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Dresdens letzte Videoverleiher kämpfen 

Die Branche steckt in der Krise. Die großen Ketten haben die Stadt verlassen. Nur zwei Vereine halten die Stellung.

Von Sarah Herrmann
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Sie gibt es noch: Die  Phase IV in der Dresdner Neustadt setzt vor allem auf Filme abseits des Massengeschmacks.
Sie gibt es noch: Die Phase IV in der Dresdner Neustadt setzt vor allem auf Filme abseits des Massengeschmacks. © Anja Schneider

Abends gemütlich auf dem Sofa sitzen und einen Film schauen – wer früher zur Videothek um die Ecke gefahren oder gelaufen ist, drückt heute meistens nur einen Knopf auf der Fernbedienung. 

Während die großen Ketten nach der Wende ein Geschäft nach dem anderen eröffneten, sind sie mittlerweile ganz aus Dresden verschwunden. Im Sommer wurde die Filiale des Unternehmens Video World geschlossen. Nur in Berlin und Potsdam gibt es noch Standorte, von einem einst riesigen Netz sind fünf Filialen geblieben. Zu den Gründen für die Schließung schweigt das Unternehmen auf SZ-Anfrage. Wahrscheinlich ist aber, dass sich das Geschäft mit dem Videoverleih nicht mehr gelohnt hat. Denn die ganze Branche steckt in der Krise.

Denn der Wettbewerb ist dank der Vielzahl der Streaming-Dienste hart, wie auch Jörg Weinrich vom Interessenverband des Video- und Medienfachhandels (IVD) weiß. So gab es in Sachsen im vergangenen Jahr nur noch 22 Videotheken, Ende 2001 waren es noch 265.

Neben Netflix, Amazon und Co. macht der Experte noch etwas anderes für das rapide Verschwinden der Anbieter verantwortlich: „Neben einem stärkeren Wettbewerbsumfeld ist insbesondere die immer noch hohe Piraterie der Grund für die Videothekenschließungen“, so Weinrich. „Es ist halt überaus schwierig, mit dem illegalen Angebot mitzuhalten.“ Denn dort gebe es Filme zum Herunterladen bereits, bevor sie auf DVD erscheinen. Um sich zu halten, empfiehlt der IVD-Sprecher vor allem auf brandaktuelle Filme, Werbung und eine Beratung zu setzen.

In der Filmgalerie Phase IV in der Dresdner Neustadt setzt Sven Voigt diese Tipps um. Sein Geheimnis ist dennoch ein anderes: Der bekannte Filmverleih setzt vor allem auf Streifen abseits des Massengeschmacks. „Das ist unser Alleinstellungsmerkmal“, sagt der Leiter. Deswegen habe er das Geschäft bewusst nicht Videothek, sondern Filmgalerie getauft. Doch Voigt durchlief gerade in den vergangenen Jahren nicht nur rosige Zeiten.

Zweimal verkündete der einstige Inhaber der Videothek bereits die Schließung seines Geschäfts. Nun sind die Türen auf der Königsbrücker Straße zwar immer noch geöffnet. Voigt ist allerdings nur noch halbtags angestellt – vom Phase-IV-Verein. Der wurde im vergangenen Jahr gegründet, um den Schatz von über 13.000 Filmen zu bewahren. Lukrativ darf und kann das Geschäft nun nicht mehr sein. Schließlich wird es nun von einem gemeinnützigen Verein betrieben. „Sollte mal Geld übrig bleiben, wird es wahrscheinlich in neue Filme oder Projekte gesteckt“, sagt Vorstand Lucie Hüter, die wie viele andere aus dem Verein ehrenamtlich für die Filmgalerie arbeitet. Doch von großen Investitionen ist die Phase IV bislang weit entfernt.

Derzeit zählt der Verein über 600 Mitglieder. Die zahlen monatlich zehn Euro und können im Gegenzug alle Filme kostenfrei ausleihen. 650 Mitglieder war das große Ziel bis Jahresende – eine solide Basis für die Filmgalerie. Doch auch jetzt ist die Gefahr der Schließung nicht akut. „Wir sind vorsichtig optimistisch“, sagt Voigt. Jeden Monat kämen immer noch zehn oder mehr Mitglieder hinzu. Besonders im Herbst habe es Zulauf gegeben, ergänzt Alexander Stark, der ebenfalls halbtags als Leiter der Videothek angestellt ist. Auch von der nun geschlossenen Video-World-Filiale in Löbtau hätten Kunden gewechselt.

Weit weniger Mitglieder hat der Filmgalerie Dresden e.V., der bereits 2017 von Andreas Martin gegründet wurde, um die Programmvideothek „cookino“ in Striesen zu retten. Die heißt mittlerweile Filmgalerie und existiert immer noch. „Ich denke, dass es wichtig war, den Filmbestand zu retten und diesen Verein zu gründen, um eine feste Institution und einen Ort des Austauschs zu schaffen - es wäre sonst ein Stück Kultur für immer aus Dresden verschwunden“, sagt Martin. Er gewinnt dem Videothekensterben sogar etwas Gutes ab. „Ich hatte schon seit längerer Zeit die Hoffnung, dass die Filmgalerien als einzige die Chance haben, zu überleben – und dass es wieder um Filmkunst gehen wird und nicht um den schnöden Mammon. Und genau das ist jetzt eingetreten.“

Die Sorgen bleiben dennoch. Rund 240 Mitglieder zählt der Verein derzeit. 300 müssten es sein, um wirklich stabil dazustehen. Auch die Sponsorengewinnung sei nicht einfach. „Wir glauben, dass auf diesem Gebiet am ehesten mit Kulturförderung etwas zu erreichen ist“, sagt Martin. Deswegen gibt es in den Räumen auf der Altenberger Straße viele Veranstaltungen, wie den Filmabend mit Katja Kipping an diesem Montag. Allerdings gebe es derzeit niemanden, der sich um das Bearbeiten der Förderanträge kümmern kann.

Die Zukunft der Filmgalerien steht also weiter auf wackeligen Beinen. Aber Dresdens letzte Videoverleiher kämpfen weiter.

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