SZ + Sport
Merken

Großes Tennis nach schwerem Auto-Unfall

Lara Schmidt spielt mit Dresden in der Bundesliga – und mit gebrochenem Brustbein. An eine Pause denkt sie nicht.

Von Alexander Hiller
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Lara Schmidt spielt in dieser Saison bereits zweimal für den Bundesligisten Dresden-Blasewitz – mit einer Fraktur.
Lara Schmidt spielt in dieser Saison bereits zweimal für den Bundesligisten Dresden-Blasewitz – mit einer Fraktur. © Archiv: Lutz Hentschel

Dresden. Die junge Frau ist bislang nur Szenekennern bekannt: Lara Schmidt ist die Nummer 35 der deutschen Tennis-Rangliste der Damen – und fliegt damit weit unterhalb des Radars der öffentlichen Aufmerksamkeit. Auch aufgrund von Verletzungsausfällen liegt sie so weit hinten. Doch die ehemalige Nummer eins der Altersklasse U 18 in Deutschland besitzt offenbar außergewöhnliche Fähigkeiten, zumindest im Umgang mit ihrem eigenen Körper.

Schmidt spielt seit einigen Wochen mit einem gebrochenen Brustbein. Umso erstaunlicher, dass sie für den TC Blau-Weiß Blasewitz nicht nur in der Bundesliga antritt, sondern auch gewinnen kann. Am vergangenen Sonntag drehte sie ihr Einzel nach einem 0:6, 0:4-Rückstand noch in einen Dreisatzsieg um. Angesichts ihrer Krankenakte eine umso bemerkenswertere Leistung. „Ich ziehe das ohne Schmerzmittel durch, will spüren, wenn mir etwas wehtut. Im Spiel merke ich ohnehin nichts, erst abends, wenn der Körper zur Ruhe kommt“, sagt Schmidt.

„Mein Airbag ist nicht aufgegangen“

Die Verletzung zog sich die in Lauf bei Nürnberg geborene Tennisspielerin bei einem, wie sie betont, unverschuldeten Autounfall in ihrer Heimat Ende April zu. Die Ermittlungen dazu dauern an. Schmidts Erinnerungen nach knallte ein anderer Wagen in die Fahrerseite. „Mein Airbag ist nicht aufgegangen, sodass der Sicherheitsgurt die Wucht des Aufpralls abgehalten hat“, erzählt sie. Der vermeintliche Verursacher blieb indes unverletzt. „Er hat bis heute noch nicht einmal gefragt, was mit mir ist oder wie es mir geht. Wenn einer verletzt ist, sollte man sich unabhängig von der Schuldfrage mal bei dem anderen erkundigen. Das finde ich schon irgendwie traurig“, sagt Schmidt.

Der Druck auf ihren Brustkorb war beim Aufprall so gewaltig, dass sie am Unfallort drei Mal bewusstlos wurde. Die Untersuchung im Krankenhaus gab Entwarnung, zunächst. „Man sagte mir, dass das Rippenprellungen sein werden und noch länger schmerzen wird“, sagt sie. 20 Tage später wollte Schmidt dann zu einem Turnier fliegen und ließ sich vorher sicherheitshalber von einem Internisten noch einmal durchchecken. Denn ganz ohne Folgen blieb der Unfall doch nicht.

„Beim Spielen ist mein Herz gerast, bei Belastungen verspürte ich einen deutlichen Druck. Beim MRT wurde dann festgestellt, dass ich eine Fraktur habe“, sagt Schmidt. Die Ärzte wiederum bestätigten ihr, dass es nach Unfällen nicht unüblich sei, dass sich Knochenbrüche erst später abbilden lassen. Auch Schmidt kennt sich mit solchen Verletzungen aus, sie spielte schon mal zweieinhalb Monate mit einem unerkannten Mittelfußbruch.

Heilungsdauer bleibt ungewiss

Die 21-Jährige holte die fachliche Meinung eines Chirurgen ein, ob sie mit gebrochenem Brustbein überhaupt weiter Tennis spielen darf. „Man kann bei einer Fraktur an dieser Stelle nichts machen, außer Ruhe geben. Ich könne aber auch ohne Bedenken Tennis spielen, wenn es mich nicht einschränkt“, gibt sie die Ansage des Arztes wieder.

Wie lange die Heilung dauert, weiß Schmidt nicht. Dass sie ihr Pensum weiter unbeirrt durchzieht, wirkt sich natürlich nachteilig auf den Gesundungsprozess aus. Das aber nimmt sie in Kauf. „Für mich war sofort klar, dass ich weiter Tennis spiele. Es ist nicht so schlimm, dass ich überhaupt nichts machen kann“, erklärt die Halbsächsin, deren Mutter aus Heidenau stammt.

Schmidt spielt nun über ihre Schmerzen hinweg. „Ich hatte und habe noch immer Schmerzen, vertrage da aber vielleicht etwas mehr als andere“, erklärt sie lachend und stellt klar: „Für mich war eine Pause kein Thema. Jetzt gibt es auch nur noch wenige Tage, an denen die Schmerzen ganz schlimm sind.“

Eigene Turnierpläne stehen hintenan

Im August will sich Schmidt nochmals untersuchen lassen, um sicherzugehen, dass die Knochen zusammengewachsen sind. Eine Behandlung bei einem Heilpraktiker verleiht ihr zusätzlich Sicherheit, dabei musste sie sich im Oktober 2020 zudem noch einer Schulteroperation unterziehen. Der Eingriff warf sie sportlich weit zurück.

Das Leben als Tennisprofi will sie fortsetzen. Die eigenen Turnierpläne stehen dabei hintenan, wenn es um die Bundesliga in Dresden geht – im Gegensatz zu den Stars wie Andrea Petkovic, die das genau andersherum praktizieren. „Mir ist wichtig, dass ich für die Mannschaft da bin, auch wenn man erst kurzfristig Bescheid bekommt, ob man spielen kann oder nicht“, sagt Schmidt.

Im 18-köpfigen internationalen Kader ist sie an Nummer 15 gelistet. Schmidt spielt für Blasewitz also nur, wenn die stärksten Profis anderweitig in der Welt aktiv sind. Doch auch das ist ein lohnenswertes Ziel, das sie ebenso klaglos akzeptiert wie ihre Verletzung.