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Bundesrat stimmt neuen Spritsorten zu: Was sich nun für Autofahrer ändert

Nach dem Bundestag hat nun auch der Bundesrat für die alternativen Spritsorten gestimmt. Künftig sollen die neuen Kraftstoffe an den Tankstellen verkauft werden. Doch was ändert sich an der Zapfsäule?

Von Henriette Kuhn
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Autofahrer in Deutschland können künftig auch Diesel tanken, der zu 100 Prozent aus Altspeiseölen hergestellt wird.
Autofahrer in Deutschland können künftig auch Diesel tanken, der zu 100 Prozent aus Altspeiseölen hergestellt wird. © Jens Büttner/dpa

Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Dafür sollen unter anderem die klimaschädlichen CO2-Emissionen im Verkehrsbereich deutlich reduziert werden. Auch deshalb wächst in den nächsten Wochen das Angebot an Tankstellen: Künftig dürfen mit XTL und Diesel B10 zwei neue emissionsärmere Dieselsorten angeboten werden. Das Kabinett hatte bereits im November darüber entschieden. An diesem Freitag stimmte nun auch der Bundesrat dafür.

Was verbirgt sich hinter den neuen Kraftstoffen? Und wer darf sie tanken? Was sich an Tankstellen ändert – der Überblick.

Um welche Kraftstoffe handelt es sich?

Auf diese Abkürzungen könnten Autofahrer künftig stoßen:

  • Der Überbegriff XTL steht für „X to Liquid“. Dahinter verbergen sich allgemein paraffinische Dieselkraftstoffe, die den Normvorgaben der EN 15940 entsprechen. Das „X“ steht für die Rohstoffquelle, wie Erdgas, Biomasse oder Kohle, die für die Herstellung des Kraftstoffs verwendet wird. „To Liquid“ steht für den Herstellungsprozess hin zum flüssigen Kraftstoff.
  • Bei HVO („Hydrotreated Vegetable Oils“) handelt es sich um einen konkreten paraffinischen Dieselkraftstoff: Pflanzenöle, zum Beispiel altes Frittenfett, werden in einem katalytischen Prozess an fossile Kraftstoffe angepasst. Sie können in Reinform, zum Beispiel als HVO100, angeboten werden. Oder sie werden, wie etwa Biodiesel, dem Dieselkraftstoff beigemischt. Grundsätzlich gilt: Je höher der Beimischungsgehalt von HVO, desto höher fallen auch die Emissionseinsparungen aus.
  • Bei Diesel B10 handelt es sich um Dieselkraftstoff mit einem Biokraftstoffanteil von zehn Prozent, analog zum bereits bekannten Diesel B7 mit sieben Prozent Beimischung.

Was ändert sich an der Zapfsäule?

Schon jetzt können paraffinische Dieselkraftstoffe aus Altspeiseölen wie Frittenfett dem herkömmlichen Diesel beigemischt werden. Künftig dürfen sie aber auch in 100-prozentiger Konzentration (z.B. HVO100) angeboten werden. Paraffinische Dieselarten in Reinform werden an der Tankstelle als XTL geführt.

Tankstellen können künftig also Zapfsäulen mit XTL sowie Diesel B10 einrichten. Tankstellenbetreiber sind verpflichtet, diese an den Zapfsäulen deutlich zu kennzeichnen. Dort steht der Name der Dieselsorte, also „Diesel B10“. Für XTL wird nach Angaben des Bundesumweltministeriums auch „Paraffinischer Diesel“ an der Zapfsäule zu lesen sein.

Um sicherzustellen, dass auch Fahrzeuge, die nicht Diesel B10- oder XTL-verträglich sind, versorgt werden können, bleibt Diesel B7 weiterhin an den Tankstellen verfügbar.

Wer darf die neuen Kraftstoffarten tanken?

Um die neuen Spritsorten tanken zu können, sind Freigaben der Hersteller notwendig. Derzeit ist dies für zahlreiche neue Modelle bereits der Fall. Grundsätzlich sollten sich Autofahrer vor der ersten Betankung mit einer der neuen Kraftstoffarten bei ihrem Hersteller oder Autohändler informieren und sich vergewissern, dass ihr Fahrzeug den Kraftstoff wirklich verträgt. Auch die Hinweise im Tankdeckel oder der Betriebsanleitung können bei neueren Autos Aufschluss darüber geben, ob das Fahrzeug für einen der neuen Kraftstoffe geeignet ist.

Wo liegen die Preise für XTL und Diesel B10?

In anderen europäischen Ländern ist paraffinischer Diesel schon verbreitet, etwa in Skandinavien, den Niederlanden, Italien und Österreich. Er wird sowohl in der Reinform-Variante als auch als Beimischung angeboten. Der Mehrpreis gegenüber Mineralöldiesel liegt in diesen Ländern für die Reinform nach Angaben des ADAC bei fünf bis 20 Cent.

Wie bereiten sich die Tankstellen auf die Umstellung vor?

Die Vorbereitungen für die Einführung der neuen Kraftstoffe laufen bereits, sagt Hans-Joachim Rühlemann, Vorstandsvorsitzender des Verbands des Garagen- und Tankstellengewerbes (VGT) Nord-Ost. Er vertritt hunderte Tankstellenpächter im Osten der Republik. „Viele Pächter warten händeringend auf die neuen Kraftstoffe“, so Rühlemann zu Sächsische.de.

Die Umstellung sei aus Sicht der Betreiber nicht aufwändig. So könnten beispielsweise die Tanks unter der Erde geteilt werden, damit mehr verschiedene Kraftstoffarten angeboten werden können. Dies sei etwa bei Benzin schon gängige Praxis. Diese Umrüstung könne innerhalb einer Woche passieren, so Rühlemann. „Die Pächter wollen loslegen. Die neueren Autos sind alle kompatibel. Die Nachfrage am Markt ist da – insbesondere bei Leuten, denen Klimabewusstsein wichtig ist“, sagt der Experte.

Etwas skeptischer zeigt sich der ADAC in Sachsen. Wie viele Tankstellen in Sachsen die neuen Kraftstoffarten anbieten werden, sei schwer abzuschätzen. Da die neuen Spritsorten nicht für ältere Fahrzeugmodelle zugelassen sind, sei zunächst nicht mit einem reißenden Absatz zu rechnen, sagt ein Sprecher.

Inwiefern Autofahrer flächendeckend HVO100 tanken können, ist also umstritten. Das Bundesumweltministerium warnte bereits im November, dass es nur eine begrenzte Menge gebe. Altspeiseöle - beispielsweise aus der Gastronomie - würden bereits heute als Beimischung vollständig im Verkehr eingesetzt, hieß es. Diese Menge könne nicht gesteigert werden.

Und was ist mit E-Fuels?

Eine weitere Form des paraffinischen Diesels sind E-Fuels. Sie werden aus Wasserstoff und CO2 erzeugt. Mit Inkrafttreten der neuen Verordnung wäre es grundsätzlich möglich, sie an Tankstellen zu verkaufen. Wann E-Fuels zum Verkauf stehen, ist allerdings noch nicht absehbar.