockende Rendite

Aber mal von Anfang an: Manfred Feindura hat sein Geld über viele Jahre selbstständig in der Baubranche verdient. 2008 geht er mit 65 Jahren in den Ruhestand. Im Jahr 2012, damals ist er 69, kommt er mit seinen Beratern bei der Ostsächsischen Sparkasse ins Gespräch über renditestarke Anlagemöglichkeiten. Irgendwann liegt ein Prospekt mit dem Titel „Das Kraftpaket“ auf dem Tisch. Es geht um eine Beteiligung am DCM Triebwerkfonds 1.

Die Deutsche Capital Management AG (DCM) will bis Ende des Jahres 2012 drei Flugzeugtriebwerke kaufen und an die Fluggesellschaft Emirates verleasen. Die Triebwerke leisten jeweils 180.000 PS und sind für den Langstreckenflieger Boeing 777 vorgesehen. Insgesamt sollen 73,5 Millionen US-Dollar (55,6 Millionen Euro) investiert werden – und dafür braucht das Unternehmen Kapital von Anlegern. Der gegründete Fonds ist geschlossen, das heißt, ein Ausstieg während der Laufzeit ist nicht möglich. 7,5 Jahre werden zunächst kalkuliert. In dieser Zeit könnten Anleger 161 Prozent ihres eingesetzten Geldes zurückerhalten, wird versprochen. Eine verlockende Rendite.

„Triebwerke gehören aufgrund der festgeschriebenen Wartungsintervalle zu den wertbeständigsten Vermögensanlagen“, liest Feindura im Prospekt. Von einer „hohen Ertragsstabilität“ und „attraktiven Vermarktungserlösen“ ist die Rede. Dem Luftverkehrsmarkt werde langfristiges Wachstum prophezeit. Auf der anderen Seite werden auch zehn „wesentliche Risiken“ genannt. Ganz oben in der Liste steht: „Totalverlustrisiko“. Feindura nimmt sich zwei Wochen Zeit, dann unterschreibt er am 21. Juni 2012 die Beteiligung und investiert 30.000 Euro.

Manfred Feindura fühlt sich von der Sparkasse betrogen.
Manfred Feindura fühlt sich von der Sparkasse betrogen. © HY-photo Gernot Menzel

Inzwischen ist klar. Das Projekt ist gescheitert. Die erhoffte Rendite hat sich in Luft aufgelöst. Dass hier etwas gehörig schiefgehen könnte, wurde früh klar: Bereits 2013 – ein Jahr nach Vertragsschluss – musste die DCM Insolvenz anmelden. Ein Jahr später übernahm die LHI Leasing GmbH, ebenfalls mit Sitz in München, die Fonds und versprach, die zeitweise gestoppten Auszahlungen nachzuholen. Eine Zeit lang funktionierte das ganz gut, doch dann kam die Corona-Pandemie, die den Flugzeugmarkt mit voller Wucht traf und den internationalen Flugverkehr zeitweise fast komplett zum Erliegen brachte. Viele Airlines kämpften ums Überleben. Schlechte Zeiten für Triebwerksgeschäfte. Von diesem Schlag konnte sich Feinduras Fonds nicht mehr erholen.

Einen großen Teil seines eingesetzten Geldes hat er seitdem durch jährliche Rückflüsse zurückerhalten, sodass sich der Verlust heute auf rund 6.400 Euro begrenzt. Manfred Feindura sieht das aber anders. Die Rückzahlungen habe er als Auszahlungen der Rendite betrachtet, sagt er. Deswegen hätte er jetzt gern noch die vollständigen 30.000 Euro zurück – die nicht mehr da sind. „Das Geld war für meine Altersvorsorge eingeplant. Wie soll ich diese Lücke wieder füllen?“

Drei Prüfer sehen keine Falschberatung

Bereits im Juli 2021, als sich das Debakel längst angekündigt hatte, beauftragte Feindura eine Anwaltskanzlei aus Baden-Württemberg, um gegenüber der Ostsächsischen Sparkasse sein Recht auf Schadensersatz wegen vermeintlicher Falschberatung durchzusetzen. Die Kanzlei hatte mit Expertise bei diesem Thema geworben und damals unter anderem eine kostenlose Web- und Telefonkonferenz angeboten.

Mit der Forderung konfrontiert, startete die Sparkasse eine interne Prüfung, in deren Ergebnis feststand: Es hat keine Falschberatung gegeben. Drei voneinander unabhängige Prüfer hätten keine Ersatzansprüche des Kunden gegenüber dem Haus erkennen können, heißt es. Darunter sei auch der eingesetzte Schlichter gewesen, der im August 2022 den Vorschlag unterbreitet habe, Feindura solle sein Anliegen nicht weiterverfolgen.

Die Sparkassen-Justiziarin Ines Tschirnhorsky lädt den Rentner zum persönlichen Gespräch in die Filiale ein, aber der will die Fragen schriftlich beantwortet haben. Welche Qualifikation hatten meine Berater? Welche Rolle hat die Provision gespielt? Und warum handelt die Sparkasse überhaupt mit spekulativen Fondsanteilen?

Genau hier liegt allerdings der Denkfehler. Nicht die Sparkasse hat das Geld investiert, sondern der Kunde selbst. Das Kreditinstitut diente lediglich als Vermittler und strich vertragsgemäß eine einmalige Provision ein.

Fonds? Aktien? Anleihen? Rohstoffzertifikate?

All das geht aus einem Beratungsprotokoll hervor, das Manfred Feindura 2012 unterschrieben hat. Detailliert ist hier festgehalten, dass ihm am 30. Mai das Emissionsprospekt und am 20. Juni das Informationsblatt über die Vermögensanlagen vorgelegt wurde. In der Beratung habe er bestätigt, Kenntnisse und Erfahrungen mit unternehmerischen Beteiligungen und Fremdwährungsgeschäften zu haben. Auf Anfrage unterstreicht eine Sparkassensprecherin, dass man je nach Präferenz des Kunden nur Investments empfehle, die zu seinen Wünschen und finanziellen Möglichkeiten passten.

Heute ist nicht mehr nachvollziehbar, wie es zu diesem Missverständnis kommen konnte. War Manfred Feindura doch nach eigener Aussage stets der festen Überzeugung, sein Geld in eine sichere Wertanlage gesteckt zu haben, die ihm ausdrücklich empfohlen worden sei. Er spricht von einem „Vertrauensbruch einer seriösen Heimatsparkasse“, der er über viele Jahre die Treue gehalten habe. „Ohne jegliche Unregelmäßigkeiten.“

„Es kommt häufig vor, dass Anlegern nicht bewusst ist, welches Risiko hinter ihrer Entscheidung steckt“, sagt Madlen Müller, Expertin für Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Sachsen. Viele wüssten nicht einmal, mit welcher Art von Anlage sie es hier zu tun haben. Fonds? Aktien? Anleihen? Rohstoffzertifikate? Im schlimmsten Fall würden sie nur die mögliche Rendite sehen, und nicht die zum Teil erheblichen Risiken.

Austausch kann das richtige Bauchgefühl prägen

Zum konkreten Fall von Manfred Feindura will sich Madlen Müller nicht äußern und schon gar nicht über die Schuldfrage spekulieren. Nur so viel: „Wenn dieser Mann vorher zu mir gekommen wäre und um Rat gefragt hätte, dann hätte ich ihm vermutlich abgeraten.“ Angesichts seines fortgeschrittenen Alters allein schon wegen der langjährigen Bindung an einen geschlossenen Fonds.

„Dem Verbraucher muss dargestellt werden, welche Art von Anlage er da abschließt und mit welchem Risiko“, sagt die Finanzexpertin und empfiehlt, weitere Beratungsmöglichkeiten zu nutzen und auch im Familien- und Freundeskreis über die Idee zu sprechen. „Bei vielen ist der Gedanke mit Scham verbunden, beispielsweise die eigenen Kinder zu fragen.“ Doch genau dieser Austausch könne das richtige Bauchgefühl entscheidend prägen. „Lassen Sie sich vor allem ausreichend Zeit.“ Kein seriöses Angebot verfalle von einem Tag auf den anderen.

"Ich bin Sportler, ich kann verlieren"

Für Manfred Feindura kommen diese Hinweise zu spät. Am 20. Dezember 2023 schreibt ihm die Anwaltskanzlei aus Baden-Württemberg nur noch zwei Sätze zurück: „Leider kann ich Ihnen nicht mehr helfen. Ihre Ansprüche sind mittlerweile verjährt.“ Bei Schlecht- oder Falschberatung gilt laut BGB eine allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren.

Dass bei dem „klein gedruckten Papierkram“ wohl alles richtig gelaufen ist, bestreitet der Rentner nicht. „Ich bin Sportler, ich kann verlieren.“ Es sei die persönliche Enttäuschung, die er nicht überwinden könne. Er habe doch nur bei einer falschen Entscheidung aufgehalten werden wollen.