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Warum der Wöhrl-Chef weiter an Dresden glaubt

Im Lockdown 2020 musste Wöhrl-Chef Christian Greiner die frisch eröffnete Filiale in Dresden schließen. Warum er trotzdem große Hoffnung in den Standort setzt.

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Wöhrl-Chef Christian Greiner (43) bei seinem letzten Besuch in Dresden Anfang 2020.
Wöhrl-Chef Christian Greiner (43) bei seinem letzten Besuch in Dresden Anfang 2020. © (c) Christian Juppe

Herr Greiner, wann waren Sie das letzte Mal in der Dresdner Filiale?

Das letzte Mal war ich tatsächlich zur Eröffnung im Februar 2020 da.

Also kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Wie ist Ihr Unternehmen bislang durch die Krise gekommen?

Unser Kerngeschäft ist der stationäre Handel. Da war die entscheidende Frage, wie man aus dem Lockdown herauskommt. Unsere Kunden sind umgehend zurückgekommen. Die Menschen haben wirklich das Bedürfnis nach Kontakt und persönlichem Austausch und wollen nicht alles nur in der digitalen Welt machen. Sie suchen die kompetente Beratung. Das haben wir nach allen Lockdown-Phasen erlebt. Wir hatten jetzt einen richtig starken Oktober. Das hat sich wirklich gut angefühlt.

Das Weihnachtsgeschäft in Sachsen ist stark eingeschränkt. Wird der Dresdner Standort die Pandemie überleben?

Ich bin mir sicher, dass der Standort die Pandemie überlebt. Da muss ich gar nicht optimistisch sein. Der stationäre Einzelhandel steht ja nicht erst durch Corona unter Druck. Dass wir im März vergangenen Jahres gleich einige Tage nach der Neueröffnung wieder zusperren mussten, ist natürlich ein Extrembeispiel. Wenn wir aber gesagt hätten, Dresden ist für uns nicht relevant als Stadt der Zukunft, dann wäre die Schließung des alten Standorts der Exit gewesen.

Vor Corona setzten Sie auf Shopping mit Stilberatung für anlassbezogene Mode. Jetzt gibt es kaum noch Bälle, Hochzeiten etc. Wie haben Sie Ihre Strategie geändert?

Es wäre ein Riesenfehler zu glauben, dass diese Pandemie dauerhaft unsere Modeanlässe verändert, zu denen wir uns besonders anziehen. Ich glaube, dass viele Menschen gemerkt haben, was ihnen fehlt, wenn sie den ganzen Tag nur auf der Couch sitzen. Auch die Geschäftsreisen haben schneller wieder angezogen als gedacht. Natürlich passt sich Mode immer den Gegebenheiten an. Gerade ist bequeme Mode gefragt, weil die Menschen viel zu Hause sind. Doch die Prognosen der Marken lassen nach dem Ende der Pandemie eine extrovertierte Explosion in der Mode erwarten. Dann wird es wieder körperbetonte Kollektionen geben, und die hohen Schuhe werden zurückkehren. Der Drang, wieder auszugehen, zu feiern, ist zweifellos da. Das Pendel wird in die andere Richtung ausschlagen, da bin ich mir sicher.

Sind Sie von Lieferengpässen betroffen?

Ja, aber es ist sehr abhängig vom einzelnen Lieferanten. Wir stehen momentan gut da und merken, dass die geringere Auswahl gar nicht das Kaufverhalten beeinträchtigt. Mode ist nur bedingt ein Zielkauf. Kunden gehen nicht in einen Laden und sagen sich, wenn ich nicht genau diesen dunkelblauen Rollkragenpulli bekomme, gehe ich wieder. Sondern sie kaufen dann vielleicht einen dunkelgrünen. Das ist der Vorteil von Mode. Zudem haben wir die Möglichkeit, unter 500 Lieferanten zu wählen. So lassen sich Engpässe ganz gut abpuffern. Die Frage ist nur, wie lange sie dauern werden. Die Ware ist lieferbar, wird aber spürbar teurer.

Werden die Kunden das akzeptieren?

Unser Vorteil ist, dass wir im hochwertigen Bereich unterwegs sind. Für ein Premiumprodukt ein paar Euro mehr zu bezahlen, wenn die Qualität stimmt, ist für den Kunden verständlicher, als wenn bei günstigen Produkten die Preise steigen. Wünschenswert wäre, wenn für die Endverbraucher die Wertigkeit von Textilien wieder einen höheren Stellenwert bekommen würde. Für viele haben Textilien ein schnelles Verfallsdatum. Wir versuchen schon sehr, auf das Thema Nachhaltigkeit zu setzen und unsere Lieferanten mit in die Verantwortung zu nehmen. Das kostet dann aber auch seinen Preis.

Christian Greiner in der Wöhrl-Filiale in der Prager Straße in Dresden. Der Sohn von Brigitte Greiner und Hans Rudolf Wöhrl, ist seit 2017 Aufsichtsratsvorsitzender und Eigentümer der Ruldolf Wöhrl SE. Er ist sich sicher, dass der Standort die Pandemie üb
Christian Greiner in der Wöhrl-Filiale in der Prager Straße in Dresden. Der Sohn von Brigitte Greiner und Hans Rudolf Wöhrl, ist seit 2017 Aufsichtsratsvorsitzender und Eigentümer der Ruldolf Wöhrl SE. Er ist sich sicher, dass der Standort die Pandemie üb © (c) Christian Juppe

Mit welchen Preissteigerungen müssen die Konsumenten rechnen?

Das wissen wir selbst noch nicht. Aber die Lieferanten wissen schon, wo die Schmerzgrenze für ein Produkt ist. Standardhosen, die bisher 59 oder 69 Euro gekostet haben, kann man nicht plötzlich für 99 Euro verkaufen. Aber wenn sie jetzt 75 Euro oder 79 Euro kosten, ist das zwar auch eine deutliche Steigerung, aber für den Kunden vielleicht noch vertretbar. Jeder Lieferant wird sich genau überlegen, wie was der Markt verträgt. Bei wichtigen Chemikalien oder für seltene Erden zahlen die verarbeitenden Firmen wahrscheinlich jeden Preis. Im Textilbereich ist das nur bedingt der Fall, außer ich habe eine Marke, die so eine große Strahlkraft hat, dass es den Kunden fast egal ist, was sie kostet.

Viele Dresdner Einzelhändler befürchten eine Verödung der City. Sie auch?

Das ist für mich eine ganz große Aufgabe von Stadtverwaltungen. Diese müssen schauen, welchen Mix an Themen sie in der Innenstadt haben. Wie weitläufig oder wie zentriert ist eine City, wie sauber und sicher, was gibt es für Veranstaltungen? Damit meine ich nicht Demos, sondern Veranstaltungen, die Leute anziehen und nicht abschrecken. Und dann natürlich: Wie verkauft sich eine Stadt als Marke nach außen. Da geben sich kleinere Städte oft mehr Mühe mit Märkten, Messen, Begrünung oder auch damit, wie schnell es ermöglicht wird, neue Ideen umzusetzen. Ein Beispiel: Wir würden gern unsere Standorte mit Gastronomiekonzepten aufwerten. Das scheitert oft leider an der Bürokratie und Verwaltungsmitarbeitern, denen das egal ist, weil es sie nicht persönlich tangiert. Dann zeigt sich, ob die Stadtverwaltung kapiert hat, was ihre Aufgabe ist, um die Leute wieder in die Stadt zu holen.

Wie nehmen Sie Dresden wahr, sich als Marke nach außen zu verkaufen?

Ich kenne Dresden schon lange, finde die Stadt wunderschön. Einer meiner ersten Jobs war es, bei der Eröffnung des ersten Wöhrl-Hauses nach der Wende beim Einräumen zu helfen. In den letzten Jahren wurde das Image Dresdens aber oft von politisch negativ belasteten Themen geprägt, was der Stadt so gar nicht gerecht wird. Das finde ich schade. Ich kann nicht beurteilen, inwiefern die Stadt versucht, auch die guten und spannenden Dinge nach außen zu tragen. In Nürnberg und München, wo ich viel unterwegs bin, kommt davon offenbar wenig an. Das erkenne ich an den Reaktionen, wenn ich von Dresden schwärme.

Es gibt eine neue Bundesregierung. Was muss sie leisten, um Ihnen zu helfen, diese Pandemie zu überstehen?

Sie sollte alles tun, den Konsum wieder anzuschieben und die Leute zu motivieren, ihr Leben zu leben und Geld auszugeben. Die Politik sollte versuchen, die Berufe, die durch die Pandemie gelitten haben, wieder aufzuladen. In Zeiten der Engpässe fehlt es nicht an Anwälten, die noch jemanden verklagen müssen, sondern an Handwerkern, die einen Boden verlegen können. Zu sagen, dass diese hemdsärmeligen handwerklichen Berufe einen Wert haben für unsere Gesellschaft, ist eine wichtige Botschaft. Aber auch die Berufe im Einzelhandel brauchen Anerkennung und gesellschaftliche Aufwertung. Das ist eine Aufgabe, die der Politik gut stehen würde, um diese Berufsfelder wieder attraktiv zu machen.

Worauf freuen Sie sich, wenn Sie das nächste Mal in Dresden sind?

Auf hoffentlich offene Türen, und dass ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch mal ohne Maske anlächeln kann.