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Neuer Bahnstreik ab Sonntag: Massive Auswirkungen in Sachsen erwartet

50 Stunden lang kein ICE, kein IC - und auch kaum ein Regio: Die EVG wird den Bahnverkehr von Sonntag bis Dienstag erneut lahmlegen. Auch für Sachsen hat das Folgen. Was Pendler und Reisende jetzt wissen müssen.

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Personenzüge der Deutschen Bahn stehen auf Abstellgleisen.
Personenzüge der Deutschen Bahn stehen auf Abstellgleisen. © Jens Büttner/dpa

Update, 13. Mai: Der Streik wurde durch einen Vergleich am Samstag abgewendet. Die nachfolgenden Informationen sind nicht länger aktuell. Mehr zur Einigung lesen Sie hier: 50-Stunden-Bahnstreik fällt aus - Vergleich vor Gericht.

Berlin/Erfurt/Magdeburg/Leipzig. Der für Anfang kommender Woche angekündigte Warnstreik der Bahngewerkschaft EVG wird voraussichtlich auch den Zugverkehr in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beeinträchtigen. "Wir erwarten, dass der Bahnverkehr wie bei den vergangenen Streiks komplett zum Erliegen kommt", sagte ein Sprecher des Bahnunternehmens Abellio am Freitag auf Anfrage.

"Wer kann, sollte seine Reise verschieben und im Homeoffice bleiben", ergänzte der Sprecher. Für einzelne Verbindungen werde das Unternehmen Busse einsetzen. Das betreffe die Strecken Halle - Merseburg - Weißenfels, Leipzig - Weißenfels, Weimar - Erfurt - Gotha, Gotha - Eisenach und Magdeburg - Haldensleben. Der Schienenersatzverkehr, der wegen Bauarbeiten derzeit zwischen Magdeburg und Halberstadt sowie zwischen Halle und Sangerhausen im Einsatz sei, werde weiter laufen, hieß es. Wer am Montag und Dienstag unterwegs sein müsse, brauche Geduld, hieß es. Die Busse würden länger als die Züge unterwegs sein und nicht so häufig fahren.

Auch der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (Nasa) kündigte am Freitag an, Busse für Reisende einzusetzen, die nicht auf andere Verkehrsmittel ausweichen können. Über die Fahrpläne des Busnotverkehrs und weitere Alternativen in Sachsen-Anhalt werde die Nasa fortlaufend informieren, hieß es vom Landesbetrieb.

Die Erfahrungen der beiden letzten Warnstreiks der EVG hätten gezeigt, dass die Mitteldeutsche Regiobahn "erneut gezwungen sein wird, den Betrieb für die gesamte Streikzeit einzustellen", teilte das Unternehmen am Freitag mit. Fahrgäste sollten Reisen nach Möglichkeit verschieben.

Da wie bei den vorherigen Streiks keine Schieneninfrastruktur zur Verfügung stehen werde, sei auch auf den Strecken der Erfurter Bahn weitestgehend kein Zugverkehr möglich, teilte das Unternehmen mit.

Mit dem 50-stündigen Warnstreik will die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft erneut den Druck im laufenden Tarifkonflikt bei der Bahn und 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen erhöhen. Der Ausstand soll am Sonntagabend um 22 Uhr beginnen und bis Dienstagnacht um 24 Uhr andauern.

"Da sich an den Verhandlungstischen nur wenig bewegt, wird jetzt noch einmal gestreikt", teilte EVG-Tarifvorständin Cosima Ingenschay mit. "Insgesamt streiken wir 50 Stunden und erhöhen damit den Druck deutlich, weil uns die Arbeitgeber keine andere Wahl lassen", hieß es von Verhandlungsführer Kristian Loroch.

ODEG stellt Zugverkehr komplett ein

Die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG) teilte bereits am Donnerstag, den Zugverkehr auf allen 15 Linien einstellen zu wollen. "Wir selbst werden nicht bestreikt, sind aber stark betroffen", so die ODEG. "Bei uns werden keine Linien fahren können und das schon ab 19 Uhr am Sonntag." Grund dafür sei, dass die Züge des Unternehmens auf Strecken der DB Netz fahren, die in diesem Zeitraum nicht genutzt werden können, da auch die Fahrdienstleiter streiken. Auch nach dem Streik könne es noch zu Einschränkungen im Betriebsablauf kommen. Planmäßige Ersatzverkehre mit Bussen sollen weiter verkehren. Eine Weiterfahrt mit dem Zug ist jedoch nicht garantiert. In Sachsen ist beispielsweise die Linie RB64, die zwischen Hoyerswerda und Görlitz verkehrt, oder die RB65 zwischen Cottbus und Zittau betroffen.

Die Mitteldeutsche Regiobahn (MRB) wird ebenfalls nicht bestreikt, rechnet aber auch mit Zugausfällen. Die MRB hat dasselbe Problem, wie die ODEG: Ihre Züge fahren ausschließlich auf Strecken, die von der DB Netz betrieben werden. "Wir werden ganz normal fahren, aber wir müssen uns überraschen lassen, auf welchen Strecken das geht", teilt die MRB mit. "Wenn keine Fahrdienstleiter auf ihren Posten sitzen, können wir auf diesen Strecken aus Sicherheitsgründen auch nicht fahren." Wie stark der Betrieb betroffen sei, könne man noch nicht sagen.

Auch die Länderbahn, die in Sachsen die Netze Trilex und Vogtlandbahn betreibt, ist vom Streik stark betroffen. Ab Sonntagabend soll der Zugverkehr in voraussichtlich allen Netzen eingestellt werden, teilt das Unternehmen auf seiner Internetseite mit. Man arbeite daran, zumindest auf einzelnen Strecken und in Teilnetzen Schienenersatzverkehre oder Pendelverkehre anbieten zu können. "Es können derzeit weder Prognosen über mögliche Verbindungen auf der Schiene gemacht noch ein Ersatzfahrplan angeboten werden", so die Länderbahn. Man rate von Reisen mit der Bahn ab. Das Unternehmen plant, am kommenden Mittwoch den Betrieb wieder aufzunehmen.

ADAC rechnet mit mehr Verkehr auf den Straßen

Sachsens Autofahrer müssen sich laut ADAC auf mehr Verkehr einstellen. Bei den jüngsten Bahnstreiks habe sich gezeigt, dass die Straßen in den Städten vor allem zu Hoch-Zeiten des Pendlerverkehrs extrem überfüllt waren, erklärte ADAC-Sprecher Florian Heuzeroth am Donnerstag auf Anfrage. Doch wird es seiner Prognose nach dieses Mal nicht so drastisch sein wie Ende März, als gleichzeitig auch Beschäftigte der kommunalen Verkehrsbetriebe in den Ausstand getreten waren.

Viele auf die Bahn angewiesene Pendler und Reisende würden nun Alternativen suchen, sagte Heuzeroth. Neben der Fahrt mit Auto statt Zug könnte das auch sein, ins Homeoffice auszuweichen oder einen Urlaubstag einzulegen. Zudem dürften Carsharing-Angebote stark nachgefragt werden und unter Umständen vergriffen sein. Behinderungen sei bei den jüngsten Warnstreiks der Bahn vor allem in Städten, weniger auf den Autobahnen beobachtet worden, erklärte Heuzeroth. Allerdings seien dort inzwischen etliche Baustellen hinzugekommen. So könne es zu Wochenbeginn auch für Autofahrer dort dazu kommen, dass sie mehr Zeit einplanen müssen.

Deutsche Bahn hebt Zugbindung auf

Durch den Streik der EVG reagiert die Deutsche Bahn unter anderem mit der Aufhebung der Zugbindung für Tickets, die im Streikzeitraum Gültigkeit besitzen. Bis zum 14. Mai können die Tickets ab sofort flexibel ohne Zugbindung genutzt werden. Das gilt auch für Fahrkarten aus der Kategorie Sparpreis und Super Sparpreis. Passagiere können für Ihre Weiterfahrt einen anderen Zug nutzen, dies betrifft auch Züge des Nahverkehrs (RE, RB, IRE und S-Bahn). Die Regelung gilt ebenfalls für Touristische Tickets und Gruppenreise-Tickets im Fernverkehr. Falls die Reise nicht vor Sonntag angetreten werden kann, bietet die Deutsche Bahn über die Website eine Erstattung an.

Tarifverhandlungen seit Monaten

Die Tarifverhandlungen im Bahnsektor laufen seit Ende Februar. Es ist der dritte bundesweite Warnstreik, zu dem die EVG seither aufruft. Im März legte sie gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi große Teile des öffentlichen Verkehrs inklusive der meisten Flughäfen für einen Tag lahm. Der zweite Ausstand beschränkte sich im April auf einen Zeitraum von acht Stunden, sorgte aber ebenfalls für viele Ausfälle vor allem im Fernverkehr.

Die Gewerkschaft will bei den Verhandlungen mindestens 650 Euro mehr im Monat für die Beschäftigten herausholen oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommen, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Deutsche Bahn will sich hingegen am Abschluss des öffentlichen Dienstes orientieren, der Ende April erzielt wurde.

Daran angelehnt hat der bundeseigene Konzern zunächst einen steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleich in mehreren Stufen von insgesamt 2.850 Euro vorgeschlagen. Darüber hinaus sollen Löhne und Gehälter ab März 2024 stufenweise erhöht werden - um insgesamt zehn Prozent für die unteren und mittleren sowie um acht Prozent für die oberen Lohngruppen. Bei der DB arbeiten 180.000 der 230.000 Beschäftigten, für die die EVG aktuell verhandelt.

Ein entscheidender Knackpunkt bei den Verhandlungen war zuletzt der gesetzliche Mindestlohn: Rund 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten diesen aktuell bei der DB nur über Zulagen. Die EVG will vor den Verhandlungen über Tariferhöhungen zunächst den Mindestlohn von zwölf Euro in der Gehaltstabelle verankern. Etwaige Verhandlungsergebnisse würden dann auf diese zwölf Euro angerechnet. Einen Vorschlag der Bahn, mit dem die 12 Euro rückwirkend zum März dieses Jahres in die Tabellen aufgenommen werden sollten, wies die Gewerkschaft diese Woche zurück.

Wirbel um Boni für Tausende Bahn-Beschäftigte

Für Unruhe inmitten des Tarifkonflikts sorgt ein Medienbericht, wonach Tausende Führungskräfte der Deutschen Bahn Ende April Prämien erhielten, die sich auf mindestens einen dreistelligen Millionenbetrag summieren. Die Prämien seien an 30.000 Beschäftigte ausgezahlt worden, darunter rund 3.800 Führungskräfte, berichteten NDR und Süddeutsche Zeitung am Mittwochabend.

Die Bahn steht derzeit unter anderem wegen der geringen Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr stark in der Kritik. Im vergangenen Jahr erreichten die Fernverkehrszüge lediglich 65,2 Prozent der Halte pünktlich. Das Ziel für dieses Jahr - eine Quote deutlich über 70 Prozent - ist nach der Leistung in den ersten vier Monaten nur noch schwer zu erreichen. Die Bahn kämpft vor allem mit einer maroden Infrastruktur und daraus folgenden Baustellen.

Die Pünktlichkeit sowie die Kundenzufriedenheit sind dem NDR-Bericht zufolge Teil der Boni-Berechnung, wurden demnach aber dieses Mal mit null Prozent gewichtet. In die Berechnung der "variablen Gehaltsbestandteile" seien die Punkte Mitarbeiterzufriedenheit, Frauen in Führungspositionen, das Erreichen finanzieller Ziele und die persönlichen Ziele eingeflossen. Von den Sonderzahlungen zunächst ausgenommen war dem Medienbericht zufolge der Konzernvorstand. Diese Zahlungen würden derzeit noch geprüft. (SZ/dpa)