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Ost-Länder wollen Kürzung der Wirtschaftsförderung verhindern

Der Bund will die Mittel für die Wirtschaftsförderung ab 2024 deutlich reduzieren. Die ostdeutschen Ministerpräsidenten wollen das bei ihrem Treffen mit dem Kanzler am Donnerstag in Chemnitz verhindern. Auch Sachsens Regierungschef kritisiert die Pläne.

Von Nora Miethke & Sven Heitkamp
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Die  Naturcamping Brettmühlenteich eG in Thiendorf/Ortsteil Zschorna investierte mit Hilfe von GRW-Förderung in die Errichtung eines Campingplatzes mit Ferienhäusern und Caravan-Stellplätzen am See  Foto: Kristin Richter
Die Naturcamping Brettmühlenteich eG in Thiendorf/Ortsteil Zschorna investierte mit Hilfe von GRW-Förderung in die Errichtung eines Campingplatzes mit Ferienhäusern und Caravan-Stellplätzen am See Foto: Kristin Richter © Kristin Richter

Die ostdeutschen Bundesländer wollen die geplante Kürzung der Bundesmittel für die regionale Wirtschaftsförderung nicht hinnehmen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kündigte scharfen Widerstand beim Treffen der Ost-Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in Chemnitz an. Die Gelder für Wirtschaftsansiedlungen und den Bau der Infrastruktur, aber auch für Bildung und Forschung sowie die Agrar- und Küstenregionen dürften nicht gekürzt werden. „Die Fördermittel sind existenziell, um auch den Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität zu erreichen. Wenn man das wegnimmt, ist eine wesentliche Voraussetzung zum Gelingen der Transformation genommen. Das muss auch der Kanzler verstehen“, sagte Kretschmer am Dienstag nach der Kabinettsitzung in Markleeberg.

Darin seien sich auch alle Regierungschefs der ostdeutschen Länder einig. Sie wollen sich mit einer gemeinsamen Beschlussvorlage gegen die Streichungspläne stellen. Bei ähnlichen Kürzungen vor 20 Jahren habe die Bundesregierung das Land „in eine Rezession geschickt“, so Kretschmer.

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Nach Medienberichten will das Bundesfinanzministerium im kommendem Jahr die Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) um 300 Millionen Euro reduzieren. Faktisch würde diese Streichung eine Kürzung um 600 Millionen Euro bedeuten, weil die Bundesmittel jeweils zu 100 Prozent kofinanziert werden. Dies entspräche fast einer Halbierung des bisherigen GRW-Fördervolumens.

Sachsens Regionalentwicklungsminister Thomas Schmidt (CDU) sagte, die Absichten der Bundesregierung seien „ein Weg, der fassungslos macht“. Das werde er auch bei einer Rede am Mittwoch im Bundestag so zum Ausdruck bringen. Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) betonte, die so genannten Gemeinschaftsaufgaben seien sehr wichtige Förderinstrumente, die in Umwelt und Landwirtschaft im Osten überproportional stark benötigt würden. Kürzungen lehnten die Grünen auch als Koalitionspartner in Sachsen deutlich ab. „Das sagen wir dem Bund auch.“ Auch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig forderte im Vorfeld, dass "von der Ministerpräsidentenkonferenz Ost aus ein klares Signal an die Bundesregierung geht , dass diese Kürzungspläne zurückgenommen werden."

Mit der GRW stehe ein wichtiges Instrumentarium für die regionale Strukturentwicklung zur Verfügung, auch um gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. Statt zu kürzen, bedürfe es sogar "zusätzlicher GRW-Haushaltsmittel, um den anstehenden Transformationsprozess zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft voranzutreiben", heißt es im brandenburgischen Wirtschafts- und Energieministerium.

Auch Dulig hält es " für falsch und dumm", gerade in Zeiten die Unterstützung für Unternehmensinvestitionen zu entziehen, in denen von den Betrieben erwartet werde, dass sie in Digitalisierung, Dekarbonisierung und Fachkräftegewinnung investieren. Er verstehe, dass der Bund nach drei Jahren großer Förderprogramme zur Bewältigung der Folgen von Corona und Ukraine-Krieg in eine Haushaltssituation kommt, wo er sparen muss. "Die Frage ist, ob an der richtigen Stelle gespart wird", so der SPD-Politiker.

Aufholprozess in Ostdeutschland würde erschwert werden

Dem pflichtet Joachim Ragnitz, Vize-Chef der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung zu. Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ sei das wichtigste Instrument der regionalen Wirtschaftsförderung für strukturschwache Regionen in ganz Deutschland. Sie komme vor allem Ostdeutschland zugute, weil es hier so viele eher wirtschaftsschwache Regionen gibt. "Deswegen würde eine pauschale Kürzung der Gelder es enorm erschweren, weitere Investitionsprojekte in den ostdeutschen Ländern zu realisieren – was aber gerade der Osten dringend braucht", betont der Wirtschaftsforscher auf Nachfrage von Sächsische.de.

Man könne viel an der Ausgestaltung der Förderung kritisieren. So sei die jüngst erfolgte Verknüpfung der Regionalförderung mit Klimaschutzmaßnahmen "nicht unbedingt sachgerecht". "Aber eine Halbierung der Fördermittel würde den Aufholprozess in Ostdeutschland deutlich erschweren und ist deshalb abzulehnen", betont Ragnitz. Was der Bund hier einspare, würde er im Zweifel hinterher wieder draufzahlen, weil dann auch die Steuereinnahmen im Osten niedrig bleiben. "Wenn das Finanzministerium Mittel einsparen will, gibt es dafür deutlich geeignetere Ansatzpunkte", glaubt der Ökonom.

In diesem Jahr stehen Sachsen insgesamt rund 185 Millionen Euro für Neubewilligungen zur Verfügung, die je zur Hälfte von Bund und Land finanziert werden. Aktuell liegen aber bereits schon Förderanträge und Voranfragen für Unternehmens- und Infrastrukturprojekte im Gesamtumfang von 350 Millionen Euro vor. Sachsen ist also schon jetzt ohne Mittelreduktion überzeichnet.

Nach der bisherigen Planung sind für kommendes Jahr im Bundeshaushalt 2024 bislang rund 610 Millionen Euro für die GRW-Förderung vorgesehen. Auf Sachsen sollen 99,2 Millionen Euro entfallen, insgesamt rechnet der Freistaat mit einem GRW-Fördervolumen von 198,4 Millionen Euro. Bei einer quasi Halbierung der Bundesmittel stünden Sachsen 98 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Die Folge wäre, dass viele Vorhaben und Projekte von Unternehmen und von den Kommunen nicht oder zumindest nicht wie geplant realisiert werden könnten. Für Sachsen-Anhalt würde dies ein Minus von insgesamt 65 Millionen Euro bedeuten, für Thüringen von 60 Millionen Euro.

Kretschmer: Osten spricht mit einer Stimme

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht die ostdeutschen Länder in vielen politischen Fragen geeint. Deutlich werde das vor allem in der Ministerpräsidentenkonferenz-Ost, sagte der Unionspolitiker der Deutschen Presse-Agentur. Kretschmer hat momentan den Vorsitz in der Konferenz. Der Konferenz gehören die Regierungschefs von Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen an - drei von ihnen sind CDU-Mitglieder, zwei gehören der SPD an, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow ist Mitglied der Linken. Auch die Regierungskonstellationen sind höchst unterschiedlich.

"Das Gremium hat sich sehr bewährt, hier kommen die Interessen der ostdeutschen Länder auf den Tisch", sagte Kretschmer. Meist spreche man mit einer Stimme. Aktuell gehe es besonders um die weitere wirtschaftlich Entwicklung. Eine Kürzung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur dürfe es nicht geben. (mit dpa)