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Was den Spielmacher der Dresdens Monarchs so außergewöhnlich macht

US-Profi Steven Duncan lässt die Dresdner Footballer vom zweiten Titel träumen. Zudem hat er sein Interesse für Dynamo entdeckt, schwört auf die Familie und ein emotionales Ritual.

Von Alexander Hiller & Friederike Saupe
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Steven Duncan will seine Dresden Monarchs in das Endspiel um die deutsche Meisterschaft führen. Einen Rekord hat er auf dem Weg dahin schon aufgestellt
Steven Duncan will seine Dresden Monarchs in das Endspiel um die deutsche Meisterschaft führen. Einen Rekord hat er auf dem Weg dahin schon aufgestellt © Christian Juppe

Dresden. Auf dem Feld wirkt dieser Mann, immerhin 1,96 Meter groß, unverwundbar, beweglich, selbstbewusst, wurfgewaltig, kreativ. Steven Duncan ist Quarterback der Dresden Monarchs und damit für den deutschen Footballmeister von 2021 per se als Spielmacher die Führungsfigur.

Wer sich die Zeit nimmt, den 25-jährigen US-Amerikaner abseits des Feldes und ohne die martialische Rüstung näher kennenzulernen, erlebt einen extrem bescheidenden, höflichen, weichen, zurückhaltenden, ja fast schüchternen Typen. Doch Duncan hat ein großes Ziel, wie er betont: „Momentan ist es mir wichtig, dass wir hier aus einem Grund sind: Noch eine Meisterschaft nach Dresden zu bringen. Darauf fokussieren wir uns als Team.“

Der aus Charleston stammende Spielmacher, der für die Touchdown-Pässe in die Endzone des Gegners verantwortlich ist, hat bei diesem Ziel eine entscheidende Position inne. Dabei hätte Duncan fast schon die Rolle neben dem Spielfeld übernommen. Mit zwei Freunden wollte er an der Texas State University eine Trainerkarriere im Football starten. Doch dann kam die Anfrage aus Dresden. Robert Cruse, Offensive Coordinator der Monarchs, knüpfte den ersten Kontakt. „Er war der Einzige, der sich bei mir meldete. Ich hatte vorher nicht mit einer Spielerkarriere in Europa gerechnet“, gesteht Duncan, der zwei Masterabschlüsse in Social-Media-Marketing und Business-Administration hat.

Ist der Monarchs-Anführer der beste Quarterback Europas?

Das Angebot der Dresdner betrachtet er als Herausforderung, auch aus einem privaten Grund. „Mein Vater Steve hatte die Chance, ein, zwei Mal in die NFL Europe zu wechseln, aber er hat sich für meine Mutter entschieden und dafür, in den Staaten zu bleiben. Sie heirateten – und wenig später wurde ich geboren“, erzählt Duncan und lächelt. „Ich sah es als die Chance an, von der mein Vater immer geträumt hatte. Ich habe mich auch in seinem Namen dafür entschieden und in seine Fußstapfen zu treten“, sagt er. Vom deutschen Football wusste Duncan bis zum Anruf aus Dresden kaum etwas. „Nachdem die NFL Europe aufgelöst wurde, wusste ich tatsächlich nicht, dass es hier noch Football gibt. Erst als Robert Cruse sich meldete.“

Mittlerweile ist er eine der dominierenden Figuren in der German Football League (GFL) – und mithin verantwortlich dafür, dass die Monarchs erneut vom Titel träumen. In den bisherigen fünf Partien warf der Quarterback 26 Touchdownpässe und erzielte 1.886 Yards Raumgewinn. Das sind für den Laien kaum einschätzbare, aber tatsächlich herausragende Statistiken. Das Trainerteam der Monarchs bezeichnet ihn als den besten in Europa unter Vertrag stehenden Quarterback. Der Hochgelobte wiegelt ab. „Es ist eine große Ehre, so etwas zu hören, ich glaube an meine Fähigkeiten. Aber die könnte ich nicht zeigen, ohne das Team um mich herum. Das sind großartige Spieler. Ohne das Team wäre ich nichts.“

Monarchs-Trainer Paul Alexander und sein wichtigster Spieler. Steven Duncan hört offenbar ganz genau hin.
Monarchs-Trainer Paul Alexander und sein wichtigster Spieler. Steven Duncan hört offenbar ganz genau hin. © ronaldbonss.com

So oder so, die Konstellation für eine Wiederholung der Meisterschaft von 2021 erscheint günstig. Die Monarchs behaupten sich als Tabellendritter mit vier Siegen und einer Niederlage in der weitaus stärker eingeschätzten Nordstaffel der zweigleisigen GFL. Die Südstaffel ist nach dem personellen Aderlass von Titelverteidiger Schwäbisch Hall kaum konkurrenzfähig. Im sogenannten Interconference-Game watschten die Dresdner im Spiel vor der Sommerpause den Südzweiten Saarland Hurricanes mit 63:32 ab. Duncan sorgte dabei mit neun Touchdownpässen für einen neuen GFL-Rekord. „Wir haben ein sehr gutes Team, und ich setze mir den GFL-Bowl als Ziel, möchte keinesfalls zulassen, diese Chance zu vergeben“, erklärt Duncan.

Die bislang einzige Saisonniederlage, die die Monarchs im ersten Heimspiel vor der Rekordkulisse von 10.530 Zuschauern im Harbig-Stadion gegen die Berlin Rebels kassierten (23:30), stuft der Führungsspieler als heilsam ein. „Das war ein Schlag ins Gesicht, diese Niederlage. Es gibt kein Team, das wir so einfach übersehen können, nur weil wir denken, dass wir besser sind. Wenn wir das tun, kann es Ergebnisse wie gegen Berlin geben“, mahnt Duncan. Er sieht die Monarchs auf einem guten Weg und warnt dennoch. Jedes Team versuche, den Titel zu gewinnen. Auch Paderborn, der nächste Gegner der Monarchs am Sonntag.

Rückennummer für den kleinen Bruder

Einen besonderen Wunsch abseits des Footballs will sich Duncan in Dresden auch noch erfüllen. Die beiden Auftritte seiner Monarchs im Harbig-Stadion haben in ihm das Interesse an Dynamo Dresden geweckt. „Ich habe schon versucht, Karten zu bekommen. Bisher hat das noch nicht geklappt. Ich habe hier quasi meine Leidenschaft für Fußball entdeckt. Erst am Dienstag war ich im Fanshop und habe mich nach einem Trikot umgesehen. Die neuen Shirts sehen sehr gut aus“, betont er.

Vermutlich fiele Duncans Wahl auf den Dress mit der Nummer sechs, seine Rückennummer bei den Monarchs. Zu der er noch eine Geschichte erzählt: „Ich habe mit meinem damals sechsjährigen Bruder Matthew telefoniert und ihm erzählt, dass ich zwischen Nummer vier und Nummer sechs wählen kann. Er antwortete, dass ich als Nummer sechs spielen soll – so alt, wie er ist. Das hat sich gut angefühlt, so ist er immer bei mir“, meint Duncan. Der Quarterback trägt zudem in jedem Spiel Armbänder, auf die er sich die Initialen seiner großen Familie schreibt. Drei Schwestern, einen Bruder und zwei Stiefbrüder gehören dazu. „Damit sie immer bei mir sind.“