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Elblandkliniken bereiten sich auf Patienten aus dem Kriegsgebiet vor

Die Meißner Ärzte kennen sich mit den speziellen Verletzungen aus. Es gibt noch logistische Probleme. Hilfskonvois liefern Verbandsmaterial und Medizin.

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Flüchtlinge aus der Ukraine kommen am Sonntagmorgen im Radebeuler Hotel Radisson Blu Park an. Noch sind sie in gesundheitlich recht guter Verfassung. Das kann sich aber ändern.
Flüchtlinge aus der Ukraine kommen am Sonntagmorgen im Radebeuler Hotel Radisson Blu Park an. Noch sind sie in gesundheitlich recht guter Verfassung. Das kann sich aber ändern. © Arvid Müller

Meißen. Der Krieg in der Ukraine geht in den 13. Tag. Die Zahl der Verwundeten wächst stündlich. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis die ersten von ihnen in Sachsen und damit auch im Elbland behandelt werden müssen.

Dort ist man gut vorbereitet, auch wenn die Therapie von Kriegsverletzten nicht zum Tagesgeschäft gehört. Es sind üblicherweise Patienten nach Verkehrs- und Sportunfällen oder Missgeschicken in Haus, Hof oder Garten, die mit ihren Traumata ins Elblandklinikum kommen. Und doch kennen die behandelnden Ärzte hier auch Kriegsverletzte, denn das Haus ist langjähriger Kooperationspartner des SOS-Friedensdorfs. Immer wieder kommen Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten, die in den Häusern des Elblandklinikums behandelt werden können. "Wichtig ist dabei eine sehr gute interdisziplinäre Zusammenarbeit aller chirurgischen Abteilungen, insbesondere der Unfall-, Gefäß- sowie Neurochirurgie und auch der plastischen Chirurgie", weiß Professor Wolfgang Schneider, der ärztliche Direktor der Kliniken Riesa und Meißen.

Und er ergänzt, dass auch urologische Verletzung sowie Wunden in Gesicht und Bauch gut in den Kliniken für Urologie, HNO oder Allgemeinchirurgie behandelt werden können. Medizinisch herausfordernd sind sogenannte "high energy trauma", also Verletzungen, die unter großer Energieeinwirkung entstanden sind. Sie sorgen bei den Patienten für erhebliche Weichteilverletzungen, die von plastischen Chirurgen versorgt werden müssen. Ist nur eine Körperregion betroffen, sprechen die Mediziner von einer Monoverletzung. Kampfhandlungen führen indes oft zu Mehrfachverletzungen bis hin zu potenziell lebensbedrohlichen Verletzungen bei polytraumatisierten Patienten, die dann intensivmedizinisch betreut werden müssen. Eine erste Herausforderung dürfte es nach Einschätzung von Professor Schneider allerdings sein, die Patienten überhaupt aus dem Kriegsgebiet herauszutransportieren.

Während die Elblandkliniken noch auf Informationen warten, wie der Patiententransport koordiniert werden soll, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Wochenende gegenüber der Funke-Mediengruppe über erste Pläne zur Patientenaufnahme aus der Ukraine gesprochen. Er hat dabei nicht nur die Verletzten und Verwundeten im Blick, sondern auch jene Krebs- und Dialysepatienten, die nach der Bombardierung von Krankenhäusern ihre medizinische Versorgung in ihrer Heimat verloren haben. Sie alle, so der Minister, sollen in Deutschland die Hilfe erhalten, die sie benötigen. Für ihre Verteilung in den einzelnen Regionen Deutschlands möchte er das Kleeblattprinzip nutzen, dass sich schon während der Corona-Pandemie bewährt habe, so der Bundesminister weiter. Sachsen gehört mit Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen zum östlichsten Kleeblatt. In der Corona-Pandemie arbeiten die Kliniken mit einem Ampelsystem. Rot steht für eine maximale Bettenauslastung, sodass Patienten in andere Regionen des Kleeblatts verlegt werden können.

Hilfe vor Ort schwierig

Ob und wie dieses System auch bei Verletzten aus der Ukraine zum Tragen komme, stehe noch nicht fest, heißt es aus dem Dresdner Sozialministerium. Grundsätzlich seien die sächsischen Kliniken bereit, Verletzten zu helfen. "Für uns ist klar: Sollten Anfragen kommen, werden die Elblandkliniken selbstverständlich auch mit direkter medizinischer Versorgung helfen. Darüber hinaus übernehmen wir natürlich auch eine gegebenenfalls erforderliche medizinische Versorgung von Geflüchteten bei uns im Landkreis", sagt der Vorstand der Elblandkliniken-Gruppe, Rainer Zugehör. Flüchtlinge, die hier eintreffen, können nach Paragraf 24 des Asylgesetzes eine Aufenthaltsgewährung beantragen, sind damit krankenversichert und können alle notwendigen Leistungen in Anspruch nehmen, heißt es aus dem Sozialministerium.

Bei der Hilfe vor Ort sind allerdings Grenzen gesetzt. So planen die Elblandkliniken aktuell nicht, Mediziner direkt in das Krisengebiet oder nach Polen zu schicken. Dies sei als einzelnes Krankenhaus nicht sicher zu organisieren. Sollten aber international agierende Hilfsorganisationen anfragen, werde man sie selbstredend unterstützen, so der Vorstand Rainer Zugehör. Einfach wird das nicht, denn die Elblandkliniken ringen wie viele andere Krankenhäuser mit anhaltenden pandemiebedingten Personalausfällen, die jeden Tag aufs Neue kompensiert werden müssen.


Nico Wünsche vom Elblandklinikum beim Packen von medizinischen Ukraine-Hilfsgütern.
Nico Wünsche vom Elblandklinikum beim Packen von medizinischen Ukraine-Hilfsgütern. © Elblandkliniken Meißen

Doch aktuell geht es in der Ukraine vor allem auch darum, die Behandlung der Menschen in ihrer Heimat zu unterstützen. Es werden vor allem medizinische Verbrauchsmaterialien wie Verbände und Infusionen sowie Medikamente geliefert. "Generell haben wir als Krankenhaus natürlich viele Vorräte und können bei Bedarf hier in Deutschland Hilfsmaterialien bestellen, die zur Behandlung auch in Krisengebieten genutzt werden können. Wir achten dabei auf zielgenaue Lieferungen, damit die Hilfen auch bestmöglich zum Einsatz kommen können und der Landkreis unterstützt uns bei der Koordination", sagt der Vorstand des Elblandklinikums. Die Klinik beschäftigt viele Mitarbeiter, die persönliche Verbindungen in die Ukraine haben und hat auch schon einen ersten Hilfskonvoi unterstützt. Die vom Landkreis, der Stadt Radebeul und der Johanniter Unfallhilfe unterstützte Hilfslieferung hatte sich am 4. März auf den Weg in die Radebeuler Partnerstadt Obuchiw gemacht. Begleitet wurde er von 23 Helfern, darunter der Feuerwehr Radebeul und der Johanniter Unfallhilfe. Einer der zahlreichen Freiwilligen war der Assistenzarzt aus der Allgemeinchirurgie des Elblandklinikums Radebeul, Andrej Tsoglin, der den Transport bis zur ukrainischen Grenze unterstützt hat. Eine weitere Hilfslieferung ist für diese Woche geplant.

Grundsätzlich sei es auch möglich, die Krankenhäuser in der Ukraine mit Medizintechnik zu unterstützen, heißt es. Allerdings gäbe es hier einen weitaus größeren Abstimmungs- und Wartungsbedarf sowie logistische Hindernisse. Und manchmal sind es auch technologische Probleme. So hatten ukrainische Ärzte analoge Röntgenfilme angefragt, doch die werden in den Elblandkliniken schlicht nicht mehr verwendet. (SZ)