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E-Bikes lernen sicheres Bremsen

Bei Autos und Motorrädern ist das Antiblockiersystem längst Standard. Bosch nimmt nun einen neuen Anlauf, ABS auch bei Fahrrädern zu etablieren.

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Gefahrlos ums Eck: Das ABS für E-Bikes soll Bremsen auch in Kurven
sicherer machen.
Gefahrlos ums Eck: Das ABS für E-Bikes soll Bremsen auch in Kurven sicherer machen. © J. Mittelstaedt/Bosch/dpa

Viele Radfahrer haben regelrecht Angst vor einem scharfen Bremsmanöver. Tatsächlich kann durch einen zu kräftigen Druck auf die Vorderradbremse das Rad blockieren und zur Seite hin wegrutschen. Bei höherem Tempo besteht sogar die Gefahr, dass sich das Rad überschlägt und man über den Lenker „absteigt“.

Dabei ist die Vorderradbremse besonders geeignet, um mit kurzem Bremsweg zum Halten zu kommen. Der Grund: Das Körpergewicht wird beim Bremsen aufs Vorderrad gedrückt, es bekommt so mehr Traktion und kann mehr Bremskraft aufnehmen. Wäre da nicht die Befürchtung, dass das Hinterrad abhebt.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma suchten die Fahrradhersteller schon lange. Bereits vor 18 Jahren stellte der ostdeutsche Produzent Biria ein mechanisches Antiblockiersystem für Fahrräder vor. Es konnte sich aber am Markt nicht durchsetzen. Die Ansätze von Biria weckten aber die Ambitionen bei Bosch. Der Konzern brachte 1978 das erste elektronische ABS für Autos auf den Markt. Es dauerte bis 2017, ehe ein elektronisch gesteuertes hydraulisches ABS für Fahrräder folgte. Im Frühjahr 2018 bestückten dann erste Hersteller Bikes mit dieser Technik von Bosch.

Bislang sind aber nur die wenigsten E-Bikes am Markt mit ABS ausgestattet. Das könnte damit zu tun haben, dass die alte ABS-Steuerungseinheit von Bosch aus einem rund 800 Gramm schweren, recht klobig wirkenden Kasten bestand, der vorne am Lenker montiert wurde. Auch der Aufpreis von rund 500 Euro dürfte viele potenzielle Nutzer abgeschreckt haben.

Auf der Eurobike hat Bosch nun ein komplett überarbeitetes, deutlich kompakteres und leichteres System vorgestellt. Es soll auch etwas günstiger sein. „Das Modul der zweiten Generation ist 77 Prozent kleiner und 55 Prozent leichter“, sagt Claus Fleischer von der Bosch-E-Bike-Systemsparte. „Damit können wir es unten an der Fahrradgabel montieren, dicht am Bremssattel. Das System ist so für das ungeübte Auge kaum noch sichtbar.“

Einen Unterschied gegenüber der ersten Generation macht auch die Software. Während das System früher nicht zwischen Trekkingrad, Mountainbike oder Lastenrad unterscheiden konnte, berücksichtigt das ABS 2.0 nun die unterschiedlichen E-Bike-Typen mit dem individuellen Verhältnis von Gewicht und Schwerpunkt.

Beim Lastenrad mit einem niedrigen Schwerpunkt sorgt die ABS-Kombination aus Hardware und Software dafür, dass selbst bei voller Beladung ein schnelles, sicheres und spurtreues Bremsen möglich ist. Das Vorderrad kann nicht mehr blockieren und sich querstellen. Bei Touring- oder Mountainbikes kommt ein Hinterradsensor zum Einsatz. Schlägt dieser an, wird innerhalb von Millisekunden automatisch der Bremsdruck am Vorderrad abgesenkt, sodass das Hinterrad nicht abhebt, sondern wieder Bodenkontakt erhält. Sportliche Mountainbiker können dabei auch einen Modus auswählen, bei dem das ABS weniger ins Geschehen eingreift oder das ABS komplett abstellen.

Der für das ABS benötigte Strom wird vom E-Bike-Akku bereitgestellt. Im Test mit einem Vorserienmodell konnten dabei keine nennenswerten Auswirkungen auf die Reichweite festgestellt werden. Selbst nach einem automatischen Abschalten der Motorunterstützung bei leer gefahrenem Akku steht das ABS noch lange zur Verfügung. Ist der Akku komplett leer, meldet es sich mit einer kurz vorher aufleuchtenden Kontrollleuchte ab.

Nach Einschätzung der Prüforganisation Dekra ist ABS ein „sinnvoller Schritt in Richtung mehr Sicherheit auf dem Pedelec“. Es entschärft viele kritische Bremssituationen und sei dadurch ein „großer Zugewinn für die Verkehrssicherheit“. Die Frage, wie teuer dieser Zuwachs an Sicherheit ausfallen wird, wird beantwortet werden, wenn die Fahrradhersteller ihre

neuen Modelle mit ABS vorstellen werden. Auf der Eurobike war die Rede von Aufpreisen zwischen 300 und 400 Euro. (dpa)