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Der Spagat eines Zweitligaspielers: Halbprofi und Malocher

Martin Kroß spielt für den VC Dresden in der 2. Volleyball-Bundesliga. Sein Geld jedoch verdient er mit der Pflege von großen Maschinen.

Von Alexander Hiller
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Martin Kroß und sein nächstes "Projekt". Um den knapp 19 Tonnen schweren Muldenkipper von Schlamm und Dreckverkrustungen zu reinigen, benötigt er etwa sechs Stunden.
Martin Kroß und sein nächstes "Projekt". Um den knapp 19 Tonnen schweren Muldenkipper von Schlamm und Dreckverkrustungen zu reinigen, benötigt er etwa sechs Stunden. © Matthias Rietschel

Dresden. Wo hört Hobby auf und wann fängt Profisport an? Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach. In der 2. Volleyball-Bundesliga zum Beispiel gibt es einige Diskussionen, in welches Lager man diese Spielklasse einordnet. Verkürzte Antwort: Auf dem Label steht zwar Bundesliga drauf, professionelle Strukturen gibt es aber nicht. Geld beinahe noch weniger. Kurzum, die Protagonisten verdienen in ganz normalen Berufen ihren Lebensunterhalt.

Martin Kroß ist dafür das beste Beispiel. Der 30-Jährige spielt für den Zweitligisten VC Dresden als universell einsetzbarer Angreifer, 20 Jahre ist er jetzt schon bei dem knapp 300 Mitglieder zählenden Klub. Aber eigentlich ist Kroß ein echter Malocher.

Seit zwei Jahren arbeitet er als Haus- und Hofwart bei der Kiesel Ost GmbH in Cossebaude, eine Firma im Dresdner Speckgürtel, die Baufahrzeuge verleiht. Zu seiner Arbeit gehört neben den Vorbereitungen für die UVV-Prüfung (Unfallverhütungsvorschriften) auch die Reinigung der zum Teil riesigen PS-Monster.

Die Tage von Kroß beginnen bereits 5 Uhr

"Mein Tag fängt 5 Uhr an, früh brauche ich einen Kaffee, dann fahre ich eine Stunde mit Bus und Bahn in die Firma, fange 7 Uhr mit der Arbeit an", erzählt er. Mindestens bis 15.30 Uhr rackert Kroß, manchmal länger. Die drei bis vier Trainingseinheiten beim VC beginnen dann meist 18 Uhr. "Deshalb arbeite ich oft auch bis 17 Uhr, dann habe ich einen nahtlosen Übergang", sagt er.

"Einige bekommen vom Klub eine ganz leichte Aufwandsentschädigung, nicht alle. Aber Aufwand und Nutzen steht da in keinem Verhältnis", sagt Kroß und verweist zum Vergleich auf die Profigehälter selbst im viertklassigen Fußball. "Im Volleyball kann man in der 2. Liga und teilweise auch in der 1. Bundesliga von einem möglichen Salär nicht leben. Die Topspieler ja." Zu denen gehört der dreifache deutsche Nachwuchsmeister allerdings nicht. Er absolviert, wenn es der Job zulässt, drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche.

"Ich habe schon oft gesagt: Ich höre auf, jetzt reicht es"

Das ist ein Spagat, der auf die Knochen geht. Das muss man wollen. "Ich mache mir schon seit sechs Jahren Gedanken, ob ich mir das noch antun will. Es ist wirklich jeden Sommer so, dass ich da entscheide: Spiele ich weiter Volleyball oder nicht", erklärt Kroß schmunzelnd und ergänzt: "Ich habe schon oft gesagt, ich höre auf, jetzt reicht es." So ernst hat man das im Verein offenbar nie genommen.

Ihn bindet auch das enge Zusammengehörigkeitsgefühl an den Verein. "Wir sind eine große Community. Mit fast allen bin ich befreundet, man trifft sich auch außerhalb, wir haben Spaß zusammen, wir verstehen uns einfach", sagt Kroß und verweist auf die Attraktivität der Ballsportart: "Das ist ein ansehnlicher Sport. Die Schnelligkeit, die Dynamik, das Reaktionsvermögen - das muss man erstmal so nachmachen können."

Allerdings ist der Sport für ihn auch zum Alltag geworden. "Ich schon ein paar Jahre berufstätig. Das ist Gewohnheit. Man steht früh auf, geht arbeiten - dann danach zum Training. Am Wochenende die Spieltage. In dem Umfang würde ich das nicht unbedingt brauchen. Ich weiß aber nicht, ob mir das fehlen würde, das habe ich noch nie ausprobiert. Man muss den richtigen Zeitpunkt finden, um aufzuhören."

Den hat Kroß wohl noch nicht gesichtet. Dabei hat er beim VC Dresden schon alle Hochs und Tiefs mitgemacht, sogar die Erstligazeit (2012 bis zur Insolvenz im Dezember 2014) - mit anschließendem Neubeginn in der Regionalliga.

Auch in der Abwehr gibt Martin Kroß (r.) eine gute Figur ab. Mittlerweile wird er aber im Angriff des VC Dresden universell eingesetzt.
Auch in der Abwehr gibt Martin Kroß (r.) eine gute Figur ab. Mittlerweile wird er aber im Angriff des VC Dresden universell eingesetzt. © Agentur

Jetzt hat seit dem Wiederaufstieg 2020 in die 2. Bundesliga in jeder Saison der Klassenerhalt die oberste Priorität beim VC Dresden. Vor dem Heimspiel an diesem Sonntag gegen den TV Bühl liegen die Schützlinge von Trainer Peter Hesse im gesicherten Mittelfeld auf Rang sieben. Noch ein Zähler fehlt noch zum frühzeitigen Ligaverbleib. "Absteigen können wir auf keinen Fall mehr", ist sich Kroß sicher und betont: "Man sollte sich schon im oberen Mittelfeld der Tabelle einnisten, wenn man einmal die Chance dazu hat. Das spiegelt auch unser Leistungsvermögen wider."

Allerdings ist das nicht auf allen Ebenen so: "Die Trainingsleistung", merkt er kritisch an, "könnte noch besser sein." Einige Einheiten seien nicht so gut besucht oder das Training selbst werde nicht besonders intensiv abgearbeitet. "Klar sind andere auch müde, geschafft und kaputt. Da passiert auch mal ein Leistungsabfall, das ist aber bei mir genauso."

Allerdings hat sich Kroß bereits gewappnet und sich andere Hobbys gesucht: "Jetzt spiele ich noch gern Darts und Skat." Für die "Dresdner Skatbuben" ist der Zweitliga-Volleyballer Vize-Sachsenmeister im Einzel geworden. "Skat ist für mich eine schöne Ablenkung, da kann ich meinen Kopf ausschalten", sagt der gelernte Einzelhandel-Verkäufer. Bei den langen Auswärtsfahrten mit seinen Teamkollegen packt Kroß auch hin und wieder die Karten aus. Mal sehen, wie lange noch.