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So viele Windkraft- und Solaranlagen braucht Sachsen in den nächsten Jahren

Mehr Fotovoltaik und Windkraft, Elektroautos und Wasserstoff: Im Auftrag der Grünen in Sachsen haben Forscher ausgerechnet, wie viele neue Anlagen zur Klimaneutralität nötig sind. Ein Überblick.

Von Georg Moeritz
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Ein Wimmelbild: So wird es an der Elbe im klimaneutralen Sachsen aussehen, nach einer neuen Studie im Auftrag der Grünen-Landtagsfraktion.
Ein Wimmelbild: So wird es an der Elbe im klimaneutralen Sachsen aussehen, nach einer neuen Studie im Auftrag der Grünen-Landtagsfraktion. © FfE

Dresden. Wenn Sachsen die Klimaschutzziele einhalten will, müssen nach einer neuen Studie rasche Fortschritte bei der Gebäudesanierung, beim Aufbau neuer Wind- und Solaranlagen und bei der Elektromobilität gemacht werden. Dr. Serafin von Roon, Geschäftsführer der Münchner Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH (FfE), hat am Mittwoch in Dresden dazu im Auftrag der Grünen-Landtagsfraktion Zahlen vorgelegt. Vier neue Windkraftanlagen pro Monat müssten demnach in Sachsen errichtet und angeschlossen werden. Von Roon sagte: "Das sollte machbar sein, was Logistik und Herstellung angeht."

Die FfE-Studie geht davon aus, das bis zum Jahr 2030 Sachsens Stromproduktion mit Fotovoltaik verdreifacht und die mit Windkraft auf das Zweieinhalbfache erhöht werden muss. Dazu müssten ab sofort monatlich vier neue Windkraftanlagen mit je fünf Megawatt maximaler Leistung angeschlossen werden, außerdem neue Fotovoltaik-Anlagen auf 8.000 Einfamilienhausdächern und einer Freifläche von 62 Fußballfeldern.

Mehr Ökostromproduktion reicht aber nicht aus, um Kohlekraftwerke zu ersetzen. Ein Teil der Energie muss gespeichert werden. Das Klimaschutzszenario der Münchner Forscher schlägt dazu unter anderem vor, bis zum Jahr 2030 in Sachsen Elektrolyse-Anlagen mit einer Leistung von 320 Megawatt zu bauen, das wären pro Monat vier Schiffscontainer mit Elektrolyseuren. Auf die Frage nach den Kosten sagte von Roon, da sich die Wasserstoffbranche erst entwickle, lasse sich kein fester Preis nennen. Derzeit müsse wohl grob mit einer Million Euro pro Megawatt gerechnet werden, aus China seien niedrigere Preise bekannt.

Große Batteriespeicher und mehr Elektroautos nötig

Zusätzlich schlägt das FfE Großbatteriespeicher vor, mit denen Sachsen bereits Erfahrung habe. Weil auch Elektroautos mit ihren Batterien als Speicher dienen können, orientiert sich die Studie am Ziel der Bundesregierung: 15 Millionen Elektrofahrzeuge im Jahr 2030 bundesweit bedeute für Sachsen 670.000. Dafür müssten pro Monat 6.700 Autos mit Verbrennermotoren durch elektrische ersetzt werden. Auf Nachfrage räumte von Roon ein, dass das Ausbauziel der Bundesregierung mit dem bisherigen Tempo nicht erreicht werde. Zudem müsse die Belastung für das Stromnetz berücksichtigt werden. "In einzelnen Handlungsfeldern wird es zu einer Zielverfehlung kommen", sagte der Forscher.

Der Grünen-Landtagsabgeordnete und energiepolitische Sprecher Daniel Gerber sagte, die Ziele seien ambitioniert. Doch er sehe nicht, dass sie nicht zu erreichen seien. Gerber verwies auf das Vorhaben des bisherigen Braunkohlekonzerns Leag, in der Lausitz klimaneutrale Anlagen unter der Bezeichnung Gigawatt-Factory zu errichten. "Diese Ziele sind auf jeden Fall erreichbar", sagte Gerber.

Die Leag plant nach früheren Angaben "eine Flotte hochflexibler Kraftwerke". Konzernchef Thorsten Kramer hatte angekündigt, bis 2030 werde die Leag Wind- und Solaranlagen mit einer Leistung von sieben Gigawatt ans Netz bringen. Die Leag geht nach eigenen Angaben davon aus, dass bis 2030 mehr als 1.000 Mitarbeiter direkt oder mittelbar mit dem neuen Standbein Erneuerbare Energien zu tun haben werden.

Sächsischer Vorteil: Fernwärme schon weit verbreitet

Der Energiekonzern Envia-M mit Sitz in Chemnitz hat voriges Jahr vorgerechnet, dass auf seinem Versorgungsgebiet in mehreren ostdeutschen Ländern pro Monat acht Windkraftanlagen und 20 Fußballfelder mit Solaranlagen bestückt werden müssten. Rund 400 Millionen Euro investiert der Konzern in diesem Jahr in den Ausbau der Stromnetze. Die Sachsen-Energie mit Sitz in Dresden hat angekündigt, 1,5 Milliarden Euro bis 2045 mit dem Ziel Klimaneutralität auszugeben.

Gerber sagte, die Kurzstudie des FfE fasse "die Energiewende auf dem Bierdeckel" zusammen. Um die Energiewende voranzubringen, setzten die Grünen auch auf "akzeptanzsteigernde Maßnahmen". Bürger müssten finanziell an den Erträgen der Ökostrom-Anlagen beteiligt werden, ein Gesetz dazu werde in Berlin erarbeitet. Im vorigen Jahr waren in Sachsen mehr Windkraftanlagen abgerissen als neu gebaut worden, allerdings sind die neuen leistungsfähiger.

Die Studie geht auch kurz auf den Energieverbrauch ein. Um ihn zu senken, müssten pro Jahr auch 11.000 Wohngebäude in Sachsen saniert werden. Gas- und Ölheizungen, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht hätten, müssten durch "regenerative Heizsysteme" ersetzt werden. Monatlich müssten etwa 1.900 Heizanlagen ausgetauscht werden. Sachsen steht laut von Roon bei Heizanlagen "gut da", weil fast ein Drittel der Wohnungen bereits an Fernwärmeleitungen angeschlossen sei.