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Tennis in Wimbledon ohne Russen - und in Dresden?

Wimbledon schließt Profis aus Russland aus, Superstar Novak Djokovic findet das verrückt. Wie reagiert Bundesligist Dresden, bei dem eine Russin spielt? Die meldet sich nun selbst zu Wort.

Von Alexander Hiller
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Die Moskauerin Varvara Flink spielt seit 2019 für den Klub aus dem Waldpark – auch 2022.
Die Moskauerin Varvara Flink spielt seit 2019 für den Klub aus dem Waldpark – auch 2022. © Archiv: Matthias Rietschel

Dresden. Geht dieser Schritt zu weit? Der All England Club, einziger privater Ausrichter eines der vier Grand-Slam-Turniere in der hochdotierten Tennis-Welt, hat diese Woche den Ausschluss russischer und belarussischer Profis vom Rasenturnier in Wimbledon vom 27. Juni bis 10. Juli bekannt gegeben. Die Engländer reagieren damit auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Die Reaktionen sind vielschichtig, sie reichen von Verständnis bis hin zu Enttäuschung und auch Empörung. Die Spielergewerkschaften ATP (Männer) und WTA (Frauen) lassen die betreffenden Profis bislang unter neutraler Flagge spielen, auf die Entscheidung der Privatorganisation haben sie allerdings keinen Einfluss. Der pauschale Ausschluss von Sportlern aus einem Land sei „diskriminierend“ (ATP) und „zutiefst enttäuschend“ (WTA), hieß es. „So sehr ich auch mit den Ukrainern fühle – das geht weiter, als es sollte“, sagte die siebenmalige Wimbledon-Siegerin Martina Navratilova. Und der serbische Superstar Novak Djokovic, der zu Jahresbeginn aufgrund seines Status als Nicht-Corona-Geimpfter von den Australian Open ausgeschlossen wurde, meint: „Ich halte das für verrückt.“

Hat diese Entscheidung nun auch Auswirkungen auf das Tennis in Deutschland? In der Bundesliga schlägt eine Reihe von russischen Profis auf. Der einzige ostdeutsche Frauen-Erstligist, der TC Blau-Weiß Blasewitz aus Dresden, hat für die im Mai startende Bundesliga-Spielzeit erneut die Russin Varvara Flink unter Vertrag genommen. Die 25-Jährige bestreitet bereits seit 2019 Punktspiele für den Klub. „Das sind Einzelsportler, die da antreten, die stammen aus dem Land, in dem ein Wahnsinniger meint, er müsse ein anderes Land überfallen. Ich bin nicht dafür, dass man deshalb alle russischen Spieler und Spielerinnen ausschließen muss“, sagt der Blasewitzer Sven Grosse auf SZ-Nachfrage.

Blasewitzer Argument: Spieler spielen für sich, nicht für ein Land

Flink habe sich in privaten Nachrichten von dem russischen Angriffskrieg distanziert. Der Deutsche Tennis-Bund (DTB), der den Bundesliga-Betrieb organisiert, habe den Vereinen grünes Licht für den Einsatz russischer Profis erteilt. Offiziell distanzieren vom russischen Machthaber Putin muss sich dafür niemand. „Ich bin gespannt, ob das ein Einzelfall bleibt und die Briten mal wieder ihr eigenes Ding machen – oder ob diese Entscheidung irgendwie durchschlägt“, sagt Grosse. Für die French Open, die am 22. Mai beginnen, sei ein Ausschluss beispielsweise kein Thema.

Allerdings sind Russland und Weißrussland auch bei Welt-, Europameisterschaften und anderen internationalen Höhepunkten in anderen Sportarten in diesem Jahr bereits ausgeladen worden. „Da tritt man ja für sein Land auf. Der Weltranglistenzweite Daniil Medwedew spielt ja in Wimbledon nicht für Russland, sondern für Daniil Medwedew“, argumentiert Grosse und verweist auf die Sanktionen der WTA und ATP, russische Profis unter neutraler Flagge spielen zu lassen. „Bei Weltmeisterschaften werden nicht die Sportler ausgeschlossen, sondern das Land – mit der Konsequenz, dass Sportler dieses Landes nicht antreten können“, betont Grosse.

Der TC Blau-Weiß Blasewitz plant fest mit Flink für den Liga-Start am 6. Mai in Aachen, wo mit Marina Melnikova ebenfalls eine russische Spielerin im Aufgebot steht. „Warum sollen da nicht jeweils russische Spieler für den jeweiligen Klub gegeneinander antreten?“, fragt Grosse und meint: „Das ist kein internationaler Wettbewerb zwischen Ländern. Dann müsste man auch beispielsweise in der Fußball-Bundesliga über Sanktionen gegen russische Profis nachdenken. Davon halte ich nichts.“

Varvara Flink gehört zu den Publikumslieblingen bei den Dresdnerinnen. „Und sie gehört zu unserer Klubfamilie“, sagt Grosse über die gebürtige Moskauerin, die seit November 2020 Mutter einer Tochter ist. Mit Kayla sowie mit ihrem Ehemann und Trainer, Dietrich Dernowski, hat sie ihren Lebensmittelpunkt seit einigen Jahren ohnehin in Florida, allerdings lebt Dernowskis Oma in Dresden. „Ich gehe fest davon aus, dass Varvara in dieser Saison für uns spielen wird, ich habe keine anderen Signale vom DTB, dass der Verband der Einzelfallentscheidung aus Wimbledon folgt“, erklärte der Teammanager, der Flinks Anreise aus den USA für Anfang Mai erwartet.

Die 25-Jährige, ehemalige Nummer 122 der Weltrangliste, habe dem Verein gegenüber kommuniziert, dass sie trotz der angespannten politischen Situation gern für Blasewitz spielen wolle. Nun hat Flink auf eine entsprechende SZ-Anfrage reagiert. Sie bleibt in ihren Äußerungen allerdings sehr vorsichtig. "Ich habe viel darüber nachgedacht und weiß nicht wirklich, was ich sagen soll. Diese Situation ist kompliziert und wirkt sich sehr auf mich aus. Meine ganze Familie lebt in Russland und alle, die ich kenne, wollen Frieden", schrieb Flink in dem kurzen Statement. (mit sid)