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Schlag gegen Varnsdorfer Auto-Mafia

Der tschechische Grenzort zählt seit Jahren zum Hotspot der Autodiebe. Der Polizei ist nun ein Coup gelungen. Frühere Verfahren führen auch zu einem bekannten Lokal.

Von Anja Beutler
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Bei dem Schlag gegen die Varnsdorfer Automafia stellten Polizisten gestohlene Autos und Autoteile sicher.
Bei dem Schlag gegen die Varnsdorfer Automafia stellten Polizisten gestohlene Autos und Autoteile sicher. © Polizei Sachsen

Es war eine lange vorbereitete Aktion, ein "Schlag", der vor rund einer Woche in Varnsdorf Spuren hinterließ: Deutsche und polnische Polizisten durchsuchten in der tschechischen Grenzstadt "neun Objekte" - vor allem Wohnungen, Garagen, Werkstätten und Lagerhallen - nach gestohlenen Autos und Autoteilen. Fünf entwendete Wagen - teilweise bereits zerlegt - fanden sie vor und nahmen zugleich sieben tschechische Männer fest. Der Vorwurf: "Verdacht des schweren Bandendiebstahls in mehreren Fällen". Ist den Autodieben von Varnsdorf nun also endlich das Handwerk gelegt?

Wohl eher nicht, denn Varnsdorf gilt als Dreh- und Angelpunkt international tätiger Auto-Diebesbanden, das bestätigt der Sprecher des Landeskriminalamtes, Tom Bernhardt, auf Nachfrage. Auch der Dresdner Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt bestätigt, dass aus Varnsdorf viele Beschuldigte mehrerer Verfahren im Bereich Kfz-Kriminalität stammen. An mehreren Gerichten sind und waren Verfahren anhängig. Zwei Beschuldigte aus Varnsdorf sind beispielsweise im Sommer 2019 vom Landgericht Dresden zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Einer von ihnen gehört nach SZ-Informationen zu einer in Varnsdorf lebenden Großfamilie, die unter anderem ein bekanntes Lokal betreibt.

Einer der Fälle, der dem zu vier Jahren Gefängnis Verurteilten zugeschrieben wird. So berichtet die SZ am 17. März 2017 darüber.
Einer der Fälle, der dem zu vier Jahren Gefängnis Verurteilten zugeschrieben wird. So berichtet die SZ am 17. März 2017 darüber. © Screenshot: Anja Beutler

Großfamilien spielen eine Rolle

Der heute 26-Jährige arbeitete wohl auch in diesem familiären Gasthaus, verdiente sich einen Gutteil seines Lebensunterhaltes aber eher mit Autodiebstahl und -verkauf. Vom Auskundschaften der Wagen über den Transport zum Tatort und den Verkauf hatte er alles bestens mit weiteren Helfern geplant. Seine vom Gericht verhängte vierjährige Gefängnisstrafe resultiert aus insgesamt zehn geglückten und zwei versuchten Autodiebstählen aus den Frühjahrsmonaten von 2017, die ihm nachgewiesen werden konnten. In Herrnhut, Olbersdorf, Zittau, aber auch Bautzen und Bad Schandau war der Mann unterwegs. Die geknackten Wagen - hauptsächlich VW, Audi und Skoda - brachte die Bande über die Grenze, wo sie die Autos dann zerlegte. Sein gleichalter Kumpan erhielt für drei Pkw-Diebstähle und weitere Versuche zwei Jahre und drei Monate Gefängnis.

Ob die Verurteilten noch für weitere Taten verantwortlich sind, kann man mit Sicherheit derzeit noch nicht sagen. Einer von ihnen soll dem Vernehmen nach aber eine größere Rolle in der Bande gespielt haben. Dass er mit weiteren Diebstählen zu tun gehabt hat, ist daher durchaus möglich. Allerdings gibt es in Varnsdorf eben nicht nur die eine Bande, die sich auf Autodiebstähle oberlausitz- und sachsenweit spezialisiert hat. Es gibt mehrere Netzwerke und Gruppierungen, die sich teilweise auf unterschiedliche Fahrzeugmarken fokussieren. Daher gehen die neuerlichen Festnahmen auch nicht auf Aussagen bisher gefasster Täter zurück, sondern gründen auf frischen Ermittlungen in den Varnsdorfer Banden-Netzwerken, erklären Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt, das mit der "Soko Kfz" die Ermittlungen gemeinsam mit den tschechischen Kollegen führt.

Polizisten beim Einsatz gegen Autodiebesbanden in Varnsdorf vor gut einer Woche. Sie nahmen sieben Männer fest.
Polizisten beim Einsatz gegen Autodiebesbanden in Varnsdorf vor gut einer Woche. Sie nahmen sieben Männer fest. © Polizei Sachsen

Von den sieben nun festgenommenen Männern - 21, 22, 25, 30, 33 und 44 Jahre alt - ist bislang keiner in einem anderen, bereits geführten Strafverfahren in Erscheinung getreten, bestätigen Polizei und Staatsanwaltschaft. Noch werden mögliche Verbindungen zwischen bekannten Verfahren und diesem neuen Fall recherchiert. "Man kann es nicht ausschließen, aber wir werten die Ergebnisse noch aus", sagt LKA-Sprecher Bernhardt salomonisch.

Gericht befasst sich mit weiteren Fällen

Vielleicht wird dabei auch überprüft, inwieweit es Verbindungen zu einem weiteren Fall gibt, bei dem der Beschuldigte ebenfalls aus Varnsdorf kommt, und der momentan beim Dresdner Amtsgericht liegt. Dem dort angeklagten Mann wird Hehlerei vorgeworfen, die im Zusammenhang mit vier Diebstählen aus den Jahren 2015 bis 2017 stehen. Die Autos stammten in diesem Fall aus Dresden, Weimar und Sohland. "Noch ist nicht entschieden, ob es zu einer Hauptverhandlung kommt", gibt Richterin Birgit Keeve Auskunft. Aber auch hier ist lokaler Dreh- und Angelpunkt der Taten Varnsdorf.

Bis zum Prozess ist es bei den aktuellen Festnahmen ebenfalls noch ein Stück Weg. Doch die gesammelten Fakten sind umfassend: Die Beschuldigten sollen zwischen März 2015 und August 2020 mindestens zwölf Autos der Marke Skoda in Dresden, Bautzen, Bischofswerda, Großschönau, Kamenz, Kirschau, Neukirch und Sohland entwendet und nach Tschechien überführt haben, um sie dort gewinnbringend zu verwerten. Weiterhin wurde eine Vielzahl von Autoteilen sichergestellt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit 17 weiteren, in Deutschland gestohlenen Autos, zugeordnet werden können. "Dabei sollen die Beschuldigten bandenmäßig organisiert und arbeitsteilig handelnd vorgegangen sein", schildert der LKA-Sprecher. Gegen fünf der Männer lag ein frischer, europäischer Haftbefehl vor. Der letzte Haftbefehl in einem solchen Fall wird es nicht sein, da sind sich auch die Ermittler sicher.

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