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Turow: Unverständnis über Zittaus Kritik

Während die Stadt wegen der Kohleabbau-Folgen die EU einschaltet, verweist der Betreiber auf etliche Schutzmaßnahmen. Und was sagen die Polen?

Von Thomas Christmann & Klaus-Peter Längert
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Blick auf Kraftwerk und Grube Turow.
Blick auf Kraftwerk und Grube Turow. © Matthias Weber/photoweber.de (Archivbild)

Der Tagebau Turow erfüllt alle Umweltauflagen, um den Kohleabbau bis 2044 fortzuführen. Davon ist der polnische Betreiber PGE überzeugt. Zumal seinen Angaben zufolge fünfjährige, grenzüberschreitende Besprechungen mit der deutschen Seite dazu stattfanden. An denen nahmen unter anderem Denise Arnold als Vertreterin des sächsischen Oberbergamtes, Christof Sangenstedt vom Bundesumweltministerium sowie Matthias Matthey von der Stadt Zittau teil. Sie endeten laut PGE mit der Unterzeichnung eines Schlussprotokolls. Erst auf dieser Grundlage hat der Regionaldirektor für Umweltschutz Wroclaw (Breslau) die Genehmigung erteilt, die Abbaulizenz zu verlängern.

PGE reagiert mit dieser Erklärung in polnischen Medien auf die Einwände der Stadt Zittau, die wegen des umstrittenen Ausbaus des Braunkohletagebaus vorige Woche Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt hat. "Während der Konsultationen lag das Augenmerk unserer Nachbarn auf den Lärmemissionen, der Staubbelastung und der Bodensenkung", teilt Betreiber PGE mit. Er hat nach eigener Aussage zufolge eine Reihe von Maßnahmen unternommen, um den Einfluss des Bergbaus auf die Umwelt und Umgebung zu verringern. So ruhen beispielsweise die Arbeiten von Abraumbaggern und Förderbändern zwischen 22 und 6 Uhr auf der südwestlichen Halde, die an Drausendorf grenzt. Geplant ist noch ein Austausch der Rollen an den Bändern, womit der Geräuschpegel sinken soll. Darüber hinaus ist ein Erdwall vorgesehen, um den Lärm in Richtung Drausendorf zu verringern.

Hier geht's um die Politik

Auf polnischen Portalen wie zgorzelec.info fallen die Reaktionen auf den Beitrag von PGE recht unterschiedlich aus. Die einen halten der deutschen Seite vor, selbst die größten Braunkohle-Gruben und -Kraftwerke zu haben. Selbstverständlich hätten die Polen nicht die vielen Jahre der Vergiftung durch das Kraftwerk Hagenwerder vergessen, heißt es. Und um Zittau herum gebe es vollgelaufene Tagebaue, Grundwasser fehle also nicht. "Hier geht es eher um Politik." So schreibt jemand, dass den Deutschen der polnische Standpunkt zu Nordstream 2 nicht gefällt. Deshalb würden sie sich dem Protest der Tschechen anschließen. "Schmutzige und brutale Energiepolitik, die nichts zu tun hat mit Ökologie." Sogar von einem künstlichen Geschrei ist die Rede.

Andere sehen genau die Umwelt im Mittelpunkt, weshalb im Sinne der Gesundheit der Tagebau geschlossen werden muss. Er vergifte und zerstörte seit Jahrzehnten die Umwelt, heißt es. Polen hätte die schmutzigste Energie und schlimmste Luft in Polen. Einer schreibt sogar von der größten Abraumhalden-Katastrophe der Welt, die in Turow passierte. Seither würden die schlimmsten Substanzen ins Grundwasser gelangen, darunter Arsen. "Das ist eine ökologische Katastrophe." Die Erkrankungshäufigkeit an Krebs in der Region Turow sei eine der höchsten in Polen. Diese Untersuchungen hätte die Medizinische Akademie Wroclaw über Jahre geführt.

Dabei wird der Stand des Grundwassers seit Jahren durch polnisch-tschechische und polnisch-deutsche Spezialistenteams beobachtet. Das Netz umfasst 550 Messpunkte. Davon sind 150 im polnisch-tschechischen und polnisch-deutschen Grenzgebiet. Die Untersuchungsergebnisse bestätigen laut PGE, dass der Tagebau keine Senkung des Grundwasserspiegels zur Folge hat. Um die Wasservorräte auf deutscher Seite zu schützen, entstand an der Neiße ein Filtrationsschirm auf einer Länge von drei Kilometern und einer Tiefe von 40 Metern. Der Bau begann in den 1960er Jahren und lief bis 1987. Die Funktion wird durch ein polnisch-deutsches Überwachungsnetzwerk gemessen. "Die Ergebnisse zeigen, dass der Schirm dicht ist", so der Betreiber. Untersuchungen von Dritten kommen allerdings zu anderen Ergebnissen.

PGE will den Tagebau noch über 20 Jahre betreiben. Die Anrainer in Deutschland und Tschechien befürchten dadurch Umweltschäden wie das Absinken des Grundwassers. Sie gehen gegen die Genehmigung zum weiteren Abbau von Kohle im Tagebau Turow vor.

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