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Agrarminister Özdemir und die Bauern aus Sachsen

Der Bundesagrarminister ist zu Besuch bei Sachsens Landwirten. Nicht alle sind mit seiner Politik zufrieden.

Von Luisa Zenker
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Bundesagrarminister Cem Özdemir war zu Gast bei Sachsens Landwirten.
Bundesagrarminister Cem Özdemir war zu Gast bei Sachsens Landwirten. © SZ/Veit Hengst

Der grüne Traktor ist schon von weitem zu sehen. Auf seiner Frontscheibe steht in schwarzen Lettern geschrieben: "Billigimporte töten Bauern. Mercosur neu verhandeln" Vor dem Plakat haben sich etwa zehn Landwirte versammelt. "Wenn der Minister nicht zu uns kommt, kommen wir zu ihm", sagt Bauer Marco Birnstengel. Er und seine Mitstreiter haben sich den Protestort nicht grundlos ausgewählt.

Denn an diesem Donnerstag besuchen der Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) und der sächsische Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) ausgewählte Landwirtschaftshöfe in Sachsen. Sie wollen wissen, wie die regionale und ökologische Lebensmittelerzeugung gestärkt werden kann. Ihr erster Stopp: Ein Bio-Agrarbetrieb in Großdrebnitz im Landkreis Bautzen.

Rohrzucker statt Rüberzucker

Doch die Protestierenden machen ihnen einen Strich durch die Rechnung. Anstatt an ihnen vorbeizufahren, gehen die zwei Minister strammen Schrittes auf sie zu. "Sie haben das Wort", sagt Özdemir, während er ihnen die Hand schüttelt. Die beiden Landwirte ringen kurz nach Luft. Sie vertreten unter anderem den sächsischen Landesbauernverband, der für die Interessen von 1.200 Mitgliedsbetrieben steht. "Solange die Grünen nicht in der Regierung waren, forderten auch sie, dass die Standards in Deutschland auch für importierte Lebensmittel gelten sollen. Jetzt steht das Mercosur-Abkommen mit Südamerika kurz vor dem Abschluss und die europäische Landwirtschaft fällt hinten runter." Die Landwirte fordern deshalb vergleichbare Mindestanforderungen im Umwelt-, Klima- und Tierschutz für Agrarimporte, da ihre Waren sonst nicht konkurrenzfähig seien. Billiger Rohrzucker aus Brasilien verdränge dann endgültig den heimischen Rübenzucker.

"Hier bitte ich genauer hinzuschauen. Das Thünen-Institut hat erklärt, dass es kaum Auswirkungen auf unsere Produkte hier geben wird", antwortet Özdemir darauf. Doch die Landwirte haben noch einen zweiten Kritikpunkt: Die EU-Auflage, dass ab 2023 vier Prozent der Landwirtschaftsflächen stillgelegt werden sollen.

Die Antwort von Özdemir: "Ich befürworte Artenvielfalt. Ich befürworte, dass Sie nicht nur heute sichere Ernten haben, sondern auch in zwanzig und fünfzig Jahren."

Am Ende geben sie sich die Hand. "Das gehört auch dazu, das ist das Schöne an unserer Demokratie", wird Özdemir später sagen, der vorerst seine Tour zum Biobetrieb fortsetzt.

Ein Hauptgegner der deutschen Landwirte: Das Mercosur-Abkommen.
Ein Hauptgegner der deutschen Landwirte: Das Mercosur-Abkommen. © SZ/Veit Hengst

Dort erwartet ihn ein anderes Bild: Ein Festzelt mit Pflaumen-Kuchen und Käseschnittchen. Der Tisch ist mit Sonnenblumen verziert. Kühe schauen dem Treiben vom Gatter aus neugierig zu. Geschäftsführer Patrick Rückert begrüßt den hohen Besuch mit einem Vortrag. Nacheinander erzählen sie, wie die Entscheidung 2016 fiel, auf Öko umzustellen. "Höher, weiter, schneller, da wollten wir irgendwann nicht mehr mitmachen." Vier Jahre hat es insgesamt gedauert, ehe die gesamte Milchwirtschaft mit 2.400 Rindern umgestellt war. "Machen statt Jammern", sagt eine Kollegin und blickt in die Richtung der Protestierenden. "Irgendwann muss man auch mal anfangen"

Bio-Landwirtschaft wächst in Sachsen

Damit gehört der Biohof zu einem steigenden Ast. Bereits 15 Prozent der sächsischen Landwirtschaftsbetriebe arbeiten ökologisch, 150 mehr als noch vor vier Jahren. Doch im Vergleich zu anderen Bundesländern könnte Sachsen noch mehr tun. Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern liegen mit einem Anteil von 25 Prozent deutlich höher. Warum das so ist? "Es fehlt an Verarbeitungsunternehmen", sagt Patrick Rückert. Eine Bio-Molkerei und einen Bio-Schlachthof sucht man in Sachsen vergebens, damit werden die Transportwege für Bio-Milch lang und teuer.

Deshalb gibt Rückert den Ministern auch ein Forderungspapier mit sieben Bitten auf den Weg. Darunter: "Bitte bringen Sie, Herr Staatsminister, alle Akteure einer Region an einen Tisch. Die Stadt München kann sich regional selbstständig ernähren. Warum sollte das nicht der Landkreis Bautzen können?" Landwirt Rückert will aber besonders eines nicht: jammern. Lieber zeigt er den Ministern stolz seine Biogasanlage, mit der er mehr als 850 Einfamilienhäusern Warmwasser und Strom liefern kann. Photovoltaik auf den Freiflächen lehnt er ab. Wöchentlich kriege er Anrufe von Energieversorgern, die ihm Agri-PV-Anlagen anbieten. Er wünscht sich, dass zuerst alle Dächer mit Solaranlagen bestückt werden.

Der nachhaltigste Fisch Deutschlands ist der Karpfen

Dass Bio aber nicht nur Brot und Milch bedeutet, beweist der zweite Stopp der Ministerfahrt. 40 Kilometer entfernt treffen Özdemir und Günther auf den Fischer Karsten Ringpfeil. Dieser setzt die zwei Grünen-Minister zur Begrüßung prompt auf einen Kahn. Ein Kormoran fliegt an ihnen vorbei, Futter findet er hier genug.

So sieht der Spiegelkarpfen aus. Fischer Ringpfeil ist ständig auf der Suche danach, wie er den Karpfen für die Deutschen attraktiv machen kann.
So sieht der Spiegelkarpfen aus. Fischer Ringpfeil ist ständig auf der Suche danach, wie er den Karpfen für die Deutschen attraktiv machen kann. © dpa

Denn die Fischerei von Ringpfeil liegt mitten im Unesco-Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Mensch und Natur sollen hier im Einklang leben. So auch die Fischerei, die zum Teil ökologisch betrieben wird. Seit dem 13. Jahrhundert werden in den Teichen bereits Karpfen gezüchtet, eine Tradition, die dennoch in Vergessenheit gerät. Denn der Karpfen hat es besonders auf dem Land schwer. Während er höchstens zu Weihnachten und Silvester auf dem Teller der Deutschen landet, gehören Lachs, Kabeljau, Dorsch zum alltäglichen Speiseplan.

Dabei zählt der Karpfen zu den nachhaltigsten Fischen Deutschlands. Um das zu erklären, stellt der Fischer zwei Eimer auf den Boden und lässt den Inhalt zwischen seinen Fingern rieseln: "Das kommt direkt aus dem Meer", deutet er auf die schwarzen Körner - eine Art Fischmehl, das hunderte Kilometer transportiert und mit viel Energie produziert wurde. "Das braucht der Karpfen nicht." Um ihn zuzufüttern, reiche Getreide aus der Region. "Während andere Fische die Meere absterben lassen, rettet der Karpfen sogar Biotope", fügt Umweltminister Günther hinzu. Doch in der Nachfrage spiegelt sich das nicht wider.

In der Region verkauft der Fischer nur zehn Prozent seiner Waren, der Rest wird frisch nach ganz Deutschland geliefert. Auch er kommt auf die billigere Konkurrenz aus dem Ausland zu sprechen. Wie das zu ändern sei? Wolfram Günther und Cem Özdemir scheinen sich einig: Gute Vermarktung, regionale Wertschöpfungsketten. "Und am Ende entscheidet der Verbraucher."