Leben und Stil
Merken

So gelingt der Umstieg aufs Rad

Nicht nur angesichts gestiegener Spritpreise lohnt es sich, mit dem Rad oder E-Bike zur Arbeit zu fahren. Sechs Ratschläge, die Einsteigern helfen können.

 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Schwere Tasche mit Laptop über der Schulter? Es gibt sicherere Lösungen für den Transport auf dem Rad.
Schwere Tasche mit Laptop über der Schulter? Es gibt sicherere Lösungen für den Transport auf dem Rad. © dpa/Christin Klose

Viele tun es seit Jahren, andere liebäugeln erst angesichts der hohen Kraftstoffpreise damit: mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Doch wie gelingt der Umstieg, wenn man bislang im Alltag kaum so unterwegs war und keine trainierten Waden und Oberschenkel hat? Das „Ganz oder gar nicht“-Denken darf man gerne abstreifen. Es müsse nicht sofort der komplette Umstieg aufs Fahrrad sein, sagt Tim Böhme, Referent für Trainerausbildung beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR). Schon wer zwei- oder dreimal in der Woche zur Arbeit radelt, spart Sprit und tut seiner Gesundheit etwas Gutes.

1. Der Trainingszustand: Trau dich!

Schaffe ich als untrainierter Mensch einen Arbeitsweg von zehn Kilometern überhaupt auf dem Fahrrad? Diesen Zweifel kann Ingo Froböse, Fachbuchautor und Professor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln, ausräumen. „Jeder, der eine halbe Stunde gehen kann, kann auch eine halbe Stunde Rad fahren“, sagt er. So lange dauert es ungefähr, bis man zehn Kilometer auf dem Rad geschafft hat.

Für den Anfang plant man besser eine Dreiviertelstunde ein, so der Sportwissenschaftler. Wichtig ist allerdings eine nicht zu optimistische Zeitplanung. Um pünktlich am Arbeitsplatz aufzukreuzen, sollte man die sogenannte „Rüst-Zeit“ nicht vergessen, rät BDR-Referent Böhme. Denn während nach der Autofahrt die Parkplatzsuche wartet, endet eine Radfahrt damit, das Gefährt anzuketten, sich frisch zu machen oder gar zu duschen. Damit kein Stress aufkommt, ist auch dafür Zeit einzukalkulieren.

2. Die Strecke: Lieber komfortabel

Eine Radtour beginnt mit einer guten Planung, der Arbeitsweg auf zwei Rädern ebenso. „Kann ich mit meinem Rad komfortabel den Arbeitsweg meistern? Diese Frage sollte man sich vorab stellen“, sagt Tim Böhme. Dabei geht es auch um die jeweiligen Eigenheiten der Strecke. Am Morgen und am Nachmittag wird es nämlich auch auf vielen Radwegen voll. Böhme rät deshalb, eine Strecke zu wählen, die mit breiten Radwegen ausgestattet ist. „Auch Einbahnstraßen sind gut geeignet.“ Der kürzeste Weg zum Ziel muss nicht unbedingt der beste sein. Wartet auf halber Strecke ein steiler Berg, gibt es vielleicht auch eine angenehmere Route – auch wenn diese etwas länger ist.

3. Das Fahrrad: Gut angepasst

Um Schmerzen beim Radfahren zu vermeiden, sollte das Fahrrad an den eigenen Körper angepasst werden. Da ist zum Beispiel der Lenker. „Die Griffe sollten ergonomisch sein, damit der Druck, der auf Handgelenken, Armen und Schultern lastet, gut abgefangen werden kann“, sagt Ingo Froböse. Auch die Maße des Lenkers sind wichtig. Ist er zu breit, muss man mehr Kraft als nötig aufwenden. Ist er hingegen zu schmal, hat man das Rad nicht gut unter Kontrolle. Stand das Rad eine Weile unbenutzt im Keller, sollte man es am besten erstmal zur Inspektion bringen, rät Froböse. Denn viele Materialien werden mit der Zeit porös – auch das Gummi der Reifen. Das kann unterwegs gefährlich werden, ebenso wie defektes Licht oder abgenutzte Bremsbeläge. Aber auch das Material des Sattels ermüdet mit der Zeit, sodass dieser dann vielleicht nicht mehr zum eigenen Hintern passt.

4. Der Fahrstil: Ausdauer vor Kraft

Ruhig einsteigen“, empfiehlt Sportwissenschaftler Ingo Froböse. „Wenn man nicht außer Atem gerät, macht man es richtig.“ Die Empfehlung: Das Radfahren als Ausdauereinheit verstehen, nicht als Kraftbolzerei. Denn: Wenn viel Muskelkraft zum Einsatz kommt, bedeutet das viel Druck auf die Gelenke. Und die müssen sich an die neue Belastung erst einmal gewöhnen. Was bedeutet das konkret? Lieber einen Gang herunterschalten – wortwörtlich. Optimal ist laut Ingo Froböse eine Tretfrequenz von 60 bis 80 Umdrehungen pro Minute. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, hilft simples Mitzählen.

5. Das Outfit: Nicht zu warm

Nicht jeder hat Lust, sich allein für den Arbeitsweg in eine Radhose zu zwängen und das Funktionsshirt überzustreifen. Es lohnt aber, sich vorab Gedanken über die passende Kleidung zu machen: „In Stretchklamotten ist man viel beweglicher“, sagt Tim Böhme vom BDR. Deutlich nerviger sind steife Jacken, die sich beim Radeln im Rücken hochziehen. „Viele machen den Fehler, sich zu warm anzuziehen“, ergänzt Ingo Froböse.

Denn: Beim Radfahren wärmt sich der Körper auf – weshalb man sich oft eine Schicht Kleidung sparen kann. „Wenn man die ersten fünf Minuten auf dem Rad leicht fröstelt, ist das überhaupt nicht schlimm.“ Windjacken schützen vor Auskühlung durch Fahrtwind. „Die sind leicht und passen in jede Tasche“, sagt Froböse. Außerdem lassen sie sich unterwegs gut überziehen oder abstreifen. Zu guter Letzt will auch das Schuhwerk gut gewählt sein: Einige Pedale haben Zacken, die sich schmerzhaft in weiche Schuhsohlen bohren können. Im Zweifel packt man ein zweites Paar Schuhe für den Arbeitsplatz in die Tasche. Zudem kann ein T-Shirt zum Wechseln Gold wert sein, sollte man doch etwas verschwitzter ankommen.

6. Die Motivation: Mehr als Sparen

Auch wenn die Benzinpreise den Umstieg aufs Fahrrad derzeit erleichtern: Womöglich verkrümelt sich die Motivation nach einer Weile wieder. Fahrradfachmann Tim Böhme rät dann, sich die Vorteile des Fahrradfahrens ganz konkret vor Augen zu führen. Will man zum Beispiel ein paar Kilogramm verlieren, kann der Kalorienverbrauch ein Anreiz sein. Auf einer halbstündigen Tour lassen sich durchaus 400 Kalorien verbrennen. Ganz abgesehen davon tut Radfahren dem Körper auf vielen Ebenen gut, sagt Ingo Froböse.

Nicht nur Durchblutung, Immunsystem und geistige Leistungsfähigkeit verbesserten sich. Auch die Ausdauer werde besser. „Nach vier Wochen kann man schon mit positiven Effekten rechnen – etwa, wenn man merkt, dass man beim Treppensteigen auf der Arbeit nicht mehr so schnaufen muss.“ Wer merkt, dass das Wohlbefinden durch die Umstellung aufs Rad steigt, bleibt eher dran. Vielleicht auch dann, wenn die Benzinpreise wieder sinken. (dpa)