SZ + Wirtschaft
Merken

Silicon Saxony: "Wir sind der beste Standort"

Erstmals leitet der Chef einer Softwarefirma den Verband Silicon Saxony. Dirk Röhrborn sagt, warum er mit der nächsten Mikrochipfabrik rechnet.

Von Georg Moeritz
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Dirk Röhrborn (links) leitet jetzt den Branchenverband Silicon Saxony in Dresden. Der Softwareunternehmer folgt auf Heinz Martin Esser, der zwölf Jahre lang die Hightech-Branchen repräsentiert hat.
Dirk Röhrborn (links) leitet jetzt den Branchenverband Silicon Saxony in Dresden. Der Softwareunternehmer folgt auf Heinz Martin Esser, der zwölf Jahre lang die Hightech-Branchen repräsentiert hat. © Silicon Saxony e. V.

Dresden. Neuer Chef zum 20-jährigen Bestehen des Hightech-Verbands: Dirk Röhrborn hat am Donnerstagabend den Vorsitz im Branchenverband Silicon Saxony von Heinz Martin Esser übernommen. Röhrborn ist hauptberuflich Chef der Dresdner Softwarefirma Communardo. Er repräsentiert jetzt als Vorsitzender ein Netzwerk aus 375 Unternehmen und Institutionen, das sich auch als Lobby für Subventionen einsetzt. Die Sachsen hoffen auf die nächste Großinvestition eines Mikrochipherstellers, seit Intel aus den USA und TSMC aus Taiwan Fabrikbauten in Europa vorbereiten.

Neu in den vierköpfigen Vorstand von Silicon Saxony rückt Yvonne Keil auf, die Dresdens größte Fabrik vertritt - den TSMC-Konkurrenten Globalfoundries. Als neues Mitglied wurde bei der Jubiläumsfeier Vodafone in den Silicon Saxony e. V. aufgenommen. Esser sagte, er übergebe einen "Standort in Bestform" - angesichts der jüngsten Ansiedlungen wie Bosch und Jenoptik in Dresden. Seine Vision sei, dass wenigstens einer der beiden Kandidaten TSMC oder Intel "in den nächsten zwei Jahren eine Megafab" in Sachsen baue.

Esser warnte aber vor übertriebenen Hoffnungen von EU-Politikern, die neuen Fabriken könnten Europa an die Spitze der technologischen Entwicklung mit feinsten Chipstrukturen von fünf oder gar zwei Nanometern bringen. Lieber sollten sie sich auf das derzeit Machbare und Erreichbare konzentrieren.

Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte bei der Feier, die gesamte Staatregierung stehe hinter der Mikroelektronik. Früher habe es in der Politik Zweifel gegeben, ob wirklich Milliarden für diese Branche ausgegeben werden müssten. Doch ohne sie wären heute vor allem Auto- und Maschinenbau prägend für Sachsen. Die Milliardeninvestition von Bosch sei ohne große Interventionen der Bundesregierung nach Sachsen gekommen, der Standort habe den Investor überzeugt.

Die 20-Jahrfeier mit Hunderten Gästen fand im Bellevue-Hotel unter Corona-Bedingungen statt: Die namentlich angemeldeten Gäste wurden am Eingang gefragt, ob sie geimpft, genesen oder getestet seien. Ein Nachweis wurde nicht verlangt. Esser bat zu Beginn seiner Rede, die Schutzmasken aufzusetzen, da die Gäste mit wenig Abstand im Saal standen. Die meisten hatten die Masken zuvor abgenommen und zogen sie nun wieder über.

Sächsische.de sprach mit dem neuen Vorstandschef Dirk Röhrborn:

Herr Röhrborn, als Chef einer Softwarefirma leiten Sie nun den Silicon Saxony e. V. Vertritt der Verband nicht vor allem Mikrochipfabriken und ihre Lieferanten?

Der Verband wandelt sich seit vielen Jahren. Mehr als 50 Mitgliedsfirmen kommen jetzt aus der Softwarebranche. Von den über 70.000 Arbeitsplätzen im Silicon Saxony gehören mehr als 30.000 zu Softwarefirmen. Es ist die Stärke des Silicon Saxony, dass hier vieles zusammenkommt – Hardware, Software, Connectivity (Vernetzbarkeit) und ein breites Fachkräftespektrum. Wir sind auf dem Weg zu einem Hightech-Netzwerk.

Geht das Wachstum der Softwarefirmen weiter?

Ja, wir sehen überhaupt keine Sättigung. In allen Sparten des Silicon Saxony erwarten wir Wachstum, auch Ansiedlungen in der Halbleiter-Industrie und bei Zulieferern. Unser Ziel ist, bis 2030 mehr als 100.000 Arbeitsplätze in den Branchen zu bieten. Dann werden wir möglicherweise die Automobilbranche in Sachsen übertreffen. In Sachsens Softwarebranche wird es dann mehr als 50.000 Arbeitsplätze geben.

Woher kommt dieser Zuwachs?

Die Digitalisierung ist ein Megatrend, auch in der Wirtschaft. Corona hat diesen Trend noch verstärkt, nicht nur im Homeoffice und in der Schule.

Muss Dresden die Konkurrenz von Leipzig oder Berlin um Nachwuchskräfte fürchten?

Wir stecken schon mitten in diesem Konkurrenzkampf zwischen den Standorten. Da geht es sowohl um Auszubildende als auch um Studenten und fertige Fachkräfte. Dazu kommt der überregionale Wettbewerb. In der Halbleiter-Industrie geht es um Spezialisten aus aller Welt.

Was lässt sich da machen?

Wir können den Weg als Cluster erfolgreich fortsetzen, als Netzwerk mit toller Zusammenarbeit zwischen den Sparten. Dabei müssen die Unternehmen attraktive Bedingungen schaffen, in Aus- und Weiterbildung investieren. Der Freistaat muss in Schulen und Hochschulen die MINT-Berufe fördern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik. Wir haben dabei in Sachsen schon ein kleines Wachstum erreicht, das muss weitergehen.

Werden Sie als Verbandschef auch Politik machen?

Die Interessenvertretung für Unternehmen im Silicon Saxony ist eine ganz wichtige Aufgabe für den Vorstand. Ich möchte die Aufgabe auf mehr Köpfe verteilen. Es ist auch ein politisches Amt. Es geht uns darum, Standortfaktoren so zu gestalten, dass Unternehmen hier gegründet werden, hier wachsen und hierbleiben.

Haben Sie noch mehr Vorsätze für Ihre neue Aufgabe?

Wir werden im Silicon Saxony ein paar Dinge anders machen müssen, das gehört zu wachsenden Organisationen dazu. Gremienarbeit, Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit möchte ich auf eine neue Stufe heben. Daran arbeiten wir schon mit Vorstandskollegen, ehrenamtlichen Mitarbeitern und der Geschäftsstelle. Das möchte ich auch nicht über Jahrzehnte verteilen, sondern in den nächsten Jahren unternehmen.

Sind Sie an Gesprächen über eine mögliche neue Chipfabrik in Dresden beteiligt?

Zu laufenden Ansiedlungsbemühungen werden wir uns als Verband nicht äußern.

Ich dachte, Sie trommeln dafür und stellen als Verband die Standortvorteile heraus?

Wir trommeln immer für den Standort Sachsen. Hier ist Europas größter und wichtigster Halbleiterstandort, mit einer einzigartigen Mischung aus Hardware, Software und Connectivity. Wenn wir diesen Mix weiter voranbringen wollen, brauchen wir die Unterstützung der EU. Davon profitieren auch Chemnitz, Leipzig und die Lausitz.

Rechnen Sie denn damit, dass TSMC aus Taiwan in Sachsen eine Mikrochipfabrik baut?

Wir rechnen uns gute Chancen aus, weil wir der beste Standort sind. Das liegt auch an der Politik in Sachsen, die Förderinstrumente klug einsetzt, um private Investitionen anzuziehen. Im Silicon Saxony ist das von Bundespräsident Steinmeier eingeforderte neue Selbstbewusstsein längst zu spüren. Die Entscheidung für eine Investition liegt aber immer bei den Unternehmen.

Was muss noch getan werden, um einem Großinvestor den roten Teppich auszurollen?

Ganz wichtig ist jetzt Geschwindigkeit. In den Unternehmen der Mikrochip-Produktion besteht die Notwendigkeit, schnell zu investieren. Das europäische Förderprogramm Ipcei 2 muss jetzt auf die Straße gebracht werden. Damit die Unternehmen Planungssicherheit bekommen, muss die Politik deutlich schneller Entscheidungen treffen. Die Unterstützung des Freistaats und der Bundesregierung haben wir.

Das Gespräch führte Georg Moeritz.