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Reisetipp Kroatien: Bootstour in der Kvarner Bucht

Ein ehemaliger Frachtsegler transportiert heute Touristen entlang der kroatischen Küste – vorbei an prächtigen Villen und zu stillen Bergdörfern.

Von Udo Lemke
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Die „Tornado Blue“ auf Tour. Im Hintergrund das um 1890 errichtete Hotel Miramar. Früher traf sich hier der Adel, heute lädt das Haus mit Gourmetküche, Top-Spa und einem außergewöhnlichen Kulturprogramm ein
Die „Tornado Blue“ auf Tour. Im Hintergrund das um 1890 errichtete Hotel Miramar. Früher traf sich hier der Adel, heute lädt das Haus mit Gourmetküche, Top-Spa und einem außergewöhnlichen Kulturprogramm ein © Ernst von Chaulin

Früher hieß das Schiff „Jesus und Maria“. Damals, als es 1898 auf einer Werft auf der Insel Krk vom Stapel lief und als Lastensegler seinen Dienst tat – „für den Sandtransport“, wie Liliana Stipanić erklärt. Die Reiseleiterin ist stolze Erbin des Schiffes: „Mein Vater hat das Schiff vor 40 Jahren gekauft und zum Fischerboot umgebaut.“ Seitdem trägt es den Namen „Tornado Blue“.

Die Familie betrieb einige Zeit auch ein Restaurant auf einem Campingplatz auf der Insel Cres. „Ich denke, dass sich die Gäste immer noch an uns erinnern und an den frischen Fisch, den mein Vater mit unserem Schiff gefischt hat.

Es war eine schöne Zeit: Schwimmen in der Früh in der Bucht oder nachts unter einem fantastischen Sternenhimmel mit fluoreszierendem Plankton im Wasser, die gute Luft, das viele Grün – ein Paradies.“

Mit Motor statt Segeln

Vor 15 Jahren übernahm Liliana die „Tornado Blue“ und machte sie mit ihrem Mann Roni, der auch der Kapitän ist, zu dem, was es heute ist: ein Ausflugsschiff. Bis zu zwölf Gäste können damit in der Kvarner Bucht – also dem Meer an der oberen Adria in Kroatien – unterwegs sein. Inzwischen natürlich mit Motor, statt unter Segeln. Das Paar bietet acht Touren an.

Zum Beispiel zum etwa 20 Kilometer von Opatija entfernten Rijeka, der nach Zagreb und Split drittgrößten Stadt Kroatiens. Bekannt für den Hafen und die Öl- und Gasterminals.

Manche sagen auch wegen der Sänger: Wer am Opernhaus in Rijeka durchfällt, könne ruhig an die Mailänder Scala gehen. Außerdem hat Rijeka, das 2020 europäische Kulturhauptstadt war, eine schöne Altstadt mit einem extra langen Fußgängerboulevard.

Liliana Stipanic ist Reiseführerin, Köchin und Geschäftsfrau: „Wenn mich etwas interessiert, was ich nicht kann, lerne ich es.“
Liliana Stipanic ist Reiseführerin, Köchin und Geschäftsfrau: „Wenn mich etwas interessiert, was ich nicht kann, lerne ich es.“ © Ernst von Chaulin

Mit der „Tornado Blue“ kann man aber auch Opatijas Nachbarorte wie Lovran mit seinem schönen mittelalterlichen Zentrum besuchen oder in eine abgelegene Badebucht auf der Insel Cres fahren. Hier aber soll die Rede von einem Ausflug nach Mošćenička Draga sein.

Richtung Süden, dahin, wo die offene See beginnt und bei Sturm die größten Wellen in diesen Teil der Kvarner Bucht rollen. Dabei geht es vorbei an großartigen Villen, unter denen es wohl keine gibt, die Liliana Stipanić nicht mit einer Geschichte verbinden kann.

Für die 15 Kilometer entlang der Riviera von Opatija braucht die „Tornado Blue“ etwa anderthalb Stunden. Der Name Opatija leitet sich vom Wort Abtei ab, genauso wie Abbazia, wie der Ort früher hieß – ein Hinweis auf den Ursprung der Siedlung.

Heute hat Opatija gut 10.000 Einwohner. Im Sommer jedoch, wenn Hochsaison herrscht, sind es gleich noch einmal so viele Gäste.

Kultivierter Müßiggang

Das Städtchen hat etwas Mondänes. Denn bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gehörte es zur k.u.k.-Monarchie – damals lag Österreich noch am Meer. Zwischen 1850 und der Jahrhundertwende entstanden hier 85 Hotels und Villen, die zum größten Teil noch heute existieren und inzwischen saniert sind.

„Es war die hohe Kunst des kultivierten Müßiggangs, die die erlauchte Gesellschaft des Kurortes begeisterte. Heute würde man dazu wohl Wellness und Entschleunigung sagen“, heißt es zu den Gründen für die Anziehungskraft Opatijas.

Hinzu kommt noch etwas anderes: Opatija wie die gesamte Riviera profitieren sowohl von der Meeresluft als auch von der, die von den nahen Bergen kommt, vom Massiv des Učka (sprich: Utschka).

Es herrscht ein Mikroklima, das im Sommer für vergleichsweise angenehme Kühle sorgt und im Winter Kälteeinbrüche verhindert, sodass die für kroatische Verhältnisse sehr grüne Landschaft einen subtropischen Charakter besitzt.

Mehr als 150 Pflanzenarten

Diesen segensreichen Schutz des Učka-Gebirgszuges haben sich die Gärtner von Opatija von alters her zunutze gemacht. Das herausgehobene Beispiel dafür ist der wunderschöne Park der Villa Angiolina, der auf dreieinhalb Hektar mehr als 150 Pflanzenarten zeigt.

Im Grunde genommen ist das Gebiet der oberen Adria bis weit hinunter nach Dubrovnik ein im Meer versunkenes Gebirge. Deshalb bestehen viele Strände aus Felsen und Klippen. Eine Ausnahme ist Mošćenička Draga. Das einstige Fischerdorf ist für seine beiden langen Kieselstrände berühmt und beliebt, so sehr, dass es im Sommer schwierig sein kann, einen Platz zum Parken zu finden und am Strand selbst.

Die feinen weißen Kiesel stammen aus dem Učka, der die mächtige Rückwand des Ortes bildet; sie sind von einem Gebirgsbach im Laufe der Zeit angehäuft worden. Ein kroatischer Dichter besang den Ort so: „Ihr kennt nicht meinen Strand, wo in Kindertagen Muscheln ich fand, in Träumen schwebte, Schmetterlinge fing, verzaubert von Wellen, Meer und Wind ...“

Früher gab es Delfine

Unser Schiff macht im kleinen Hafen von Mošćenička Draga fest. Hier heißt es erst einmal einen Kaffee nehmen. In der Gaststätte Portić, direkt am Hafen, würden sich die Einheimischen treffen, erzählt Liliana Stipanić.

Einer von ihnen spricht uns auf Deutsch an. Er habe 44 Jahre in der Gastronomie gearbeitet, zuletzt in dem Restaurant ganz am Ende des Kieselstrandes.

Was er erzählt, kommt einem nicht unbekannt vor: Heute fehle es an Kellnern und Köchen, weil man im Ausland mehr verdiene. Und dann beschreibt er etwas, das die Biologen als Shifting-Baseline-Syndrom bezeichnen: Früher habe es hier im kristallklaren Wasser noch Delfine gegeben. Heute seien sie verschwunden.

Sie halten sich jetzt vor allem zwischen den Inseln Cres und Losinj auf, aber auch da kann es passieren, dass man während eines dreiwöchigen Sommerurlaubes keinen Einzigen zu Gesicht bekommt. Auch die Schmetterlinge des Dichters wird man heute am Strand vergeblich suchen.

Drei-Gang-Menü an Bord

Ähnliche Verschiebungen könne man auch bei den Menschen beobachten, erzählt der Mann. Weiter oben im Dorf, wo er zu Hause ist, hätten die Leute einst noch Obst und Gemüse für den Eigenbedarf und für die Gaststätten unten am Strand angebaut.

Heute würden es die meisten scheuen, Arbeiten zu machen, bei denen man ins Schwitzen kommt. „Meine Frau und ich bauen noch an“, fügt er stolz hinzu, trinkt seinen Wein aus und verabschiedet sich.

Liliana Stipanić und ihr Mann Roni bewirten ihre Gäste auf der „Tornado Blue“ mit Mangold, Tomaten und Salat, die sie im großen Garten ihres Hauses ziehen. Auch die Eier für das Gebäck stammen von eigenen Hühnern.

Auf der Rückfahrt nach Opatija kredenzen sie ein Drei-Gang-Menü. Nach den Sardellen mit frischem Weißbrot gibt es Seehecht mit Kartoffeln und danach Palatschinken mit selbst gemachter Marmelade, dazu einen guten weißen Hauswein.

753 Stufen nach Mošćenice

Die „Tornado Blue“ hat ein Sonnendeck, von dem aus man die Riviera bewundern kann. Wenn es einem zu heiß wird, geht man eine Etage tiefer, wo der große Holztisch eingebaut ist, an dem in familiärer Atmosphäre gesessen und gegessen wird. Von hier aus kann man auch zuschauen, wie Roni das Schiff, das immerhin 50 Tonnen auf die Waage bringt, steuert, als wäre es federleicht. Dabei hilft ihm der originale Kompass aus dem Jahr 1898. Das schöne Holz und die blinkenden Beschläge der „Tornado Blue“ erfreuen das Auge.

Die Arbeit, die dahinter steckt, kann der Gast nur erahnen. Er muss auch nicht wissen, dass das Schiff jedes Jahr im Winter aus dem Wasser genommen und alle Holzteile abgeschliffen und dreimal lackiert werden müssen, damit ihnen das Salzwasser nichts anhaben kann.

Vor der Rückfahrt machen wir mit dem Kleinbus noch eine Fahrt hinauf nach Mošćenice – quasi dem Gebirgsteil von Mošćenička Draga. Überragt wird der Ort, zu dem man vom Strand auch über 753 Stufen hinaufsteigen kann, von der Kirche. Oben spaziert man durch enge, verwinkelte Gassen.

Es ist ziemlich still hier; wie viele andere Bergdörfer leidet auch Mošćenice an Einwohnerschwund. Insbesondere junge Familien haben sich abgewandt, nachdem die Grundschule geschlossen wurde.

Mošcenice ist ein typisches Gebirgsdorf an der Kvarner Bucht – einst befestigt gegen Piraten und die Venezianer.
Mošcenice ist ein typisches Gebirgsdorf an der Kvarner Bucht – einst befestigt gegen Piraten und die Venezianer. © Frank Heuer/laif

Ob die letzte Gaststätte mit ihrem atemberaubenden Blick über die Kvarner Bucht bis nach Rijeka, die Inseln Krk und Cres im Sommer öffnen wird, ist nicht gewiss. Steigt man die vielen Stufen wieder hinab, gelangt man geradewegs zur Strandpromenade, dem Lungomare. Sie ist hier zwei Kilometer lang – beziehungsweise kurz, wenn man sie in Relation zu jener setzt, die Lovran und Opatija verbindet.

Der zwölf Kilometer lange Weg ist einzigartig: vor einem das Meer, im Rücken die Pracht der Villen und Gärten. Und dann kann es passieren, dass man ein blau-weißes Schiff vorbeifahren sieht, das einmal ein Sandkahn war. Und von dem die Leute fröhlich herüberwinken.

Ab nach Kroatien

  • Anreise: Mit dem Auto von Dresden knapp 1.000 km. Von Mai bis September gibt es Direktflüge von Deutschland (z. B. ab Berlin) nach Rijeka.
  • Einreise: Personalausweis genügt.
  • Geld: Seit diesem Jahr ist der Euro offizielle Währung.
  • Unterkünfte: Für jeden Geldbeutel – vom Zeltplatz bis zum Luxushotel reicht die Palette. Wer mondänes Flair und deutschsprachigen Service wünscht, ist im Hotel Miramar richtig (DZ ab 115 Euro).
  • Bootsfahrt: Die Tour von Opatija nach Mošcenicka Draga kostet 65 Euro pro Person.
  • Die Recherche wurde unterstützt vom Adria-Relax-Resort Miramar, Opatija.