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Dresdner Ökostrom kommt aus Island und Norwegen

Norwegische Kraftwerke erzeugen den Ökostrom für die Sachsen-Energie. Warum kommt er von so weit her? Und welche Folgen hat die Krise für den grünen Strom?

Von Luisa Zenker
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Wieso kommt der grüne Strom in Dresden aus Norwegen, Island und Frankreich?
Wieso kommt der grüne Strom in Dresden aus Norwegen, Island und Frankreich? © dpa/Julian Stratenschulte (Symbolfoto)

Dresden. Die Energiewende ist in vollem Gange. Auch wenn derzeit wegen des Ukraine-Krieges über eine Verlängerung der Kohleerzeugung nachgedacht wird, möchte die Regierung, dass Deutschland durch die erneuerbaren Energien autark wird. Die Sachsen-Energie bietet als größter kommunaler Energieversorger Dresdens bereits jetzt Ökostrom an. Fünf Prozent der Haushalte nutzen das Angebot. Aber unterstützen sie damit wirklich den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Region?

In diesem Artikel:

  • Woher kommt der Strom der Sachsen-Energie?
  • Was ist Ökostrom?
  • Wieso kommt er Ökostrom aus Island und Norwegen?
  • Gibt es Alternativen, um Ökostrom zu beziehen?
  • Ist Ökostrom teurer als Normalstrom?
  • Wie beeinflussen die aktuellen politischen Entwicklungen den Markt mit dem grünen Strom?

Woher kommt der Strom der Sachsen-Energie?

Der Energiemix der Sachsen-Energie im Jahr 2020 setzte sich zu 9 Prozent aus Kernkraft, zu 16 Prozent aus Kohleerzeugung, zu 6,6 Prozent aus Erdgas und zu 67,6 Prozent erneuerbare Energien zusammen.

Dabei entstehen etwa 310 Gramm Kohlenstoffdioxid pro Kilowattstunde. Das entspricht etwa einer Fahrstrecke von zwei Kilometern mit dem eigenen Pkw. Auch radioaktiver Abfall fällt dabei an. Um das zu umgehen, hat die Sachsen-Energie zwei Ökostromtarife entwickelt.

Was ist Ökostrom?

Als "Öko" wird Strom bezeichnet, der aus erneuerbaren Energiequellen stammt, also Wasserkraft, Windkraft, Biogas und Fotovoltaik. Auch bei der SachsenEnergie kann man seit mehreren Jahren einen Ökostrom-Tarif buchen. Dabei entfallen kaum CO2-Emissionen. Dieser Strom stammt zu Teilen aus Norwegen, Frankreich und Island.

Wieso kommt der Ökostrom aus Island und Norwegen?

Eine Leitung von Island nach Dresden gibt es nicht, die Herkunft hat vielmehr mit dem Zertifikatehandel zu tun: Jede Person, die für den Strom in der Steckdose bezahlt, fördert die Energiewende mittels der EEG-Umlage, egal ob sie einen Ökostromtarif hat oder nicht. Denn mit der Umlage wird der Ausbau der Erneuerbaren Energien finanziert.

Der grüne Strom, der damit gefördert wird, darf also nicht gesondert als Ökostrom verkauft werden, sonst würden Anlagenbetreiber wie die Sachsen-Energie für denselben grünen Strom das doppelte einnehmen.

Das bedeutet: Die Sachsen-Energie muss für den Ökostrom weitere Herkunftsnachweise von Energieträgern kaufen, die nicht mit der EEG-Umlage gefördert werden. Da es in Deutschland nur wenige davon gibt, erwerben viele Stromanbieter Zertifikate im europäischen Ausland. Mit diesem Geld finanziert der Kunde also nicht den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland, sondern zum Beispiel in Norwegen oder Island.

Das gilt auch für den Ökostrom der Sachsen-Energie. Der Tarif "Natürlich.Strom" besteht zu 100 Prozent Wasserkraft. "Den Strom für den Tarif 'Strom.Natur' beziehen wir nicht aus regionalen Quellen", erklärt auch Sachsen-Energie-Sprecherin Nora Weinhold.

Demnach stammen 35 Prozent vorwiegend von fünf Wasserkraftwerken in Norwegen: Zudem kommt der Strom aus dem isländischen Wasserkraftwerk in Selfoss und dem französischen Wasserkraftwerk in Vogelgrun.

"Dieser 'Ökostrom' vom Sachsen-Energie-Tarif ist ein Etikettenschwindel, weil man keinen regionalen Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien unterstützt beziehungsweise eigene neue Systeme aus dem Zusatzertrag errichtet", kritisiert Fritz Pielenz, Aktivist der Dresdner Variante von "Parents for Future".

Gibt es Alternativen, um Ökostrom zu beziehen?

Die Sachsen-Energie verfügt seit Kurzem über ein weiteres Produkt für Dresden, bei denen Strom aus regionalen Anlagen und erneuerbaren Energiequellen bezogen wird. Das bedeutet, dass der Strom in einem Umkreis von 50 Kilometern erzeugt wird.

"Für den Tarif 'Nebenan.Strom' kommt der Strom zu 100 Prozent aus regionalen Erzeugungsanlagen wie dem Windpark Streumen, der Biogasanlage Klotzsche, der Fotovoltaik-Anlage Bautzen sowie aus dem Wasserkraftwerk Rabenauer Grund", erklärt Sprecherin Nora Weinhold.

Der Parents-for-Future-Aktivist nennt Alternativen, die noch weitergehen: "Ökostromanbietern, wie EG Neos, Elektrizitätswerke Schönau (EWS) oder Green Planet Energy setzen sich politisch als Kern ihrer Unternehmensstrategie für die Energiewende und wirtschaftlich für den EEG-unabhängigen und umfassenden Ausbau erneuerbarer Energien ein. In der Konsequenz bieten diese gar keinen fossilen Strom mehr an."

Ist Ökostrom teurer als Normalstrom?

Tatsächlich kostet der Ökostrom-Tarif der Sachsen-Energie ähnlich viel wie der Grundtarif. Der Preis für den Strom, der unter anderem aus isländischen und norwegischen Wasserkraftwerken kommt, liegt bei etwa 28 Cent pro Kilowattstunde.

Wie beeinflussen die aktuellen politischen Entwicklungen den Markt mit dem grünen Strom?

Die Energiepreise bewegen sich auf einem historisch hohen Niveau. Boomt der Ökostrom nun? "Unabhängig von der Energiequelle orientiert sich der Strompreis am Börsenpreis für Strom. Dieser liegt seit Monaten auf einem sehr hohen Niveau", erklärt Nora Weinhold. Ökostrom ist also auch teurer geworden.

Deshalb könne die Sachsen-Energie derzeit für Neukunden keinen Ökostrom-Tarif abschließen. "Für Neukunden überarbeiten wir derzeit das Angebot, sodass dazu gerade keine Angaben zu Preisen möglich sind", sagt die Sprecherin.

Auch der Ökostromanbieter Green Planet Energy sowie die EWS können keine Neukunden mehr unter Vertrag zu nehmen. Die Versorgung der Bestandskunden sei nicht betroffen. Die EWS musste bereits im Herbst höhere Ökostrompreise von den Kunden verlangen.

Grund dafür sei, dass der Ökostrom ihrer Partner stärker nachgefragt werde, weil die Preise an der Börse so stark gestiegen sind. Aufgrund der anhaltend angespannten Lage am Energiemarkt hat die Bundesregierung beschlossen, die EEG-Umlage früher als ursprünglich geplant abzuschaffen werden, nämlich schon zum 1. Juli.