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Kretschmer stimmt Papst-Aussagen zur Ukraine zu - CDU-Spitze kritisiert Pontifex

Worte des Papstes über Friedensverhandlungen und das Hissen der "weißen Flagge" sorgen für gemischte Reaktionen. Sachsens Ministerpräsident stellt sich hinter den Pontifex, von der CDU-Spitze kommt dagegen scharfer Protest.

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Sachsens Ministerpräsident Kretschmer stellt sich hinter Papst Franziskus.
Sachsens Ministerpräsident Kretschmer stellt sich hinter Papst Franziskus. © Jan Woitas/dpa

Berlin/Dresden. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußert Unverständnis über Aussagen von Papst Franziskus zum Krieg in der Ukraine. "Ich verstehe es nicht", sagte Baerbock am Sonntagabend in der Sendung "Caren Miosga" im Ersten.

Man müsse den Mut haben, an der Seite der Menschen in der Ukraine zu stehen und alles für die Ukraine zu tun, dass sie sich verteidigen könne, verlangte Baerbock. Wenn es eine minimale Chance gebe, dass die russische Seite Gesprächsbereitschaft zeige, "dann wäre die ganze Welt da und würde reden. Nur leider sehen wir jeden Tag das Gegenteil."

Anlass für Baerbocks Aussagen ist ein Appell des Papstes zu Friedensverhandlungen in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Äußerungen des katholischen Kirchen-Oberhaupts Franziskus wurden in der Ukraine und bei vielen ihrer Unterstützer als einseitiger Appell allein an Kiew verstanden - von manchen gar als Aufruf zur Kapitulation.

Der 87-Jährige gebrauchte in dem am Wochenende veröffentlichten Interview des Schweizer Fernsehens mit Blick auf Schwierigkeiten der ukrainischen Armee auch die Formulierung von der "weißen Fahne" - in Kriegszeiten seit Jahrhunderten das Zeichen der Kapitulation, also der kampflosen Aufgabe gegen die feindlichen Truppen.

Kretschmer: Franziskus ist ein besonnener Mann

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) stellte sich hinter Papst Franziskus. "Seinen Aufruf 'Mut zu Verhandlungen' teile ich", sagte Kretschmer dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland". Es sei klar, dass die Ukraine unterstützt werden müsse und Russland der Aggressor in diesem Krieg sei. "Dennoch müssen wir uns mehr anstrengen, das Sterben im Krieg zu beenden", sagte der CDU-Politiker. Auf X schrieb Kretschmer: "Papst Franziskus ist ein besonnener Mann."

Kretschmers Haltung ist nicht überraschend: Er steht seit Jahren wegen seiner vergleichsweise unkritischen Russland- und Putin-Nähe immer wieder in der Kritik. Der sächsische Ministerpräsident wandte sich erst gegen die Lieferung von Leopard-Panzern an Kiew, auch ein Bereitstellen von Taurus-Marschflugkörpern lehnt er, anders als viele seiner CDU-Parteikollegen, ab. Mehrfach forderte er mehr Diplomatie für die Beendigung des Krieges, kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf das Land sprach er vom "Einfrieren" des Konflikts. Von dieser Position ist er aber mittlerweile abgerückt.


Merz hält Papst-Äußerungen für "grundfalsch"

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat die Äußerungen von Papst Franziskus dagegen strikt zurückgewiesen. "Auch als Mitglied der katholischen Kirche - ich teile sie nicht. Ich halte sie für grundfalsch", sagte er am Montag in Berlin in einer Pressekonferenz. Er sei von diesen Äußerungen überrascht gewesen. "Man sieht in der Geschichte: Auch die katholische Kirche ist nicht frei von Irrtum", sagte Merz.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, dass die Ukraine das internationale Recht habe, sich zu verteidigen. "Die Ukraine sehnt sich nach Frieden. Derjenige, der den Frieden der Ukraine verwehrt und die Ukraine auslöschen möchte, ist Putin. Putin muss die Waffen niederlegen", sagte von der Leyen mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Bundeskanzler Scholz ist nicht der Meinung des Papstes

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Äußerung von Papst Franziskus zum Hissen der "weißen Flagge" im Ukraine-Krieg zurückgewiesen. "Wie Sie sich vorstellen können, ist der Bundeskanzler in dieser Frage nicht der Meinung des Papstes", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. "Richtig ist, dass die Ukraine sich gegen einen Aggressor wehrt." Sie bekomme auch viel internationale Unterstützung, um sich gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verteidigen zu können.

Hebestreit verwies aber auch darauf, dass man die Einordnung eines Vatikan-Sprechers zu den Äußerungen des Papstes zur Kenntnis genommen habe.

Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der von ihr ins Leben gerufenen Partei BSW, nannte die Kritik an Franziskus dagegen "respektlos und vielfach unter der Gürtellinie". "Wir brauchen endlich einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen statt immer neuer Waffenlieferungen, die auch dem deutschen Steuerzahler nicht mehr zuzumuten sind", sagte Wagenknecht den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Der Vatikan beschwichtigt - und was sagt Kiew?

Der Direktor des vatikanischen Presseamtes, Matteo Bruni, sagte dem Nachrichtenportal "Vatican News", Franziskus wünsche sich vor allem eine "diplomatische Lösung für einen gerechten und dauerhaften Frieden". An anderer Stelle des Interviews habe er klargemacht, dass eine Verhandlung "niemals eine Kapitulation" sei.

Auch Kiew regierte auf das Papst-Interview: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies den umstrittenen Appell zu Friedensverhandlungen scharf zurück. Die Kirche sei bei den Menschen, sagte Selenskyj am Sonntag in seiner allabendlichen Videoansprache. "Und nicht zweieinhalbtausend Kilometer entfernt, irgendwo, um virtuell zu vermitteln zwischen jemandem, der leben will, und jemandem, der dich vernichten will."

Selenskyj fuhr fort: "Als das russische Böse am 24. Februar (2022) diesen Krieg begann, standen alle Ukrainer auf, um sich zu verteidigen. Christen, Muslime, Juden - alle." Und er danke jedem ukrainischen Geistlichen, der in der Armee, in den Verteidigungsstreitkräften ist. Sie stünden an der vordersten Front, sie schützten das Leben und die Menschlichkeit, sie unterstützten mit Gebeten, Gesprächen und Taten. "Das ist es, was die Kirche ist - bei den Menschen."

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, richtete sich am Montag zudem direkt an Sachsens Regierungschef. "Ich weiß, dass @MPKretschmer die Ukraine unterstützt. Aber auf meine Frage “Wie soll man mit denen verhandeln, deren Ausgangsposition Vernichtung heißt” hat er nie geantwortet. Wie würden Sie an meiner Stelle jetzt reagieren?", schrieb er am Montag auf X. Die besten Varianten werde er anschließend dort als Antwort posten. (SZ/mja mit dpa,epd)