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eFuels und Elektromobilität: Sowohl-als-auch, statt Entweder-oder

Jede Technologie hat ihre Vorteile, Hürden und Grenzen, meint Monika Griefahn, Vorsitzende der eFuel Alliance. Warum synthetische Kraftstoffe als Beschleuniger eines pragmatischen und realen Klimaschutzes wirken, lesen Sie in Ihrem Gastbeitrag - eine Antwort auf den Gastbeitrag des Dresdner Wissenschaftlers Udo Becker .

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© eFuels Alliance e.V.

Entweder, oder – die Debatte über den Einsatz von eFuels im Verkehrssektor ist kontrovers, die Fronten verhärtet. Befürworter von „all electric“ lehnen die Nutzung von eFuels im Straßenverkehr radikal ab. Verfolgt man realen Klimaschutz, stellt sich die Frage des „Entweder-Oder“ aber nicht. Vielmehr braucht es ein „Sowohl-als-auch“.

Klar ist: die Elektrifizierung spielt eine zentrale Rolle in der Transformation des Verkehrssektors. Aber muss die Nutzung von eFuels deshalb ausgeschlossen werden? Keine der Technologien steht isoliert für sich. Sie wirken ergänzend und minimieren so ihre gegenseitigen Nachteile.

Nicht alle Sektoren lassen sich schnell, geschweige denn einfach elektrifizieren. Für diverse Anwendungsbereiche sind Batterien zu schwer, zu ineffizient und zu ineffektiv. Müssen schwere Lasten transportiert oder weite Strecken zurückgelegt werden, ist eine Abkehr von flüssigen und gasförmigen Kraftstoffen mit hoher Energiedichte schwierig. Wir sprechen hier insbesondere über schwere Nutzfahrzeuge, den Offroad- und maritimen Sektor sowie den Luftverkehr.

Sicherlich gilt es abzuwägen, in welchen Bereichen welche Technologie sinnvoll ist und dass die Produktion von eFuels energieintensiv ist, steht außer Frage. Faktische Technologieverbote können aber nicht die Antwort sein, genauso wenig wie ein einzelner Technologiepfad. Und dass eFuels eine Zukunftstechnologie sind, belegt die steigende Zahl kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie Start-Ups im Bereich der eFuel Produktion. Keines dieser Unternehmen verfolgt das Ziel, „veraltete“ Technologien am Leben zu erhalten – denn Technologien sind per se weder gut noch schlecht. Klimaschädlich ist nicht der Verbrennungsmotor selbst, sondern die fossilen Treibstoffe, die ihn antreiben.

Fossil muss weichen, eFuels je nach Anwendung diesen Platz einnehmen. Daher gilt es internationale Partnerschaften zu stärken und Regionen zu fördern, in denen die Produktion von eFuels kostengünstig und massenmarkttauglich realisiert werden kann. Weder Deutschland noch Europa werden eigenständig die notwendigen zusätzlichen Mengen erneuerbarer Energie produzieren können, die für die großen Mengen an klimafreundlichem Wasserstoff und seinen Derivaten gebraucht werden. Besonderes Augenmerk liegt daher auf Ländern wie Chile. Chile will Energieexporteur werden und bis zu 70x mehr Energie zu produzieren, als das Land verbraucht. Weitere Untersuchungen am Beispiel Marokkos zeigen, dass jeder investierte Euro in eFuels, vor Ort zusätzlich 12 € an Wertschöpfung generiert. Das Fraunhofer IEE geht in ihrem PtX-Atlas von einem weltweiten Potenzial von 87.000 Terawattstunden (TWh) an klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen aus – zum Vergleich: bis 2050 benötigt die Luftfahrt 6.700 TWh und der Schiffsverkehr 4.500 TWh. Es bleibt also Spielraum für weitere Anwendungen in Verkehr und Industrie.

Konzentrieren wir uns bei der Produktion klimafreundlicher Kraftstoffe auf Länder mit einem Überschusspotenzial an erneuerbaren Energien, diversifizieren wir nicht nur unsere Energieimporte sowie Lieferketten, sondern stärken damit die Resilienz unserer Wirtschaftlichkeit. Zusätzlich werden potenzielle Risiken, im Gegensatz zum Import fossiler Kraftstoffe, auf viele Länder verteilt. Ferner steigt durch die Produktion in wind- und sonnenreichen Regionen die Effizienz von eFuels. Ein Windrad mit 5MW Leistung in Deutschland hat durchschnittlich 2000 Volllaststunden im Jahr, ein identisches Windrad in Chile rund 6000 Volllaststunden jährlich. Während ein Windrad mit in Deutschland produzierten eFuels nur 1.200 Fahrzeuge versorgen kann, verdreifacht sich die Versorgungsquote in Chile auf 3.600 Fahrzeuge (Siehe Abbildung 1, Quelle: VDMA).

© VDMA

Bislang ist die Produktion von eFuels nicht industrialisiert und daher schlichtweg zu teuer. Die sehr restriktiven politischen Rahmenbedingungen in Europa erschweren einen schnellen Hochlauf der Produktionskapazitäten, was sich negativ auf die Produktionspreise auswirkt. Eine kostengünstige Herstellung geht mit der Erschließung des Massenmarktes einher – die Windenergie ist ein exzellentes Beispiel. Während beim sogenannten „Growian“, einer Windkraft-Pilotanlage 1980 in Brunsbüttel, eine Kilowattstunde fünf D-Mark kostete, liegen die Kosten pro Kilowattstunde heute bei wenigen Cent. Mit entsprechender Skalierung ist es möglich, die Produktionskosten eines Liter eFuels bis 2030 zwischen einem und zwei Euro einzupendeln.

Darüber hinaus behindern ideologische Konflikte die Markteinführung. Die öffentliche Debatte konzentriert sich oft zu sehr auf den Einsatz von eFuels bei Pkw und vernachlässigt das Dekarbonisierungspotenzial der bestehenden Flotte von weltweit rund 1,4 Milliarden Fahrzeugen, 90.000 Schiffen, 20.000 Flugzeugen, oder Baumaschinen und Generatoren. Wir brauchen die Zahlungsbereitschaft des Straßenverkehrs, um Investitionen anzureizen und Synergiepotenziale für andere Verkehrssektoren zu heben. Denn bei der Herstellung von eFuels für beispielsweise den Luftverkehr mittels Fischer-Tropsch-Synthese, fallen e-Benzin und e-Diesel als Nebenprodukte an, die dem Kraftstoffbedarf der gesamten Flotte beigemischt werden können. Die Preise würden dabei nur geringfügig erhöht. Mit diesem Ansatz werden parallel in verschiedenen Verkehrssektoren die CO2-Emissionen massiv reduziert. Also schauen wir uns die Welt an, vereinfachen die Regeln und machen Investitionen möglich wie die USA mit dem Inflation Reduction Act!

Zur Autorin:Dr. Monika Griefahn ist Vorstandsvorsitzender der eFuel Alliance und Gründungsmitglied von Greenpeace Deutschland. Von 1984 bis 1990 arbeite Monika Griefahn als erste Frau im internationalen Vorstand von Greenpeace. Von 1990 bis 1998 war sie Umweltministerin in Niedersachsen. Damals wie heute setzt sie sich für eine neue Energiepolitik ein: für erneuerbare Energien und den Ausstieg aus der Atomenergie. Monika Griefahn ist vielfältig ehrenamtlich engagiert und wurde 2018 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.