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Klimafreundlich, aber illegal: Warum dieser Dresdner trotzdem elektrisches Einrad fährt

Siegbert Fröbel aus Dresden fährt ein futuristisches Vehikel: ein Monowheel. Anders als E-Scooter ist es aber im Straßenverkehr verboten. Bleibt das so?

Von Andreas Rentsch
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Siegbert Fröbel auf seinem elektrischen Einrad: Eine Lenk- oder Haltestange hat das selbstbalancierende Monowheel nicht. Um zu bremsen, muss sich der 52-Jährige – wie hier zu sehen – leicht nach hinten lehnen. Für das Gefährt hat er 990 Euro bezahlt.
Siegbert Fröbel auf seinem elektrischen Einrad: Eine Lenk- oder Haltestange hat das selbstbalancierende Monowheel nicht. Um zu bremsen, muss sich der 52-Jährige – wie hier zu sehen – leicht nach hinten lehnen. Für das Gefährt hat er 990 Euro bezahlt. © Foto: Thomas Kretschel

Für die letzte Meile, also die Strecke von der Straßenbahnhaltestelle nach Hause oder ins Büro, würde Siegbert Fröbel aus Dresden ein Rad genügen. Ein Einrad, um genau zu sein. Beim Aussteigen aus der Linie 7 hält er es in der Hand wie eine Einkaufstasche. Zuerst klappt der 52-Jährige zwei Trittstufen aus, dann drückt er einen chromglänzenden Knopf am Gehäuse.

Sofort kommt Leben in das Ding. Es zappelt, als würde es sich gegen das Gehaltenwerden wehren. „Das ist die Eigenstabilisierung“, erklärt Fröbel, setzt das linke Bein auf den Tritt, behält den jetzt in Kniehöhe befindlichen Griff noch kurz in der Hand, drückt die Fußspitze leicht vor und zieht blitzschnell das andere Bein nach. Sirrend setzt sich das Vehikel in Bewegung. Freihändig gleitet Fröbel davon, als stünde er auf einem fliegenden Teppich.

Ideales Gefährt für die letzte Meile: Das Monowheel ist nicht viel größer als eine Tasche - und hat auch einen Tragegriff.
Ideales Gefährt für die letzte Meile: Das Monowheel ist nicht viel größer als eine Tasche - und hat auch einen Tragegriff. © Thomas Kretschel

Elektrische Einräder, auch Mono- oder Airwheels genannt, sind zuerst in den USA populär geworden, haben aber inzwischen auch in Europa und Deutschland ihre Fans gefunden. Siegbert Fröbel fährt seit acht Jahren. Lenken, Bremsen und Beschleunigen bewerkstelligt er allein durch Verlagerung des Oberkörpers. Ein eingebautes Gyroskop, auch Kreiselstabilisator genannt, verhindert das Kippen. Auf ebener Bahn wird er dabei bis zu 30 km/h schnell.

Es sei wohl die Faszination am Einradfahren gewesen, die ihn zu diesem Hobby gebracht habe, meint Fröbel, der als Ingenieur in einer Chipfabrik arbeitet. „Mit einem normalen Einrad bin ich aber nicht klargekommen. Auf- und Absteigen gingen gar nicht, Kurvenfahren auch nicht.“ Aus Neugier googelte er schließlich den Begriff „elektrisches Einrad“ – und wurde fündig. 2015 lieferte ihm ein Händler aus Norddeutschland den gewünschten China-Import mit 840-Watt-Getriebemotor.

Zu den Elektrokleinstfahrzeugen gehören nicht nur Segways oder E-Scooter. Alle anderen Vehikel können jedoch nicht legal im Straßenverkehr benutzt werden.
Zu den Elektrokleinstfahrzeugen gehören nicht nur Segways oder E-Scooter. Alle anderen Vehikel können jedoch nicht legal im Straßenverkehr benutzt werden. © SZ

Es gab da nur ein Problem: Anders als E-Scooter oder Segways dürfen Akku-Einräder nicht im öffentlichen Verkehr bewegt werden. Gleiches gilt für Hoverboards oder E-Skateboards. „Geräte ohne Lenkstange gelten als illegal, da sie nicht durch die entsprechende Verordnung vom 15. Juni 2019 erfasst und reguliert wurden“, erklärt Lars Zemke vom Bundesverband Electric Empire, einem Lobbyverein für Elektrokleinstfahrzeuge. Wer diese Rechtslage ignoriert und auf der Straße erwischt wird, riskiere einen „bunten Strauß“ diverser Sanktionen. Mögliche Tatbestände lauten „Fahren ohne Versicherung“, „Fahren ohne Allgemeine Betriebserlaubnis“ sowie „Fahren ohne Fahrerlaubnis“. Zemke kennt Fälle, in denen Strafzahlungen von bis zu 3.000 Euro fällig wurden.

Denn die meisten Polizisten wissen inzwischen, wie sie die Elektrovehikel beurteilen müssen. „2015 konnte ich noch ganz entspannt an einer Streife vorbeifahren. Die Beamten haben nur interessiert hinterhergeschaut, oder sie haben überhaupt nicht Notiz von mir genommen“, erzählt ein E-Skateboard-Fahrer aus Sachsen, der anonym bleiben möchte. „Dieser Zeit trauere ich ein bisschen nach.“

Ubersichtliches Bedienpanel: Knopf zum Ein- und Ausschalten, LED-Ladestandsanzeige und Anschluss fürs Stromkabel.
Ubersichtliches Bedienpanel: Knopf zum Ein- und Ausschalten, LED-Ladestandsanzeige und Anschluss fürs Stromkabel. © Thomas Kretschel

Auch Siegbert Fröbel ist in den Anfangsjahren Dutzende Male unbehelligt zur Arbeit gefahren. „Dann ging 2017 eine Rundmail an alle 3.000 Mitarbeiter im Werk, in der stand, dass das Fahren elektrischer Einräder auf dem Werksgelände untersagt sei.“ Bei einem Kaffee habe er den Verantwortlichen zu überzeugen versucht, das Verbot zurückzunehmen. „Es ist ja ein Privatgelände, also abgegrenzter, nicht öffentlicher Verkehr.“

Doch sein Gegenüber blieb hart. „Er meinte, man wolle keinen Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten Vorschub leisten.“ Seitdem fährt Fröbel wieder mit dem Auto zur Arbeit. Aufs Einrad steigt der gebürtige Freiberger nur noch heimlich, bei gutem Wetter und in Begleitung von Bekannten, die auch solche Teile fahren. Die Rollrunde führt durch den Wald. „Manchmal sind wir da zu fünft unterwegs gewesen“, sagt er.

Welche Gefahr von selbstbalancierenden Elektrokleinstfahrzeugen ausgeht, darüber wird seit Jahren diskutiert. Der Berliner Unfallforscher Siegfried Brockmann kritisiert vor allem die Instabilität, zu hohes Tempo oder das träge Brems- und Lenkverhalten. Interessenvertreter der Szene verweisen dagegen auf die Tatsache, dass noch gar keine validen Daten zu dieser Fahrzeugkategorie vorhanden sind. Die Bundesanstalt für Straßenwesen habe zwar Ende September eine neue Studie zu Elektrokleinstfahrzeugen vorgelegt, sei dabei aber – anders als bei der vorangegangenen Untersuchung aus dem Jahr 2017 – nur auf E-Scooter und nicht selbstbalancierende Vehikel eingegangen, sagt Lars Zemke.

Doch die Warnungen der Bedenkenträger scheinen nicht gänzlich aus der Luft gegriffen zu sein. In den USA hat die Firma Future Motion kürzlich alle Ein-Rad-Skateboards ihrer Marke Onewheel zurückgerufen. Damit reagiert der Hersteller auf den Druck der Verbraucherschutzorganisation Consumer Product Safety Commission, kurz CPSC. Die hatte bereits Ende vergangenen Jahres erklärt, bei einer Fehlfunktion der Boards drohten folgenschwere Stürze. Aus den Jahren 2019 bis 2021 sind laut CSPC mindestens vier Todesfälle und zahlreiche ernsthafte Verletzungen von Onewheel-Fahrern aktenkundig. Nun soll ein Software-Update mit neuer Warnfunktion das Problem lösen.

Er selbst sei in all den Jahren nur zweimal schmerzhaft gestürzt, sagt Siegbert Fröbel. „Einmal war es eigene Dummheit: Ich hatte den Akku zu leer gefahren. Beim zweiten Mal bin ich an einer Bordsteinkante hängengeblieben. Da haben mich meine Knie- und Ellenbogenschoner gerettet.“

Um doch eines Tages guten Gewissens mit seinem elektrischen Einrad fahren zu können, kontaktiert er Politiker und bittet sie um Unterstützung oder Stellungnahmen. Rückmeldungen hat er keine bekommen – weder von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) noch von Mitgliedern anderer Parteien. Lars Zemke wundert das nicht. Im liberal geführten Ministerium habe man die Legalisierungsforderung aus der Oppositionszeit vergessen, klagt der 53-Jährige. „Die Verantwortlichen haben momentan auf taub geschaltet.“

Selbst mit holprigem Untergrund kommen Monowheel-Fahrer klar. Einer gewissen Übung bedarf es dafür aber schon.
Selbst mit holprigem Untergrund kommen Monowheel-Fahrer klar. Einer gewissen Übung bedarf es dafür aber schon. ©  Thomas Kretschel

Auf Nachfrage von Sächsische.de äußern sich einige Mandatsträger dann doch. Swantje Michaelsen, Verkehrspolitikerin der Grünen im Bundestag, sagt, bei Fahrzeugen ohne Lenkstange bestünden „hinsichtlich der Verkehrssicherheit nach wie vor Bedenken“, etwa zur Wirksamkeit der Bremsen. Seien diese ausgeräumt, gelte für die Grünen folgende Linie: „Wir befürworten und unterstützen mit unserer Politik, dass Menschen auf diverse Arten aktiv unterwegs sind – sei es zu Fuß, auf Fahrrädern oder Elektrokleinstfahrzeugen.“

Eindeutiger klingt die Position der Christdemokraten, zumindest jene des Bundestagsabgeordneten Lars Rohwer, in dessen Wahlkreis Fröbel wohnt. Er sei gegen die Legalisierung von Elektrokleinstfahrzeugen ohne Lenkstange, sagt der CDU-Mann.

Aus Sicht mancher Verkehrswissenschaftler oder Stadtentwickler wären Monowheels durchaus eine interessante Mobilitätsoption. Das gilt vor allem in Großstädten. Immerhin unterbieten elektrische Einräder beim Flächenverbrauch sogar Fahrräder und E-Scooter. Für die letzte Meile wären die minimalistischen Gefährte also ideal. Dazu komme der nahezu unschlagbar niedrigere Unterhalt, gibt Fröbel zu bedenken. „Für die insgesamt 18 Kilometer von Weixdorf ins Werk und wieder zurück würden bei mir pro Arbeitstag gerade mal neun Cent für Strom anfallen.“

Zu hoch möchte er das Thema Umweltfreundlichkeit aber nicht hängen. „Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich es nur wegen der Umwelt mache. Es ist auch der Fahrspaß, der mich reizt.“