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Warum Volksbanken und Sparkassen jetzt so hohe Gewinne machen

Bei den regionalen Banken in Sachsen gibt es wieder Zinsen für Erspartes. Damit steigen auch die Gewinne der Volksbanken und Sparkassen. Was sie jetzt erwarten.

Von Georg Moeritz
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Elegante Fassade der Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien in Görlitz: Die deutschen Volksbanken haben am Mittwoch starken Gewinnzuwachs gemeldet.
Elegante Fassade der Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien in Görlitz: Die deutschen Volksbanken haben am Mittwoch starken Gewinnzuwachs gemeldet. © Foto: SZ/Georg Moeritz

Dresden. Wer bei der Volksbank Riesa sein Geld vom Sparbuch aufs Tagesgeldkonto umschichtet, kann seine Zinsen verdoppeln: Zwei Prozent Zinsen pro Jahr bietet die sächsische Genossenschaftsbank derzeit ihren Tagesgeld-Kunden. Das ist mehr als bei der Volksbank Dresden-Bautzen, die ihren Kunden lieber Termingeld empfiehlt - dort gibt es 2,1 Prozent pro Jahr, wenn das Geld für zwei Jahre fest angelegt wird. So manche Bank bietet für solche Geschäfte mehr als drei Prozent, doch die Beispiele zeigen immerhin: Die Zeit der Negativzinsen ist vorbei, fürs Sparen gibt es wieder Geld.

Die fast 700 deutschen Genossenschaftsbanken legen ihre Zinsen und ihre Geschäftspolitik jeweils individuell fest, das betonte der Vorstand des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken beim Jahrespressegespräch, das am Mittwoch online aus Berlin übertragen wurde. Die Volksbank Riesa zeigt ihren Kunden in ihrer "Gold Lounge" Münzen und Barren aus Edelmetall. Die Görlitzer Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien bietet laut Internet-Auftritt Sparbriefe mit fünf oder zehn Jahren Laufzeit an. Gemeinsam ist den Volksbanken ebenso wie den ostdeutschen Sparkassen, die bereits vor zwei Wochen Bilanz zogen: Sie machen mit den gestiegenen Zinsen deutlich mehr Gewinn als vorher.

Marija Kolak, Präsidentin des Volksbankenverbandes, spricht selbst von einem "beachtlichen Ergebnis". Mit ihren über 30 Millionen Kunden haben die Genossenschaftsbanken voriges Jahr 10,7 Milliarden Euro Gewinn vor Steuern erzielt. Im Jahr zuvor waren es noch 6,2 Milliarden. Der Ost-Sparkassenverband hatte vor zwei Wochen bereits Rekordgewinne für das Jahr 2023 gemeldet. Sowohl im Geschäft mit Zinsen als auch mit Provisionen für Wertpapiere stiegen die Gewinne der Volksbanken. Dabei vervierfachten sich ihre Zinsaufwendungen voriges Jahr auf 7,2 Milliarden Euro, vor allem wegen Umschichtungen von Kundengeldern in höher verzinste Einlagen. Die Sparer zogen Geld aus den "Sichteinlagen" ab, also von zinslosen Spar- und Girokonten. Während der Coronazeit hatten sie dort höhere Summen zurückgelegt.

Volksbank-Präsidentin Kolak: Zinsen sinken nicht vor Juni

Bei den jüngsten Umschichtungen blieb genügend Geld für die Volksbanken übrig: Laut Vorstandsmitglied Daniel Quinten haben die deutschen Genossenschaftsbanken 83 Milliarden Euro mehr Einlagen als Kredite im Bestand. Dabei ist die Summe der Kredite voriges Jahr weiter gewachsen, obwohl sich Hausbauer und Investoren in Deutschland zurückhielten. Das Neugeschäft der zwölf ostdeutschen Sparkassen mit Wohnungsbaukrediten hat sich voriges Jahr halbiert. Im Geschäft mit Wertpapieren meldeten die Genossenschaften "erste Wertaufholungen", nachdem sie im Jahr 2022 noch bei manchen Papieren Geld abschreiben mussten. Auch das Wertpapiergeschäft trug zum jüngsten Gewinnwachstum bei.

Der Vorstand des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken: von links Präsidentin Marija Kolak, Tanja Müller-Ziegler und Daniel Quinten.
Der Vorstand des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken: von links Präsidentin Marija Kolak, Tanja Müller-Ziegler und Daniel Quinten. © BVR/Torsten Silz

Verbandspräsidentin Kolak rechnet damit, dass die Zinsen in diesem Jahr wieder sinken. Manche Banken haben ihre Angebote für Tages- oder Festgeld schon wieder gesenkt. Kolak rechnet allerdings "frühestens im Juni" mit einer Leitzinssenkung der Zentralbank. Angesichts der "Winterstarre" der Wirtschaft habe die Zentralbank bisher richtigerweise vorsichtig agiert. Die Volksbanken rechnen damit, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr nicht wächst: Sie sagen 0,0 Prozent preisbereinigten Zuwachs für das Bruttoinlandsprodukt voraus, während die Bundesregierung von 0,2 Prozent ausgeht.

Prognose: 2024 ein verlorenes Jahr für Investitionen

In der ersten Jahreshälfte werde sich die Konjunktur jedenfalls nicht erholen, sagte Kolak. 2024 werde für Investitionen "erneut ein verlorenes Jahr sein". Weder Wohnungsbau noch Investitionen in Klimaschutz würden in Gang kommen - obwohl beide dringend benötigt würden. Die Volksbanken-Präsidentin sagt voraus, dass Deutschland "in den nächsten Jahren am Rand einer Rezession stehen" wird. Wie die Sparkassen sehen die Volksbanken Unsicherheit bei den Unternehmern und beklagen Bürokratie. Freilich bedeute das nicht, dass gar nicht investiert werde.

Kolak urteilt, dass die Verwaltung in Deutschland nicht so effizient arbeite wie nötig. "Ich sehe eine Krise des Staates", sagte sie. Auch das Geschäft der Genossenschaftsbanken werde durch geplante neue Regeln verteuert und eingeschränkt. Kolak beklagte geplante europäische Änderungen am Einlagensicherungssystem und zeigte sich wie die Sparkassen ablehnend gegenüber Details zum geplanten digitalen Euro. Die Zentralbank plane unnötigerweise eine "doppelte Infrastruktur", für die am Ende die Steuerzahlen aufkommen müssten.

Dass jedes Jahr 30 bis 40 kleinere Volks- und Raiffeisenbanken durch Fusion mit anderen verschwinden, liegt laut Verband ebenfalls an der Bürokratie. Sie würden "wegreguliert", sagte Vorstand Quinten. Es gebe 60 Prozent weniger Genossenschaftsbanken als im Jahr 2000. In Sachsen entstand beispielsweise 2017 die Volksbank Dresden-Bautzen durch Fusion zweier etwa gleich großer Nachbarn, in Westdeutschland gibt es wesentlich kleinere Genossenschaftsbanken. Für sie seien die Formalitäten kaum noch zu bewältigen.

Pleiten nehmen nach Corona-Staatshilfen wieder zu

Die Volksbanken stellen "zunehmende Kreditrisiken" fest. Voriges Jahr gab es nach ihrer Schätzung etwa 17.900 Insolvenzen, vor allem unter Baufirmen, im Handel und Dienstleistungsgewerbe. Die Zahl werde noch größer werden. 1,5 Milliarden Euro büßten die Volksbanken voriges Jahr durch "Abschreibungen und Wertberichtigungen" ein. Doch diese Größenordnung hätten sie in diesem Konjunkturzyklus erwartet. Eine Zunahme bei Insolvenzen ist laut Kolak auch eine "Normalisierung", nachdem der Staat in der Corona-Zeit gefährdete Betriebe gestützt hatte. Die Zahl der Firmeninsolvenzen sei nun höher als 2019, die Zahl der Privatinsolvenzen auf dem Stand des Jahres 2017.

Verbandspräsidentin Kolak erwartet, dass mancher Mittelständler seinen Betrieb aufgeben und keinen Nachfolger finden wird und dass viele Menschen weniger arbeiten möchten. Es sei aber nötig, wie in früheren Generationen etwas aufzubauen. "Das wird nicht ohne Entbehrungen gehen", sagte Kolak.

Die 697 Genossenschaftsbanken beschäftigten voriges Jahr 134.800 Menschen, das war ein leichter Zuwachs. 8.450 Auszubildende sind dabei, 200 mehr als im Vorjahr. Diese Banken betreiben aber nach eigenen Angaben auch 28 Prozent der Geldautomaten in Deutschland, ihre Zahl ging um etwa 825 auf rund 52.000 zurück. Vorstandsmitglied Tanja Müller-Ziegler bestritt auf Nachfrage, dass die Gewinne der Sparkassen sich dynamischer entwickelten als bei den Volksbanken: "Wir waren immer besser als die Sparkassen", sagte sie.