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Selbstversuch als Pendlerin: Geht es auch ohne Auto?

Als Pendlerin zwischen Dresden und Prag auf ein Auto verzichten: Geht das? Wie groß sind die Einschränkungen? Spart man Geld? Ein überraschendes Fazit nach sechs Monaten.

Von Angelina Sortino
 6 Min.
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Pendeln mit der Bahn oder dem Auto: Was ist günstiger? Angelina Sortino hat es ausgerechnet.
Pendeln mit der Bahn oder dem Auto: Was ist günstiger? Angelina Sortino hat es ausgerechnet. © SZ/Veit Hengst

Ein Leben ohne Auto: In Dresden konnten sich das immerhin 28 Prozent der Teilnehmer der SZ-Mobilitätskompass-Umfrage vorstellen. Ich gehörte lange nicht dazu. Denn als Pendlerin verband ich mit meinem Auto vor allem eins: Freiheit!

Mittlerweile hat sich aber ein weiteres Gefühl dazugesellt: die Scham. Autofahren ist schlecht für die Umwelt, jeder weiß das. Zwar würde ich andere Menschen niemals dafür verurteilen, trotzdem Auto zu fahren - mit mir selbst aber bin ich streng.

Deshalb habe ich vor rund sechs Monaten eine Entscheidung getroffen: Das Auto muss weg, zumindest auf Probe. Also habe ich meinen Wagen an meine Eltern verliehen, die während des Wechsels von ihrer alten Klapperkiste zu einem neuen E-Auto einige Monate überbrücken müssen.

Nach einem halben Jahr ist es Zeit für ein erstes Fazit.

Der Alltag ohne Auto: Wie viel Freiheit habe ich eingebüßt?

Ich bin selbst überrascht: Trotz Bahnstreiks, Wintereinbrüchen und anderen Hindernissen ist mein Alltag eher entspannter geworden, seit ich kein Auto mehr habe. Das hat aber vor allem einen Grund: Ich habe meinen Wagen früher hauptsächlich dafür genutzt, um zu meinem Partner zu reisen. Weil der in Prag lebt, bin ich mehrmals im Monat die circa zwei Stunden von Dresden in Tschechiens Hauptstadt gefahren. Oft am Freitagabend, nach einer anstrengenden Arbeitswoche.

Seit ich diese Fahrten mit dem Zug oder dem Fernbus antrete, muss ich mir keine Sorgen mehr machen, kurz wegzudämmern und einen Unfall zu verursachen. Stattdessen kann ich die Zeit zum Stricken und Lesen nutzen. Außerdem wohnen mein Partner und ich jeweils nur einen kurzen Fußmarsch vom nächsten Bahnhof entfernt. Einziger Nachteil: Ich brauche länger - knapp dreieinhalb statt zwei Stunden, um genau zu sein.

In den Urlaub bin ich schon vor meinem Selbstversuch ohnehin meist mit dem Fernbus oder der Bahn gefahren, manchmal aber auch geflogen. Einzig für eine Reise nach Lyon habe ich mich im November mangels passender Bahnverbindung dazu entschieden, von meinen Eltern aus mit meinem Auto zu fahren. Ohne Auto hätte ich fliegen müssen, was dem Klima noch mehr geschadet hätte. Künftig werde ich mir in solchen Fällen wohl einen Mietwagen nehmen müssen.

Angelina Sortino pendelt seit einem halben Jahr mit der Bahn statt mit dem Auto.
Angelina Sortino pendelt seit einem halben Jahr mit der Bahn statt mit dem Auto. © Foto: SZ/Veit Hengst

Auto oder Öffis: Was ist günstiger?

Innerhalb Dresdens komme ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut zurecht. Nur über die Fahrkartenpreise ärgere ich mich jedes Mal. Weil ich viel aus dem Homeoffice arbeiten kann, habe ich mir bisher kein 49-Euro-Ticket gekauft. Aber die Einzelfahrscheine sind mit drei Euro sehr teuer. Mit der Bahn statt mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, kostet mich also pro Tag im Büro 6 Euro. Für das Parken auf dem Firmenparkplatz werden hingegen nur 20 Euro im Monat fällig. Schon ab vier Bürotagen im Monat ist die Anfahrt mit dem Auto also gefühlt günstiger. Selbst das 49-Euro-Ticket ändert daran nichts.

Allerdings muss ich die Straßenbahnen der DVB zum Glück nicht selbst in Schuss halten. Mein Auto allerdings schon. Deshalb habe ich ausgerechnet, was mein Auto mich im Jahr wirklich kostet. Vielleicht gewinnen die Öffis bei einem realistischen Vergleich ja doch.

Also habe ich beim Autokostenrechner von Finanztip die wichtigsten Eckdaten meiner Autonutzung eingetragen. Dank des guten Deals, den ich vor zwei Jahren bei der Anschaffung meines Seat Ibizas gemacht habe, decken sich der Ankaufs- und der Verkaufspreis meines Autos ungefähr. Allerdings bin ich ca. 9.000 Kilometer gefahren - das kostet Sprit. Laut dem Rechner rund 965 Euro im Jahr, wenn man von einem Benzinpreis von 1,85 Euro ausgeht. So viel hat der Liter 2023 im Durchschnitt gekostet. Dazu kommen 627 Euro für meine Vollkaskoversicherung (Schadensfreiheitsklasse 8) und 140 Euro für den Reifenwechsel und kleinere Reparaturen. Laut Finanztip kostet mich mein Auto also rund 1.760 Euro im Jahr. Hinzu kommen 25 Euro Anwohnerparkgebühr und 240 Euro Parkgebühr für den Firmenparkplatz. Das macht insgesamt 2.205 Euro. Geteilt durch 12 ergibt das monatliche Kosten von 183 Euro. Was dabei jedoch mitbedacht werden muss: Ich hatte Glück und musste keine Reparaturen an meinem Auto durchführen lassen. Diese könnten das Endergebnis der Rechnung künftig natürlich verändern.

Nun zum Vergleich die öffentlichen Verkehrsmittel: Lange dachte ich, dass sich das 49-Euro-Ticket für mich nicht lohnt. Beim Ausrechnen meiner monatlichen Fahrkosten (im Schnitt habe ich rund 48 Euro für Einzelfahrscheine ausgegeben) muss ich jedoch einsehen, dass das nicht unbedingt stimmt. Zusätzlich zu den 48 Euro kommen meine Fahrten nach Prag. Für diese habe ich in den vergangenen sechs Monaten rund 900 Euro ausgegeben. Das macht monatlich rund 150 Euro. Ohne Auto kostete mich meine Mobilität also ca. 198 Euro im Monat. Das sind rund 15 Euro mehr.

Politische Entscheidungen haben Einfluss auf Mobilität

Drei Faktoren habe ich bei meiner Berechnung allerdings ausgelassen. In Tschechien kostet das Fahren auf der Autobahn Geld. Für meine Jahresvignette bezahle ich umgerechnet rund 60 Euro. Außerdem sind die Parkgebühren in Prag hoch, wenn man keinen Bewohnerparkausweis hat. Deshalb - und das verändert meine Rechnung erheblich - hatte ich in der Nähe der Wohnung meines Partners einen Parkplatz gemietet. Pro Monat habe ich dafür 115 Euro bezahlt. Insgesamt macht das 120 Euro monatlich, die ich ausgebe, um im Ausland mit dem Auto mobil zu sein. Bedeutet: Die eigentlichen Kosten für mein Auto liegen insgesamt also bei 303 Euro.

Zudem habe ich, nachdem die erste Version dieses Texts veröffentlicht wurde, durch einen Kommentar auf Social Media vom "ČD-Deutschlandticket" ("Jízdenka ČD Německo") erfahren. Dieses Ticket der Tschechischen Bahnen ist speziell für Pendler gedacht. Seitdem kosten mich die Fahrten von Dresden nach Prag nur noch rund 60 Euro statt 150 Euro im Monat. Künftig werde ich für meine Mobilität also nur noch 108 Euro ausgeben und somit durch den Verzicht auf mein Auto 195 Euro sparen.

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Diese neue Rechnung zeigt zwei Dinge. Erstens: Wer keinen Parkplatz gemietet hat, sondern einen Bewohnerparkausweis nutzen kann, für den ist es möglicherweise günstiger, das Auto statt den ÖPNV zu nutzen. Zweitens: Ob Menschen eher das Auto oder die Öffis nutzen, hängt auch von politischen Entscheidungen ab. Das Einführen einer Autobahnmaut und das Erhöhen der Gebühren für Parkscheine und Bewohnerparkausweise sowie das Reduzieren der Fahrkartenpreise - zum Beispiel für Pendler - können dazu führen, dass es sich finanziell richtig lohnt, sein Auto abzuschaffen.

Das Fazit nach sechs Monaten

Wer in der Stadt lebt, der kommt auch ohne Auto gut klar. Selbst dann, wenn man, so wie ich, regelmäßig in eine andere Großstadt pendelt. Solange sich meine Wohnsituation nicht verändert, kann ich weiter auf mein Auto verzichten. Sollte ich in Zukunft jedoch aufs Land ziehen, würde ich mir sofort wieder ein Auto anschaffen. Denn durch die vielen Jahre, in denen ich eher dörflich gelebt habe, weiß ich, dass man dort auf ein Auto angewiesen ist.