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Von Dynamos Sorgen und anderen Luxusproblemen

Der emotionale Sieg im Ostduell in Halle könnte für Dynamo Dresden mehr als nur das Ende der Negativserie sein. Der Trainer verweist indes auf die lange Verletztenliste. Die Tore und Highlights im Video.

Von Tino Meyer
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Kritischer Beobachter: Glücklich ist Dynamo-Trainer Markus Anfang mit dem Sieg in Halle, zufrieden mit der fußballerischen Leistung jedoch nicht.
Kritischer Beobachter: Glücklich ist Dynamo-Trainer Markus Anfang mit dem Sieg in Halle, zufrieden mit der fußballerischen Leistung jedoch nicht. © dpa/Hendrik Schmidt

Dresden. Was Dynamo Dresden Sorgen bereitet, würde anderswo in der 3. Liga vermutlich als Luxusproblem durchgehen. So hat das André Meyer, der Trainer des Halleschen FC, nach dem verdienten und kaum ernsthaft in Gefahr geratenen 2:0-Sieg der Dresdner nicht gesagt. Aber vielleicht gedacht. Und ganz sicher hätte Meyer sofort mit Dynamos Chefcoach Markus Anfang getauscht, als dieser am Samstagnachmittag auf die personelle Situation zu sprechen kommt und die Tatsache, dass am Mittwoch schon das nächste Punktspiel ansteht. „Wir haben leider viele Verletzte, das ist nun mal so, wir können nicht aus dem Vollen schöpfen“, sagt Anfang – und hat damit einerseits vollkommen recht.

Fünf Spieler fallen längerfristig aus, darunter die Stammplatzkandidaten Panagiotis Vlachodimos, Michael Akoto, Robin Becker und Luca Herrmann. Drei weitere – Yannick Stark, Paul Will und Kevin Ehlers – sind nach längerer Verletzungspause gerade dabei, wieder Anschluss zu finden. Was insbesondere Will in Halle schon unerwartet eindrucksvoll gelungen ist. Und Kyu-Hyun Park, der aufgrund von Leistenproblemen kurzfristig ausfiel, gibt es schließlich auch noch.

Mit Blick auf die dennoch üppig besetzte Dynamo-Reservebank steht andererseits die zumindest theoretische Frage, wie das funktionieren soll, wenn wirklich mal alle Profis fit sind. Schon jetzt ist der Konkurrenzkampf immens. Beispiel Angriff: Während sie bei Gegner Halle nach der Partie feststellten, dass ein großgewachsener Mittelstürmer dem eigenen Spiel gutgetan hätte, gibt es bei Dynamo mit Manuel Schäffler und Stefan Kutschke gleich zwei. Beide 33 Jahre alt, beide Typ Torjäger – und beide wohl selten gemeinsam auf dem Platz.

Entscheidung und Erleichterung zugleich: Nach Vorarbeit von Christian Conteh erzielt der eingewechselte Patrick Weihrauch das 2:0. Danach jubeln beide.
Entscheidung und Erleichterung zugleich: Nach Vorarbeit von Christian Conteh erzielt der eingewechselte Patrick Weihrauch das 2:0. Danach jubeln beide. © dpa/Hendrik Schmidt

Diesmal durfte wie schon in der Vorwoche beim 0:1 im Pokal gegen Erstligist Stuttgart erneut Schäffler anfangen. Und hätte nicht Halles Jonas Nietfeld die mustergültige Vorarbeit von Christian Conteh in der 14. Minute ins eigene Tor geschossen und Dynamo in Führung gebracht, wäre Schäffler zur Stelle gewesen. Nach gut einer Stunde war dessen Arbeitstag beendet, Kutschke kam.

„Wir haben frühzeitig reagiert und viel gewechselt, um noch mal frische Kräfte zu bringen und die Belastung ein bisschen zu verteilen“, erklärt Anfang. Über welche Möglichkeiten er dabei verfügt, wird in der 71. Minute deutlich – als er Yannick Stark und Patrick Weihrauch einwechselt. Stichwort Luxusproblem… Beide wären bei jedem anderen Drittligisten wohl gesetzt. Ebenso der wegen seines fußballerischen Potenzials hoch gehandelte Oliver Batista Meier, der diesmal das gesamte Spiel von außen erlebt hat.

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Weihrauch ist es dann, der nach sehenswerter Kombination wieder über Will und dem mit seiner individuellen Klasse herausragenden Conteh in der 80. Minute das 2:0 erzielt. Das Spiel ist damit entschieden, der Konkurrenzkampf aber offener denn je und darüber hinaus nicht ausgeschlossen, dass Dynamo noch Spieler vom Typus „echte Verstärkung“ verpflichtet.

Am Samstag ist das kein Thema, neben der Belastungssteuerung steht vor allem die mentale Komponente im Vordergrund. „Das Erfolgserlebnis tut uns gut, und das ist auch gut fürs Umfeld, dass endlich mal ein bisschen Ruhe einkehrt“, sagt Anfang. Er meint alle Diskussionen und auch die stetig wiederkehrenden Fragen zur Sieglosserie und was es mit einer Mannschaft macht, die 21 Pflichtspiele hintereinander nicht gewinnt. Fast acht Monate oder exakt 236 Tage sind immerhin seit jenem 12. Dezember 2021 und Dynamos 1:0-Erfolg in Aue vergangen.

Aufwand und Ertrag passen diesmal

Das hat sich nun erledigt. Und da lässt sich selbst das von Anfang kritisch angemerkte spielerische Manko im umkämpften und teils sehr emotional geführten Ostduell verschmerzen. Fußballerisch habe man gegen 1860 München und speziell auch im Pokal gegen den VfB Stuttgart besser gespielt, stellt der Trainer fest. In Halle sei es mehr ein Abnutzungskampf gewesen, immer wieder Mann gegen Mann über den gesamten Platz. Aber Fußball, darauf hat Kollege Meyer in seiner Spielanalyse hingewiesen, „ist am Ende trotzdem Ergebnissport. Es gibt keine B-Note“. Vielmehr müssten Aufwand und Ertrag stimmen, und das ist Dynamo in Halle allemal gelungen – anders als in vielen Spielen zuvor.

„Wir haben Ballverluste erzwungen, wir haben Chancen gehabt, sogar viele Chancen, und wir haben uns auch gut durchgesetzt. Aber in den ersten Minuten gab es bei dem einen oder anderen offenbar den Gedanken, vielleicht doch ein bisschen passiver zu sein. Das gefällt mir halt nicht“, erklärt Anfang seine deutlichen Ansagen zu Beginn an der Seitenlinie, ehe das Spiel mit dem Führungstor zugunsten Dynamos gekippt ist.

Noch nicht eingespielt

Gleichzeitig wirbt der 48-Jährige einmal mehr um Geduld. „Wir sind eine neuformierte Mannschaft, in Halle standen sieben Neuzugänge auf dem Platz. Die Jungs müssen sich immer wieder finden, wir müssen erst noch eingespielt sein“, erklärt Anfang, und dann wird er grundsätzlich. „Spieler stehen und fallen mit dem Selbstvertrauen. Wenn du keine Erfolgserlebnisse hast, ist es natürlich schwer, Selbstvertrauen zu tanken. Deshalb war dieser Sieg richtig wichtig für uns, auch dass wir kein Gegentor kassiert haben.“

Könnte fast als Kampfansage an die Liga durchgehen. Denn wenn zur individuellen Klasse in diesem sehr breit aufgestellten Kader nun noch das Vertrauen ins eigene Können, verbunden mit gewissen Selbstverständlichkeiten, hinzukommt… Im Fußball spricht man dann gemeinhin von einem Lauf, der Erfolge selbst an nicht so guten Tagen quasi garantiert.

Dynamo, diese Erkenntnis nehmen sowohl Anfang, seine Spieler als auch die Konkurrenz mit in diese englische Woche, steht offensichtlich ziemlich genau an der Schwelle. Was auch die Forderung von Tim Knipping verdeutlicht. Mit Blick auf die Partien am Mittwoch zu Hause gegen Verl sowie am Samstag bei Viktoria Köln fordert Dynamos Kapitän nicht weniger als die maximale Ausbeute, also insgesamt neun Punkte aus den drei Spielen. Der Anfang ist gemacht, so viel steht mal fest.