Reaktivierung der Bahnstrecke Döbeln-Dresden läuft schleppend
Das Eisenbahnbundesamt will konkretere Angaben zur Finanzierung. Deshalb ist ein neuer Vertrag zwischen NRE und Ministerium nötig. Das ist nicht das einzige Problem.
Döbeln. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von Dresden nach Döbeln zu kommen, das hat Marco Böhme getestet. Mit dem Zug bis Meißen und dort in den Bus Richtung Döbeln steigen – das war der Plan. „Es war ein Glücksspiel“, so Böhme.
Denn der Zug hatte Verspätung und der Anschlussbus habe nicht gewartet. „An einer Ampel habe ich ihn aufgehalten und den Fahrer gebeten, mich noch mitzunehmen“, erzählt der medienpolitische Sprecher der Linken im Landtag.
Von einer Beratung in der Landeshauptstadt kam er zu einer Podiumsdiskussion nach Döbeln. Eineinhalb Stunden hat er für die Strecke gebraucht. Ebenso lange wie Marika Tändler-Walenta.
Die Landtagsabgeordnete (Linke) war mit dem Auto unterwegs und stand auf der A 4 im Stau. Die Lösung wäre eine direkte Zugverbindung von Döbeln über Meißen nach Dresden. Genau um die kämpfen Politiker und die Nossen-Riesaer-Eisenbahn-Compagnie (NRE) seit Jahren.
Drängen auf zügige Reaktivierung der Strecke
Auch der Fahrgastverband Pro Bahn drängt auf eine zügige Reaktivierung der Strecke Döbeln-Nossen-Meißen, auf der der Personennahverkehr im Jahr 2015 eingestellt wurde.
Seit einiger Zeit organisiert Marika Tändler-Walenta einen parteiübergreifenden runden Tisch zu diesem Thema. Sie bezeichnet die Situation als unübersichtlich, auch, weil viele Behörden damit befasst seien.
Zudem fehle die Transparenz, bemängelt Michael Koch von Pro Bahn. Es werde viel geredet, aber es passiere nichts. Und der „Schwarze Peter“ liege derzeit bei der NRE.
Ein Vertrag mit dem Sächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) sei neu verhandelt und aktualisiert aber vonseiten des Freistaates noch nicht unterzeichnet worden. Deshalb stocke das Verfahren.
Auf Vertrag fehlt Unterschrift vonseiten des Freistaates
„Für uns ist das kein Problem. Solange der neue Vertrag nicht da ist, gilt der alte“, sagt NRE-Geschäftsführer Eckart Sauter auf Nachfrage unserer Zeitung.
Der Vertrag, der im August 2022 unterzeichnet wurde, beinhaltet eine Förderung in Höhe von 3,5 Millionen Euro für die Finanzierung der Planungsleistungen zur Reaktivierung der Strecke Döbeln-Meißen im Personennahverkehr sowie die Kofinanzierung vorgezogener Erhaltungsinvestitionen.
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Der entsprechende Antrag sei 2019 gestellt worden. „Damals war noch nicht absehbar, wie sich die wirtschaftliche Lage und Inflation entwickeln“, so Sauter.
Ein zweiter Zuwendungsvertrag sei erforderlich geworden, da das Eisenbahnbundesamt (EBA) Änderungen hinsichtlich der Finanzierungszusammensetzung und des Finanzierungsumfangs eingefordert habe, heißt es aus dem sächsischen Verkehrsministerium.
Nunmehr seien alle Forderungen des EBA eingearbeitet und mit einer zeitnahen Unterzeichnung zu rechnen.
Sanierung auf Abschnitt Döbeln-Nossen verschoben
Auf der Strecke zwischen Döbeln und Meißen gebe es drei Problembereiche, auf denen Schienen und Bahnschwellen getauscht oder saniert werden müssten. Am positivsten sehe es noch im Abschnitt zwischen Döbeln und Nossen aus, meint Sauter.
„Bonn hat die Sanierung zwar bewilligt, aber weder das SMWA noch wir können sie ausfinanzieren“, erklärt der Geschäftsführer.
Deshalb würden nun – mit dem Einverständnis des Ministeriums – die Arbeiten auf dem genannten Abschnitt ins Jahr 2025 verschoben und vorerst nur die beiden anderen Abschnitte zwischen Nossen und Meißen saniert.
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„Für den ersten Bereich soll im Oktober die Ausschreibung erfolgen. Gebaut wird im kommenden Jahr“, sagt Sauter.
Insgesamt kann sich das Vorhaben noch lange hinziehen. Marika Tändler-Walenta spricht von neun Bauphasen, von denen gerade einmal die erste abgeschlossen sei. Es handle sich um Ingenieurleistungsphasen, konkretisiert Sauter.
Das seien verschiedene Planungs- und Ausführungsabschnitte. „Die Vorplanung ist durch“, so der Geschäftsführer. Derzeit laufe Phase zwei, bei der es unter anderem um die Signalanlagen gehe.
Dritte Variante für Stellwerkstechnik
Die Technik ist ohnehin ein entscheidendes Thema. Vor einem Jahr gab es noch zwei mögliche Varianten. Bei der ersten müsste die veraltete Technik an den Bahnübergängen per Hand bedient werden, wofür insgesamt etwa 34 Personen nötig wären.
Die zweite setzt hohe Investitionen voraus. Mit denen könnten die Bahnhöfe Miltitz-Roitzsch, eventuell Deutschenbora, Nossen und Roßwein mit elektronischer Stellwerkstechnik ausgerüstet werden.
Außerdem könnte es eine regionale Bedienzentrale im Empfangsgebäude des Bahnhofes Nossen geben. „Inzwischen wird eine Mischvariante geprüft“, sagt Sauter. Die beinhalte Computerstellwerke in Roßwein, Miltitz und eventuell Deutschenbora. „Und in Nossen bleibt alles, wie es ist.“
Schwierig sei, dass die Strecke über die Gebiete des Verkehrsverbundes Mittelsachsen (VMS) und des Verkehrsverbundes Oberelbe (VVO) führt. VMS-Pressesprecher Falk Ester äußert sich grundsätzlich positiv zur Streckenreaktivierung, aber „Voraussetzung ist, dass der Bus weiter fährt“, sagt er.
Auch eine Bestellung der Strecke sei möglich. Zuvor sei aber eine Bedarfsanalyse nötig. Denn die Verkehrsleistung – das ist das Produkt aus der zurückgelegten Strecke und den beförderten Personen – werde mit 10 Millionen Euro pro Jahr prognostiziert. Der VVO hat sich bisher eher ablehnend zu dem Projekt geäußert.
Trotz aller Widrigkeiten soll der Kampf um die Reaktivierung der Bahnstrecke Döbeln-Meißen-Dresden weitergehen. Denn eine Bahnanbindung mache zum Beispiel auch Roßwein als Wohnstadt für Menschen aus den Ballungsgebieten attraktiv, meint Maik Herbrig, Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes Roßwein.
Er selbst pendle regelmäßig nach Dresden und Leipzig. „Es ist wichtig, dass die Menschen sicher von A nach B kommen. Die Instandsetzung der Strecke wäre ein Segen“, sagt er.
Aber während im vergangenen Jahr noch von einer Reaktivierung der Strecke nicht vor 2025 die Rede war, glaubt die Mehrzahl der Gäste der Podiumsdiskussion nun, dass frühestens nach 2030 wieder ein Personenzug auf der Strecke fahren könnte.
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