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Der Ökostrom-Plan von Envia-M: Acht neue Windräder pro Monat

Der mitteldeutsche Stromversorger Envia-M mit Tochter Mitnetz erwartet einen rasanten Ausbau beim Ökostrom. In seinem Gebiet sind jeden Monat acht Windräder zu bauen - und das ist nicht alles.

Von Georg Moeritz
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In den nächsten Jahren sollen im Netzgebiet von Mitnetz in Mitteldeutschland jeden Monat acht Windräder gebaut und 20 Fußballfelder mit Solaranlagen bestückt werden.
In den nächsten Jahren sollen im Netzgebiet von Mitnetz in Mitteldeutschland jeden Monat acht Windräder gebaut und 20 Fußballfelder mit Solaranlagen bestückt werden. © Marcus Brandt/dpa (Symbolfoto)

Chemnitz. Mindestens 900 neue Windkraftanlagen müssen bis 2030 ans Stromnetz angeschlossen werden – und 133.000 Fotovoltaik-Anlagen. Dieses Ziel hat sich der mitteldeutsche Energiekonzern Envia-M mit seiner Tochterfirma Mitnetz gesetzt, um die Stromausbau-Vorgaben des Osterpakets der Bundesregierung zu erfüllen. Das Gebiet des Unternehmens umfasst ungefähr die Bezirke Leipzig und Chemnitz in Sachsen sowie den Süden von Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Dort müssen außer durchschnittlich acht Windrädern pro Monat auch 16 Kilometer neue Freileitungen pro Monat gebaut werden, sagte am Mittwoch Dirk Sattur, technischer Geschäftsführer von Mitnetz Strom.

Im Gebiet von Envia-M ist die Ökostrom-Produktion laut Sattur bereits 17 Prozent höher als der Bedarf an Strom. Allerdings gibt es große regionale Unterschiede: Im windreichen Südbrandenburg wurde voriges Jahr mehr als dreimal so viel Ökostrom ins Netz eingespeist verglichen mit dem Strombedarf. In Sachsen dagegen lag der Anteil bei 53 Prozent. An Tagen mit Schnee auf den Fotovoltaikmodulen und Windflaute reichte der Ökostrom aber zur Versorgung nicht aus, die Zahlen sind Durchschnittswerte.

Das Unternehmen sagt voraus, dass ab Ende nächsten Jahres mehr Strom aus Sonne als aus Windkraft in seine Netze eingespeist wird. Denn der Zubau großer Fotovoltaik-Anlagen steige rasant. Die Anzahl der installierten Ökostromanlagen im Gebiet von Envia-M stieg voriges Jahr um gut 18 Prozent auf 75.429. Voriges Jahr hätten mindestens 2.000 Kunden kleine Solaranlagen auf Balkons angeschlossen. Dazu komme eine große "Dunkelziffer", denn die Anlagen müssten nicht genehmigt werden. Es gebe aber eine Pflicht zur Anmeldung. Das Unternehmen appellierte an die Besitzer, ihre Stecker-Solaranlagen per E-Mail zu melden, damit für Stabilität der Stromnetze gesorgt werden könne.

In Südbrandenburg wird mehr als dreimal so viel Ökostrom ins Mitnetz-Leitungsnetz eingespeist wie Strom verbraucht wird. Allerdings gelingt das nicht zu jeder Zeit, es gibt auch Dunkelflauten.
In Südbrandenburg wird mehr als dreimal so viel Ökostrom ins Mitnetz-Leitungsnetz eingespeist wie Strom verbraucht wird. Allerdings gelingt das nicht zu jeder Zeit, es gibt auch Dunkelflauten. © SZ/Georg Moeritz

„Wir sind der grüne Energiemotor Deutschlands“, sagte Sattur, „wir sind der Energiewende zehn Jahre voraus“, verglichen mit dem Süden oder Westen Deutschlands. An 285 Tagen pro Jahr würden „grüne Elektronen“ in andere Regionen exportiert. Für Sachsen gelte das nicht, aber die Landespolitik arbeite an der Beschleunigung. Außerdem lasse das sächsische Gelände nicht so viel Flächen-Fotovoltaik zu.

Neue Industriebetriebe als Strom-Abnehmer gesucht

Der erwartete Zuwachs an Ökostrom in den kommenden Jahren soll möglichst in derselben Region genutzt werden. Sattur sagte: „Wir müssen dafür werben, dass unsere Region der Ansiedlungsstandort Nummer 1 wird“. Industriebetriebe wie Intel in Magdeburg sind gewünscht, die den Strom nutzen. Envia-M-Vorstand Stephan Lowis sagte bei einer Diskussion zu Wochenanfang mit Bezug auf Erneuerbare Energien: „Wir sitzen auf einem Schatz.“

Die Stromnetz-Experten machen aber auch immer wieder deutlich, wie groß die Herausforderung ist: Voriges Jahr habe Mitnetz zwei Kilometer Freileitungen gebaut. Bis 2030 müssten 1.500 Kilometer hinzukommen, also 16 Kilometer pro Monat, um die Ziele der Bundesregierung zu erfüllen - 80 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu sichern. Die Politik habe erste Weichen gestellt, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, sagte Sattur – doch das reiche nicht. Er betonte: „Wir wollen nicht Verhinderer der Energiewende sein.“

Das Netzgebiet der Envia-M-Tochterfirma Mitnetz, auf der Karte blau dargestellt: Allein in Sachsen investiert Mitnetz in diesem Jahr 164 Millionen Euro ins Stromnetz.
Das Netzgebiet der Envia-M-Tochterfirma Mitnetz, auf der Karte blau dargestellt: Allein in Sachsen investiert Mitnetz in diesem Jahr 164 Millionen Euro ins Stromnetz. © SZ/Georg Moeritz

Im Netzgebiet von Mitnetz stehen Ökostromanlagen mit fast elf Gigawatt Leistung im Netz, es gibt Anfragen von Investoren für weitere 23 Gigawatt. Die Schwankungen im Stromnetz werden stärker werden. Zugleich rechnet Sattur mit steigendem Stromverbrauch durch Wärmepumpen und Autobatterien.

Mehr als 100 zusätzliche Fachkräfte in den nächsten Jahren

Innerhalb von drei Jahren will Mitnetz eine dreistellige Zahl zusätzlicher Fachkräfte finden, auch neue Lieferanten sind nötig. Die Ausgaben steigen: In diesem Jahr wird in Delitzsch für fast sechs Millionen Euro ein altes Umspannwerk erneuert. Die Hochspannungsleitung von Röhrsdorf nach Gersdorf in Südsachsen wird für neun Millionen Euro an gleicher Stelle neu gebaut, mit höherer Übertragungsfähigkeit. „Wir bauen gerade an 25 Umspannwerken gleichzeitig“, sagte Sattur.

In diesem Jahr gibt Mitnetz laut Plan 343 Millionen Euro für Ausbau der Stromnetze aus. Voriges Jahr waren es 287 Millionen, nächstes Jahr sollen es schon 400 Millionen Euro sein – bei steigenden Materialkosten. Von 18.000 Trafostationen soll ein Viertel bis 2026 digital sein. Digitale Ortsnetzstationen können die Auslastung anzeigen und die Suche nach einem Fehler bei einer Überlastung beschleunigen. In den beiden Pilotkommunen Brandis in Sachsen und Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt will Envia-M die Möglichkeiten der Energiewende untersuchen – dazu gehören Möglichkeiten zur Gebäudesanierung und geeignete Dachflächen für Fotovoltaik.