SZ + Pirna
Merken

Was ist aus dem Elch von Burg Stolpen geworden?

Im August wurde eine Elchkuh bei Stolpen gesichtet, im November folgte ein Elch-Unfall bei Weinböhla. War es dasselbe Tier?

Von Dirk Schulze
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Elchkuh vor Burg Stolpen. Das Tier hat sich mehrere Wochen in der Gegend aufgehalten.
Elchkuh vor Burg Stolpen. Das Tier hat sich mehrere Wochen in der Gegend aufgehalten. © Björn Folgner

Es war eines der Bilder des Jahres aus der Sächsischen Schweiz: Ein Elch spaziert auf einem Feld vor der Burg Stolpen entlang. Aufgenommen wurde das Foto am 18. August von Björn Folgner, der sich gerade mit dem Auto auf dem Nachhauseweg in einen Nachbarort befand.

Der Staatsbetrieb Sachsenforst bestätigte damals, dass es schon mehrere Sichtungen gegeben hatte. Die Elchkuh - es handelt sich um ein weibliches Tier - war in den umliegenden Wäldern in diverse Fotofallen getappt, mehrere Forstmitarbeiter hatten sie auch persönlich zu Gesicht bekommen. Zuvor hatte es ähnliche Meldungen inklusive Fotos aus der Oberlausitz gegeben.

Ende Oktober sorgte dann ein außergewöhnlicher Wildunfall bei Weinböhla für Aufsehen. Ein Toyota kollidierte an einem Sonntagnachmittag mit einem Elch, der unversehens über die Straße lief. Am Auto entstand Blechschaden, die Insassen blieben unverletzt. Das Tier verschwand im Wald.

Die von den Hunden alarmierter Jäger aufgenommene Fährte endete an einem Zaun, den der Elch übersprungen haben muss. Offenbar hatte das Tier bei dem Unfall maximal ein paar Schrammen abbekommen. Bilder einer Wildkamera, die kurz darauf entstanden, zeigen einen äußerlich unverletzten weiblichen Elch.

Zwei Elchkühe in Ostsachsen unterwegs

Die Vermutung lag nahe, dass es sich um dieselbe Elchkuh handelte, die zuvor bei Stolpen unterwegs war. Doch dem ist offenbar nicht so.

Darauf deuten die Daten hin, die Michael Striese gesammelt hat. Der Biologe aus der Nähe von Boxberg, der hauptberuflich ein Planungsbüro betreibt, beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Elch. Er sammelt Sichtungsmeldungen und Fotos der stattlichen Tiere aus ganz Sachsen. Das waren 2023 so viele wie nie.

"Ich gehe davon aus, dass wir diesen Sommer zwei Elchkühe im östlichen Sachsen hatten", sagt Striese. Die beiden Tiere von der Burg Stolpen und dem Wildunfall bei Weinböhla sind demnach verschiedene gewesen. Wie er zu dieser Schlussfolgerung kommt?

Elchkuh auf Wanderschaft, fotografiert am 11. Juli in Caminau bei Königswartha.
Elchkuh auf Wanderschaft, fotografiert am 11. Juli in Caminau bei Königswartha. © Antje Voigt

Zuerst wurde eine Elchkuh in diesem Jahr am 9. Juli bei Weißwasser gesichtet. Zwei Tage später entstanden Fotos am Kaolinwerk Caminau bei Königswartha, am 13. Juli wurde eine Elchkuh bei Rammenau gemeldet - bereits südlich der Autobahn A4 -, am 19. Juli im Schönfelder Hochland kurz vor Dresden. Auf der Karte ergibt das eine recht gerade Linie von Nordosten nach Südwesten.

Eine Meldung passt nicht ins Bild

Allerdings gibt es eine Meldung, die nicht ins Bild passt. Am 16. Juli entstand ein Foto einer Elchkuh in Spreewitz. Das liegt auf gleicher Höhe wie Weißwasser an der Grenze zu Brandenburg, nur etwa 15 Kilometer Luftlinie vom ersten Sichtungsort entfernt. Nur einen Tag später, am 17. Juli, gab es eine Meldung aus Ohorn, gut 50 Kilometer südlich, nicht weit von Rammenau, am 18. Juli folgte ein Beleg aus der Massenei, schon wieder südlich der A4.

"Das passt nicht zusammen", sagt Michael Striese. Elche könnten zwar sehr schnell unterwegs sein. Dass ein und dasselbe Tier erst nach Süden läuft, dann 50 Kilometer nach Norden, nur um erneut kehrt zu machen für noch einmal die gleiche Strecke zurück nach Süden und dabei innerhalb weniger Tage zweimal die Autobahn quert, hält er für ausgeschlossen.

Theorie: Elche nördlich und südlich der A4

Eine Theorie zur Erklärung: Es waren in diesem Sommer zwei Elchdamen zeitweise parallel anwesend. Eine könnte sich eher nördlich der A4 aufgehalten haben, die andere südlich. Die Elchkuh, die im August im Raum Stolpen unterwegs war und dort über längere Zeit mehrfach gesehen wurde, ist laut Einschätzung des Fachmanns Ende September wieder in Richtung Polen abgewandert. Dafür sprechen Sichtungen aus der Nähe von Neukirch am 26. September und schon einen Tag danach weiter östlich bei Löbau.

Elch-Fachmann Michael Striese hofft auf Hinweise zu weiteren Elch-Sichtungen.
Elch-Fachmann Michael Striese hofft auf Hinweise zu weiteren Elch-Sichtungen. © Steffen Unger

Der Wildunfall bei Weinböhla passierte einen guten Monat später, am 29. Oktober. Diese Elchkuh könnte eher von Norden aus Brandenburg gekommen sein. Am 15. September wurde eine Elchkuh zwischen Elsterwerda und Plessa gesichtet, also bereits westlich der Autobahn A13, wenige Tage zuvor an der Königsbrücker Heide.

Belegen lässt sich das nicht, erklärt der Fachmann. Die Wildtiere tragen keine Sender und anders als die männlichen Elche mit ihren markanten Geweihen lassen sich die weiblichen Tiere äußerlich schwer unterscheiden. In den waldreichen Gebieten wie der Königsbrücker Heide fällt ein Elch kaum auf, die vorhandenen Fotos stammen meist von Feldern und Wiesen.

Elch-Fachmann bittet um Mithilfe

Die vermeintlichen zwei Elchkühe waren nicht die einzigen Elche in Sachsen in diesem Jahr. Noch im Herbst wurden zwei junge Elchhirsche nördlich von Bautzen fotografiert. Einen weiteren vermutet Michael Striese in den Moritzburger Wäldern. Hinzu kommt eine dritte Elchkuh im Leipziger Raum. Besonders die Häufung der weiblichen Tiere in diesem Jahr ist besonders.

Die Elche wandern aus Polen ein. Dort ist die Population mittlerweile auf 30.000 Tiere gewachsen, wenngleich die Mehrzahl im Norden und Osten Polens lebt. Theoretisch können die Elche auch hierzulande geeignete Bedingungen vorfinden. "Wir sind gespannt, wie sich das entwickelt", sagt Michael Striese.

Wer einen Elch sieht, sollte dies bitte melden bei: Michael Striese, Büro für Naturschutz und landschaftsökologische Forschung, Tel.: 035895 50383 oder 0173 8222984 oder E-Mail [email protected], gern mit Foto oder Video.