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Reisetipp Niederschlesien: "Wir haben alles – außer Meer“

Eine der beliebtesten Woiwodschaften Polens gehört zu den wichtigsten Ausstellern auf der Reisemesse ab 26.1. in Dresden. Eine Tour mit Touristikchef Jakub Feiga zeigt, was Sachsens Nachbarin alles bietet.

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Elzbieta Szumska hat die ehemalige Goldmine gekauft, die heute Besucherstollen mit Bootsausflug und Museum ist.
Elzbieta Szumska hat die ehemalige Goldmine gekauft, die heute Besucherstollen mit Bootsausflug und Museum ist. © Carsten Heinke

Von Carsten Heinke

Weiß bedeckt sind Felder, Wälder, Hügel. Die Kirchen tragen Zipfelmützen. Drei Autostunden waren es von Dresden bis nach Wrocław (Breslau). Und nun, nur ein paar Dutzend Kilometer weiter südlich, fangen schon die Ausläufer der niederschlesischen Sudeten an. Ihr höchster Gipfel – 1.603 Meter – ist die Schneekoppe im Riesengebirge. „Ich mag die Berge, aber auch das weite, flache Teichland, wie man es im Bartschtal findet“, sagt Jakub Feiga.

Zisterziensermönche haben im Mittelalter die Stawy Milickie (Militscher Teiche) angelegt. „Heute ist das Areal westlich von Wrocław ein artenreiches Naturparadies, das besonders bei Vogelfreunden und Radfahrern beliebt ist“, sagt der Mann, der die Tourismusorganisation von Niederschlesien leitet – nur heute nicht vom Schreibtisch aus, sondern von unterwegs. „Wir haben alles außer Meer“, meint er und denkt dabei nicht nur an Landschaft und Natur.

Touristisch betrachtet zähle Niederschlesien zu den beliebtesten Woiwodschaften Polens. „Während sich in anderen Landesgegenden Urlaubsgeschehen und Besuchsverkehr meist auf konkrete Regionen wie etwa auf die Ostseeküste, die Seenplatten und die großen Städte beschränken, verteilen sie sich bei uns fast auf die ganze Woiwodschaft“, so Feiga.

Ideales Reiseziel für jeden Anspruch

Ein Grund dafür seien die Sehenswürdigkeiten. „Da es wirklich viele sind, hat man fast an jedem Übernachtungsplatz ein Ausflugsangebot, das Tage reicht. So erlebt und sieht man jede Menge, ohne lange Strecken zu bewältigen“, sagt Feiga. Reserven habe man noch bei den anderssprachigen Beschriftungen, wobei zumindest eine englische Version schon fast überall dazugehört. In vielen Fällen helfen Audioguides, fehlende deutsche Infos zu ersetzen.

Der Alte Markt von Wroclaw mit Zwergenfigur.
Der Alte Markt von Wroclaw mit Zwergenfigur. © Carsten Heinke

Die mit Abstand meisten ausländischen Touristen kommen aus Deutschland – gefolgt von denen aus Tschechien und Großbritannien: „Doch während die meisten Briten vor allem zum Feiern nach Breslau und die Tschechen vor allem als Tagesgäste ins Riesengebirge kommen, bleiben die Deutschen in der Regel ein paar Tage hier. Die meisten fahren Rad.“ Dafür sei Niederschlesien ein ideales Reiseziel – und zwar für jeden Anspruch. „Neben sehr sportlichen Routen für Mountainbiker gibt es vor allem viele, die auch Untrainierte ohne Weiteres bewältigen. 250 beschilderte Wege sind es insgesamt, darunter viele Singletracks“, so der Touristiker.

Viele Gäste wandern, paddeln, treiben Wintersport oder erholen sich in einem der elf Kurorte, wo Wellnessangebote auch junges Publikum anlocken. Jedes größere Hotel verfügt über ein Spa – oft mit sehr speziellen Angeboten. In den urigen Gewölben des Pałac Brzeźno nahe Wrocław etwa badet man im duftenden Gebräu aus Hopfen, Malz und Hefe und trinkt ein Bier dazu. Wo gibt’s das beste? Nach Einschätzung des Regionaltouristikchefs in Breslaus jungen Minibrauereien.

Fast alles neu gebaut und modern ausgestattet

Ihrem günstigen Klima, das etwa dem des Elsass ähnelt, verdanken einige Regionen der Woiwodschaft ziemlich gute Weine – zum Beispiel aus Riesling, aber auch der tschechischen Traubensorte Pálava, deren duftig-frische Weißweine dem Traminer ähneln. „Die Küche Niederschlesiens profitiert von polnischen wie deutschen Traditionen und regionalen Produkten“, sagt Jakub Feiga und empfiehlt die „Geschmäcker Niederschlesiens“, eine kulinarische Route, die Gastronomen wie Erzeuger bündelt.

Ein wichtiges Kriterium, seinen Urlaub in Niederschlesien zu verbringen, ist nach Feigas Auffassung die überdurchschnittliche Qualität der Angebote: „Der Tourismus hier ist ziemlich jung, fast alles neu gebaut und modern ausgestattet, der Standard in der Regel höher als bei der Konkurrenz. Die Preise sind wie überall gestiegen, doch im Vergleich noch immer attraktiv.“

Frischer Schnee verzaubert Złoty Stok (Reichenstein) in eine Wintermärchenwelt. Und wenn die Sonne scheint, schimmert die kleine Stadt im Goldgebirge wirklich wie der Schatz, den man hier 700 Jahre lang aus vielen Minen holte. Fast 200 waren es einmal. Nur eine blieb und wurde zum Museum. Dank seiner rührigen Besitzerin Elżbieta Szumska entwickelte sich das Besucherbergwerk zur größten Gästeattraktion in der Region. Inzwischen hat es Restaurants und ein Hotel.

Gemeinsames Marketing für die ganze Region

Für Jakub Feiga repräsentiert dieses Projekt in vorbildhafter Weise, in welchem Tempo und mit welcher Kraft sich ein touristisches Projekt entfalten kann: „Wie dieses positive Beispiel zeigt, ist sein Erfolg am Ende umso größer, je besser es mit anderen zusammenarbeitet und je mehr es regional verwurzelt ist.“ Wer Mitstreiter als Partner und nicht als Konkurrenten sehe, habe im Tourismus stets die besten Karten.

Nordpolen, Carsten Heinke, 360° medien, 1. Auflage (Juli 2022), 296 Seiten, 16,95 Euro Foto: Verlag
Nordpolen, Carsten Heinke, 360° medien, 1. Auflage (Juli 2022), 296 Seiten, 16,95 Euro Foto: Verlag © Verlag

Unter Beweis gestellt hat das zum Beispiel ein Verein aus ursprünglich 13 privaten touristischen Attraktionen. Jetzt sind es zwar 18, doch der inzwischen polenweit bekannte Name „Turystyczna Trzynastka“ (Die touristischen 13) ist geblieben. „Begonnen hatte alles damit, dass jede verkaufte Eintrittskarte zugleich als Rabattmarke für eine der Partnereinrichtungen galt. So entwickelte sich ein gemeinsames Marketing, in das die ganze Region involviert wurde“, erklärt Feiga das Erfolgsmodell. Zu den Mitgliedern des Vereins gehören außer dem Goldbergwerk in Złoty Stok unter anderem auch Schlösser, Burgen, Bunker und Museen, Höhlen und die Festung Srebrna Góra (Silberberg), die Preußenkönig Friedrich II. zwischen 1765 und 1777 erbauen ließ.

Der riesenhafte Militärkomplex wurde knappe 100 Jahre später aufgegeben. Erste touristische Nutzungen gab es im 19. Jahrhundert. Mitte der 1960er-Jahre wurde die Festung Domizil der niederschlesischen Pfadfinder, später ein Waffenmuseum. 2004 erklärte sie Polens Präsident zum historischen Denkmal. Stück für Stück hat man sie seither renoviert. Ein weitläufiges Museum dokumentiert ihre Geschichte. Neueste Errungenschaft ist ein moderner Gästetrakt mit einem großen Saal und 55 Übernachtungsplätzen, der demnächst als Jugendherberge eröffnet werden soll.

Europas größtes VR-Kino

Die Festung hat gute Chancen, von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannt zu werden. Bislang verfügt die Woiwodschaft Niederschlesien über zwei Unesco-Weltkulturerbestätten: die Friedenskirchen in Świdnica (Schweidnitz) und Jawor (Jauer) sowie in Wrocław die Jahrhunderthalle. Das monumentale Bauwerk, das 20.000 Menschen fasst, gilt als Wahrzeichen der Stadt und wird zu allen möglichen Veranstaltungen genutzt. Von der Altstadt aus kann man es prima mit dem Rad erreichen – am besten mit den öffentlichen CityBikes, die man bequem per App benutzt. Für kurze Strecken (bis zu 20 Minuten) sind sie sogar kostenlos.

Die Festung Srebrna Góra (Silberberg), die Preußenkönig Friedrich II. 1765 bis 1777 erbauen ließ
Die Festung Srebrna Góra (Silberberg), die Preußenkönig Friedrich II. 1765 bis 1777 erbauen ließ © Carsten Heinke

Viele Besucher lockt in der warmen Jahreszeit das grüne Umfeld der Jahrhunderthalle an. Im Mittelpunkt plätschert der Multimediabrunnen, der neben hunderten von Licht- und Wasserelementen auch über Feuerdüsen und einen „Geysir“ mit 40 Meter hoher Fontäne verfügt. Zwischen April und Oktober erlebt man seine Shows der Elemente, die teils von Klassik, teils von Rock und Pop begleitet werden.

Wie sehr man in Niederschlesien die Musik liebt, zeigt nicht zuletzt, dass es in der Woiwodschaft gleich drei bedeutende Orchesterhäuser gibt: das Nationale Forum für Musik in Wrocław, die Philharmonie in Jelenia Góra (Hirschberg) und die Sudeten-Philharmonie in Wałbrzych (Waldenburg), wo mit Fürstenstein das größte Schloss von Schlesien steht. Vis-à-vis der Jahrhunderthalle befindet sich der Zoo. Sein beliebtester Bereich ist das Afrykarium, ein Komplex tropischer Lebensräume, der der Fauna und Flora Afrikas gewidmet ist. Jüngste technische Bereicherung ist Europas größtes VR-Kino, das Zuschauern mittels Virtual-Reality-Headsets erlaubt, in 360-Grad-Filme einzutauchen und etwa Berggorillas oder Riffbewohner „hautnah“ zu erleben.

Günstige Preise

  • Anreise: Von Dresden bis Wrocław (270 km) sind es per Auto oder Bahn mindestens drei Stunden. Von Wrocław nach Złoty Stok fährt man ca. 1,5 Stunden, bis zu den Militscher Teichen ca. eine Stunde.
  • Übernachten: Moderne Zimmer unweit vom Markt in Wrocław hat das Hotel Korona (DZ ab 56 Euro. Neu sind die Zimmer in der Festung Silberberg (p. P. ca. 50 Euro). Außer Gästezimmern in der Goldmine gibt es in Złoty Stok Pensionen wie z. B. Apartamenty goscinne na szlaku (DZ 51 Euro).
  • Essen & Trinken: Hervorragende vegane Gerichte in duftig-kuscheliger Wohnzimmer-Einrichtung isst man im Blumenladen-Café „Kwiaty Kawy i Inne“ (Wrocław, pl. Kosciuszki 12). Traditionelle schlesische Küche, von jungen polnischen Köchen modern interpretiert, serviert das Restaurant Wrocławska in der Breslauer Altstadt (Wrocław, ul. Szewska 59/60). Alle Adressen der niederschlesischen kulinarischen Route.
  • Aktivitäten: Goldbergwerk in Złoty Stok (nur Goldmine 53 PLN), Zoo mit Afrykarium (70 PLN) und VR-Kino (30 PLN) in Wrocław. Alle Attraktionen der „Touristischen 13“
  • Auskünfte: Polnisches Fremdenverkehrsamt; Niederschlesischer Tourismusverband; Visit Wroclaw

Reisemesse Dresden

  • Die Reisemesse Dresden findet vom 26. bis 28. Januar, 10 bis 18 Uhr, in der Messe Dresden, Messering 6 statt.
  • Eintritt: 10 Euro, mit SZ-Card 7 Euro, ermäßigt 8 Euro (Schüler, Studenten, Rentner). Freitag Senioren 7 Euro, Kinder unter 10 Jahren frei.
  • Programm: über 300 Aussteller von Australien bis Zugspitze. Themen sind u.a. Aktivurlaub, Camper, Kreuzfahrt, Familienurlaub und Deutschland als Reiseziel.