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Dresdner Firmen arbeiten an neuen radioaktiven Mitteln gegen Krebs

Millionenförderung für eine neuartige Nuklearmedizin, die deutlich besser und verträglicher ist. Die Forschung dafür ist bereits vorhanden.

Von Stephan Schön
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Schwach radioaktive Stoffe machen Tumorzellen sichtbar. Jetzt sollen sie auch diese Zellen ganz gezielt zerstören, und nur diese.
Schwach radioaktive Stoffe machen Tumorzellen sichtbar. Jetzt sollen sie auch diese Zellen ganz gezielt zerstören, und nur diese. © HZDR / Ressourcenmangel

Dresden. In Sachsen wird eine neue wirtschaftliche Branche aufgebaut. Sie soll ähnlich bedeutsam werden, wie die Mikroelektronik heute. Es geht um Grundstoffe für die Nuklearmedizin mit Wirkstoffen vor allem gegen Krebs. Sie werden in der Region Dresden entwickelt und produziert. Ein neues Großprojekt SNRT (Sächsisches Netzwerk für Radionuklid-Theranostika) startet am 1. November mit acht Partnern aus Forschung und Wirtschaft.

17 Millionen Euro stehen dafür in den kommenden drei Jahren zur Verfügung. Zwölf Millionen Euro kommen vom Bundesforschungsministerium und fünf von der Industrie. Umfangreiche weitere Investitionen seien zudem geplant, berichtet Wilhelm Zörgiebel, der mit seiner Dresdner Molecular Diagnostic Group (MDG) dort dabei ist. Auch die Millioneninvestition in einen eigenen Beschleuniger für die Herstellung dieser radioaktiven Nuklide für die Diagnose und Behandlung von Krebs. Bisher nutzen die Firmen die Anlage im Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf (HZDR).

Die Dresdner setzen auf neue Technologien. Statt eines Kernreaktors verwenden sie ihren Teilchenbeschleuniger für die Herstellung radioaktiver medizinischer Präparate, berichtet Klaus Kopka, Professor an der TU Dresden und als Direktor am HZDR für Radiopharmaka zuständig.

Der Reinraum im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, in dem die Radiopharmaka hergestellt werden.
Der Reinraum im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, in dem die Radiopharmaka hergestellt werden. © HZDR / R. Weisflog

Die hier erzeugten radioaktiven Stoffe werden schon jetzt an Suchmoleküle gebunden, die Krebszellen im Körper aufspüren und dort andocken. Im PET wird der Tumor damit sichtbar, sagt Kopka. Künftig sollen diese molekularen Helfer die Krebszellen nicht nur finden, sondern mit höherer Dosis versehen millimetergenau den Tumor zerstören. Weltweit sind bisher zwei solcher Präparate zur Krebsbehandlung zugelassen, viele weitere werden folgen, auch aus Sachsen. Klaus Kopka sieht darin einen weltweit erst entstehenden pharmazeutischen Markt. Sachsen habe die Chance, sich dort mit an die Spitze zu setzen.

Diese neue Therapieform hat enorme Vorteile. Es gibt weniger Nebenwirkungen und die Tumore werden deutlich besser bekämpft vor allem bei Metastasen. Das Problem dabei ist, jede Tumorart benötigt für deren Bekämpfung ihre speziellen Moleküle. Die Dresdner Forschung sucht genau diese. Und die Forscher hier setzen zudem eine neue nukleare Technologie, die eine wesentlich häufigere Anwendung erst möglich macht. Statt des weltweit kaum verfügbaren Terbiums (Seltene Erden) nutzen sie Kupfer.

Das Zyklotron, ein Teilchenbeschleuniger, im HZDR, mit dem die radioaktiven Stoffe erzeugt werden.
Das Zyklotron, ein Teilchenbeschleuniger, im HZDR, mit dem die radioaktiven Stoffe erzeugt werden. © HZDR / F. Bierstedt

Mit dieser Forschung, den hier schon vorhandenen Firmen der Nuklearmedizin und ihren weit über 1.000 Mitarbeitern sei Dresden das führende Zentrum in Europa, sagt Wilhelm Zörgiebel. „Wir wollen hier ein Radiopharmaceutical Valley schaffen vergleichbar mit dem Silicon Saxony der Mikroelektronik.“ Nicht vom Umsatz her, aber von der Bedeutung.

Erste Anwendungen für die Medizin erwartet Kopka deutlich vor zehn Jahren. Zörgiebel hofft bereits auf fünf Jahre. Dieses pharmazeutische Großprojekt ist Teil der Innovationsförderung „Rubin“ des Bundesforschungsministeriums.

Die Ministerpräsidenten der Länder und der Bund vereinbarten vergangenen Donnerstag, diese Art Förderung für neue Projekte in den kommenden Jahren fortzusetzen. Sie sollen die Industrie im Osten stärken.