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Staffbase - das Einhorn aus Chemnitz

Kürzlich rückte das Software-Unternehmen Staffbase in den kleinen Kreis der deutschen "Unicorns" auf. Jetzt sind die drei Geschäftsführer "Sachsens Unternehmer des Jahres 2022". Doch sie denken noch weiter.

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Lutz Gerlach, Martin Böhringer und Frank Wolf (v. l.) sind die Gründer von Staffbase – und die diesjährigen "Unternehmer des Jahres in Sachsen".
Lutz Gerlach, Martin Böhringer und Frank Wolf (v. l.) sind die Gründer von Staffbase – und die diesjährigen "Unternehmer des Jahres in Sachsen". © Stephan Floß

Von Christoph Ulrich

Die erste Geschäftsidee hatte nicht eingeschlagen. 2011 gründete Martin Böhringer (36) und Lutz Gerlach (48) mit weiteren Mitstreitern die Firma Hojoki. Schon damals ging es darum, mit einer Online-Plattform die Arbeitsabläufe der Nutzer zu verbessern. Sie fanden zwar Geldgeber, aber der Traum vom ökonomischen Durchbruch wurde nach etwas mehr als drei Jahren begraben. Das Projekt scheiterte krachend. Kapital in siebenstelliger Höhe wurde verbrannt.

Doch Böhringer und Gerlach, beide Absolventen der Technischen Universität Chemnitz, gaben nicht auf. Sie wollten Unternehmer bleiben. Sie suchten nach einer neuen Geschäftsidee. Da stießen sie auf den Dresdner Frank Wolf (46), ein IT-Spezialist, der in einer Unternehmensberatung für Großunternehmen Intranet-Lösungen konzipierte. Doch von den Intranet-Portalen, mit denen die Unternehmen ihre Mitarbeiter informieren, war Wolf letztlich nicht überzeugt. Sie hatten den großen Nachteil, dass damit nur Beschäftigte erreicht werden konnten, die an einem PC-Arbeitsplatz saßen. Fahrer von Lieferfahrzeugen oder Monteure auf einer Baustelle konnten an der Kommunikation nicht teilnehmen. Wolf erkannte die Marktlücke, als er mit einer Firma zu tun hatte, die Handtuchspender für Sanitärräume anbietet. Die Hälfte der 9000 Beschäftigten war im Außendienst tätig, die andere Hälfte arbeitete in der Wäscherei. Es gab kein Programm, um alle diese Mitarbeiter zu erreichen. So wurde die Idee der "Mitarbeiter-App" für das Smartphone geboren.

Die von Staffbase auf den Markt gebrachte Mitarbeiter-App erwies sich als Selbstläufer. "Wir mussten keine Klinken putzen, die Kunden kamen von selbst auf uns zu", sagt Geschäftsführer Böhringer. Die App kam zum richtigen Zeitpunkt. Fast jeder Beschäftigte hat bereits ein Smartphone. Gleichzeitig stehen die Unternehmen vor einem tief greifenden Wandel, bei dem alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitziehen müssen. Die Digitalisierung, neue Geschäftsmodelle, neue Märkte, Homeoffice: die Herausforderungen für Unternehmensleitungen sind groß. Dabei wird die Kommunikation mit den Beschäftigten immer wichtiger. Nur wenn für alle Klarheit herrscht, wo das Unternehmen hin will, kann zielgerichtet gearbeitet werden.

Seine Dresdner Niederlassung hat Staffbase im ehemaligen Café Prag eingerichtet. Gearbeitet wird wie im Stammhaus in Chemnitz in Großraumbüros.
Seine Dresdner Niederlassung hat Staffbase im ehemaligen Café Prag eingerichtet. Gearbeitet wird wie im Stammhaus in Chemnitz in Großraumbüros. © Stephan Floß

"Es besteht die Notwendigkeit, ein Unternehmen schnell zu wandeln, aber es fehlen die Werkzeuge, um die Beschäftigten zu erreichen. Das ist das Kernproblem, das wir lösen", erklärt Böhringer. Es gebe heute keinen Zweifel mehr, dass gute Mitarbeiterkommunikation ein zentraler Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist. Die angestaubten internen Medien könnten das nicht leisten. Mit der Software von Staffbase dagegen können alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnell und zuverlässig erreicht werden. "Public Relation nach innen ist ein essenzieller Bestandteil von Führung. Unsere Software sorgt für eine bessere Unternehmenskultur", zeigt sich Böhringer überzeugt. Kommunikation sei ein Wachstumsmarkt. "Wir verstehen uns als Partner für Kommunikationsabteilungen und nicht als Software-Lieferant", so der Staffbase-Chef.

Internationale Investoren wie Insight Ventures, Headline und General Atlantic wurden auf Staffbase aufmerksam. Achim Berg, Operating Partner von General Atlantic, einem führenden Wachstumskapitalgeber aus New York, ist mit der Entwicklung des Chemnitzer Unternehmens zufrieden. "Das außergewöhnliche Wachstum von Staffbase zeigt, dass das Unternehmen mit seiner Mission einen Nerv der globalen Wirtschaft getroffen hat", sagt Berg. Es gebe in vielen Firmen das starke Bedürfnis nach einer engeren Einbindung der Belegschaft in die Unternehmensziele. "Wir sind stolz darauf, das Team von Staffbase bei der Verwirklichung dieser Aufgabe unterstützen zu dürfen", so Berg.

Staffbase hat einen rasanten Wachstumsprozess hinter sich. Bereits von 2014 bis 2018 ist das Team auf über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewachsen. Der Umsatz stieg von rund zehn Millionen Euro im Jahre 2019 auf rund 50 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Mehr als die Hälfte des Umsatzes wird außerhalb Deutschlands erwirtschaftet. Inzwischen arbeiten bei dem Chemnitzer Unternehmen an 16 Standorten weltweit rund 600 Beschäftigte aus 45 Nationen. Staffbase hatte früh auf eine internationale Präsenz gesetzt und bereits 2016 ein Büro in New York eröffnet. 2018 folgten Niederlassungen in London, Amsterdam und Köln. Büros gibt es zudem in Vancouver, Kelowna, München, Leipzig, Berlin und Dresden. Die Unternehmenssprache ist Englisch. Bedient werden mehr als 2000 Kunden weltweit, darunter Unternehmen wie die Deutsche Post DHL, T-Systems, Audi und Adidas. Mittlerweile nutzen nach den Angaben von Staffbase etwa 13 Millionen Beschäftigte die Lösungen des Chemnitzer Unternehmens für die Mitarbeiterkommunikation.

Im März erhielt das Chemnitzer Software-Unternehmen weitere 106 Millionen Euro von internationalen Kapitalgebern. Die sogenannte Serie-E-Finanzierungsrunde wurde von General Atlantic aus New York angeführt. Auch der New Yorker Investor Insight Partners, der bereits an der Finanzierung von Staffbase beteiligt war, hatte weitere Mittel in der neuen Finanzierungsrunde zur Verfügung gestellt. Damit rückte Staffbase in den kleinen Kreis der deutschen "Unicorns" (Einhörner) auf. Als Unicorn wird ein Start-up-Unternehmen bezeichnet, das eine Marktbewertung von mehr als einer Milliarde Euro erreicht hat.

Für Besprechungen kann man sich in separate Besprechungsräume zurückziehen.
Für Besprechungen kann man sich in separate Besprechungsräume zurückziehen. © Stephan Floß

Bereits im März vergangenen Jahres hatte Staffbase in einer Finanzierungsrunde umgerechnet 122 Millionen Euro (145 Millionen US-Dollar) von internationalen Kapitalgebern eingeworben. Mit dem Geld sollte das internationale Wachstum des Unternehmens vorangetrieben werden. schon vom US-Finanzinvestor General Atlantic, der inzwischen mehr als 200 Millionen Euro in Staffbase investiert hat.

Wenige Wochen zuvor hatten die Chemnitzer die Fusion mit dem kanadischen Unternehmen Bananatag bekannt gegeben, einem Spezialisten für E-Mail-Lösungen zur Mitarbeiterkommunikation. 2020 wurde zudem das Start-up für Mitarbeiterbefragungen "Teambay" übernommen. Ende November 2021 kam das 2001 in Helsinki (Finnland) gegründete Unternehmen Valo Solutions hinzu. Valo ist der führende Anbieter von Intranets und digitalen Arbeitsplätzen auf der Basis von Microsoft-365-Anwendungen, wie beispielsweise Office oder Teams. "Viele Unternehmen haben sich gewünscht, dass Staffbase und Microsoft 365 noch einfacher integrierbarer sind", sagt Böhringer. Der Zukauf diene der nahtlosen Integration der Staffbase-Kommunikationsplattform in die Anwendungen von Microsoft.

Das Wachstum durch Zukäufe gehört zur globalen Expansionsstrategie von Staffbase. Die drei Gründer haben klare Marktführerambitionen. "Die Softwarebranche ist brutal, global und schnell. Entweder ich gewinne weltweit, oder ich bin weg vom Fenster", meint der Staffbase-Geschäftsführer. "Wir haben Spaß an der Herausforderung, einen globalen Marktführer in Chemnitz aufzubauen", ergänzt Böhringer mit dem Hinweis, dass Staffbase nur Unternehmen übernehme, deren Kultur passt, entscheidend sei eine ähnliche DNA. Die ist mit drei Begriffen schnell beschrieben: Wachstum, auch das persönliche, Verantwortung tragen und ein guter Mensch sein.

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Für die Empathie gibt es im Unternehmen für jeden Mitarbeiter einen bezahlten "Freiwilligentag" für einen sozialen Einsatz. Die Firma gibt 150 Euro als Spende dazu. Für die persönliche Weiterentwicklung stehen zwei bezahlte Urlaubstage zur Verfügung, bei denen auch Fortbildungen oder Konferenzbesuche finanziert werden. Dafür hat jeder Mitarbeiter ein eigenes Budget. Die Zentrale in einem mächtigen Industriekomplex, dem ehemaligen Chemnitzer Wirkbau, ist ein riesiges Großraumbüro mit flexiblen Stellwänden, Arbeitskabinen aus Glas und Freizeitmöglichkeiten. Es gibt einen Extraraum mit einem kleinen Indoor-Golfplatz und einen Sportraum zum Basketballspielen.

Schließlich gehört Staffbase zu den Sponsorpartnern des Chemnitzer Basketballklubs Niners. "Die Niners sind ein Aushängeschild für Chemnitz und passen deshalb gut mit uns zusammen. Es gibt dort eine ähnliche Bodenständigkeit mit hohem Anspruch", meint Böhringer. Auch im Kulturbereich engagiert sich das Unternehmen. Böhringer war einer der "10 für Chemnitz", die die Europäische Kulturhauptstadt 2025 nach Chemnitz geholt haben. Im vergangenen Jahr ist Staffbase der internationalen Community "Leaders für Climate Action" beigetreten, um auch den Klimaschutz zu unterstützen und den sogenannten CO2-Fußabdruck zu verringern.

Staffbase ist längst nicht am Ziel. Nach Einschätzung von Böhringer gibt es weltweit rund 50.000 Unternehmen, die zu ihren Kunden werden könnten. Da sind 2.000 Kunden erst der Anfang. Aber das Chemnitzer Unternehmen ist dabei, einen globalen Marktführer für die Mitarbeiterkommunikation aufzubauen.