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Sachsens Bäcker geraten in Existenznot

Fürs täglich Brot sorgen Hunderte Handwerksbäcker in Sachsen. Doch angesichts der Preisspirale bei Zutaten und Energie geraten sie immer stärker unter Druck.

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Frische Brötchen in der Glauchauer Bäckerei Rabe: Vielen Bäckern machen Kostenerhöhungen nicht nur bei der Energie sehr zu schaffen.
Frische Brötchen in der Glauchauer Bäckerei Rabe: Vielen Bäckern machen Kostenerhöhungen nicht nur bei der Energie sehr zu schaffen. © dpa/Sebastian Willnow

Glauchau. Ab 23.00 Uhr stand Bäckermeister Thomas Rabe in der Backstube, buk Brötchen, Brot und Kuchen für seine Kunden. Nach einem Schläfchen am Vormittag macht er sich nun an den Sauerteig für morgen. Der Glauchauer ist Vollblut-Bäcker, hat das Geschäft 2004 von seinem Vater übernommen. Doch die Welt vieler Bäcker in Sachsen ist aus den Fugen. Von einem "Kosten-Tsunami" ist in der Branche die Rede, von "Alarmstufe Brot".

Auch Rabes kleinen Betrieb, in dem seine Frau Jacqueline und zwei weitere Angestellte mitarbeiten, machen die vielen Kostenerhöhungen nicht nur bei Energie sehr zu schaffen. Denkt er ans Aufhören? "Dieser Gedanke war nicht nur einmal da", bekennt der 50-Jährige.

Rund 800 Handwerksbäcker gibt es noch in Sachsen, das Gros der Betriebe sei familiengeführt, erklärt die Geschäftsführerin des Landesinnungsverbandes Saxonia, Manuela Lohse: "Hinten steht der Bäckermeister in der Backstube, die Frau verkauft vorn im Laden."

Doch in der Branche gebe es derzeit viele Sorgen und große Wut. "Keiner weiß so richtig, was kommt." An den Betrieben hänge die Existenz ganzer Familien - nicht nur die der Bäcker selbst, sondern auch die ihrer Angestellten. Zudem seien Bäckereien Akteure in regionalen Wertschöpfungsketten, beziehen ihre Zutaten oft von Mühlen und Landwirten in der Region. Hört ein Bäcker auf, hat das Folgen über seinen eigenen Betrieb hinaus.

Doch nun steht die Branche enorm unter Druck. Lohse spricht von drei Schocks: Energie, Preise, Lohn. Einerseits müssen die Bäcker tagtäglich ihre Öfen mit Gas oder Strom heizen. Viele Betriebe hätten Verträge mit Festpreisen, so dass die enormen Folgen der Energiekrise häufig noch nicht komplett durchschlagen. Doch wenn die bisherigen Verträge auslaufen, drohen saftige Erhöhungen. Zugleich ist der Mindestlohn gestiegen und im Oktober steht ein weiteres Plus auf 12,00 Euro an. In Bäckereien betreffe das etwa Hilfspersonal und Reinigungskräfte. "Aber es gibt die Erwartung, dass auch für andere Beschäftigte der Lohn entsprechend steigt."

Und auch für Zutaten müssen Bäcker weit mehr berappen: Butter, Sahne, Quark, Zucker, Mehl - alles sei teurer geworden, erzählt Rabe. Bisher habe er sich noch nicht getraut, die Preise für Brötchen, Brot und Co zu erhöhen. "Die Leute sollen sich ihre frischen Brötchen leisten können", sagt er. Doch länger halte das sein Betrieb nicht durch. So werde er bald etwas mehr verlangen, kündigt er an. "Wir kommen nicht drum herum", ergänzt sein Freund und Kollege Heiko Zwicker. Auch er betreibt eine Bäckerei in Glauchau im Landkreis Zwickau.

Thomas Rabe (l.), seine Frau Jacqueline Rabe (2.v.l.), Sindy Zwicker und Heiko Zwicker
Thomas Rabe (l.), seine Frau Jacqueline Rabe (2.v.l.), Sindy Zwicker und Heiko Zwicker © dpa/Sebastian Willnow

Angesichts der Lage müssen sich laut Lohse Kunden überall in Sachsen auf höhere Preise einstellen. Das sei in den Städten meist leichter durchzusetzen als auf dem Land. Schon heute gebe es ein Preisgefälle, könne in den Großstädten ein Stück Kuchen durchaus zwei Euro kosten, manches Spezialbrötchen einen Euro.

Doch werden die Kunden angesichts der Preisspirale in vielen Lebensbereichen den Handwerksbäckern die Treue halten? Oder greifen sie lieber zum billigeren Brötchen oder Toastbrot vom Discounter? Schon seit Monaten sei eine Kaufzurückhaltung zu spüren, berichten Jacqueline Rabe und Sindy Zwicker über ihre Erfahrungen hinter der Ladentheke. "Ich habe viele Kunden, die nicht mehr kommen", bedauert Zwicker. "Viele Leute kaufen bewusster ein", ergänzt Rabe. Da werde genauer hingeschaut, wie viele Brötchen wirklich gebraucht werden, und auf das extra Stück Kuchen verzichtet.

Bei den bisherigen Entlastungen sehen sich die Bäcker weitgehend außen vor. Jüngst hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nun auch energieintensiven Mittelständlern rasch Zuschüsse zu den Gas- und Stromkosten in Aussicht gestellt. Er wolle bestehende Förderinstrumente so öffnen, dass auch das Handwerk profitiere.

Mittelstandsfirmen aus allen Wirtschaftssektoren, die von den steigenden Energiekosten stark betroffen sind, sollen leichter Zuschüsse erhalten können. Sachsens Bäckerinnung fordert derweil statt Zuschüssen einen festen Kostendeckel für Energiepreise, eine Senkung von Steuern und Umlagen für Energie sowie direkte Steuerentlastungen für Mitarbeiter angesichts der hohen Inflation.

Bäckermeister Rabe macht keinen Hehl aus seiner Verärgerung über die Politik der Bundesregierung: "Die Stimmung ist überall getrübt." Zugleich erinnert der 50-Jährige daran, dass die Bäcker während der Corona-Lockdowns unermüdlich weiter gearbeitet haben, um die Menschen zu versorgen. Nötig seien nicht nur Hilfen für die Betriebe selbst, sondern dauerhafte Entlastungen für die Bürger, betont er. Aktionen wie das 9-Euro-Ticket hätten nur vorübergehend Einsparungen für sie gebracht. "Wir leben von unseren Kunden." Und sein Kollege Heiko Zwicker warnt: "Wenn das so weiter geht, werden sich viele das Bäckerbrötchen schlicht nicht mehr leisten können." (dpa)